Russische Soldaten sollen Frieden bringen
Mitten in der Nacht verkündet Wladimir Putin eine Sensation für das Kriegsgebiet Berg-Karabach. Friedenssoldaten sollen dort für Ruhe sorgen. Aber das Abkommen über ein Ende der Kämpfe löst unterschiedliche Reaktionen aus.
(dpa) In einem historischen Schritt zur Lösung des blutigen Konflikts um die Südkaukasusregion Berg-Karabach haben Aserbaidschan und Armenien dem Einsatz russischer Friedenssoldaten zugestimmt. Als sei alles von langer Hand vorbereitet gewesen, landeten die ersten der insgesamt rund 2000 Soldaten bereits am Dienstag in der Region, in der Russland nun seinen Einfluss massiv ausbaut. 22 Flugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 brachten schweres Militärgerät in das umkämpfte Gebiet, wie das russische Verteidigungsministerium auf Videos zeigte.
Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin mitten in der Nacht die Einigung mit Aserbaidschan und Armenien über ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen verkündet. Im Kriegsgebiet blieb es erstmals ruhig. Stationiert werden die russischen Einheiten in der Hauptstadt Stepanakert in Berg-Karabach. Die armenischen Truppen, das sieht die Vereinbarung vor, müssen sich aus dem Konfliktgebiet zurückziehen. Während Armenien nach jahrzehntelangem Kampf um die Region nun fürchtet, über Berg-Karabach die Kontrolle zu verlieren, triumphierte in Aserbaidschan Präsident Ilham Aliyev.
Die heiße Phase der Kämpfe sei vorbei, nun gehe es an die politischen Verhandlungen für eine Lösung des Konflikts, sagte Aliyev in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Und er ging davon aus, dass sich sein Lebensziel – die Wiedereingliederung des Anfang der 1990er Jahre verlorenen Gebiets in Aserbaidschan – nun erfüllt. Er sprach von einem „großen Sieg“.
In Armenien löste die Vereinbarung noch in der Nacht Massenproteste aus. Demonstranten besetzten und verwüsteten den Regierungssitz von Premier Nikol Paschinjan sowie das Parlamentsgebäude. Er habe nach Lage der Dinge nicht anders entscheiden können, sagte der als Verräter beschimpfte Paschinjan. Parlamentschef Ararat Mirsojan wurde bei einem Überfall schwer verletzt und musste in Krankenhaus.
„Das ist ein Sieg der Völker beider
Länder“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russlands Soldaten seien der Garant dafür, dass das Blutvergießen ende. Die Kräfte würden auch den Austausch von Gefangenen und Toten sicherstellen. Mit Blick auf die massiven Proteste in Armenien gegen das Abkommen sagte Peskow, er hoffe, dass die Menschen dort die Vorteile eines Kriegsendes verstünden. Das Dokument garantiere den Geflüchteten auch eine sichere Rückkehr in ihre Wohnorte.
Russland wies eine Erklärung von Präsident Aliyev in Baku zurück, nach der auch türkische Soldaten an der Friedensmission beteiligt würden. „Die Anwesenheit türkischer Soldaten in Karabach wurde nicht vereinbart“, stellte Peskow klar. Der Kreml veröffentliche das Abkommen mit den insgesamt neun Punkten auf seiner Internetseite.
Aus Sicht von Putin ist die Vereinbarung
ein Kompromiss, wie er am Dienstag sagte, die Grundlage für eine langfristige Lösung des Karabach-Problems. Bisherige Anläufe für eine Waffenruhe waren stets gescheitert. Zwar hatte Armenien sich an seine „Schutzmacht“Russland mit der Bitte um Friedenssoldaten gewandt. Allerdings hieß es in Moskau stets, dass Aserbaidschan zustimmen müsse. Diese Zustimmung kam überraschend in der Nacht. Aserbaidschan hatte zuvor einen russischen Kampfhubschrauber über Armenien abgeschossen – versehentlich, wie die Behörden in Baku betonten. Russland hatte zwar schon bisher Tausende Soldaten in Armenien stationiert, aber nicht in Berg-Karabach. Die Friedenstruppen aus Russland sollen nun zunächst fünf Jahre bleiben. Vorgesehen ist laut Abkommen die Option einer Verlängerung um weitere fünf Jahre.