Forschung – Speerspitze des Fortschritts
Forschung ist die Grundlage für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit. Dazu tragen viele kluge Köpfe in Hochschulen und Unternehmen bei.
Der technische Fortschritt fällt nicht vom Himmel“, schrieb der österreichische Ökonom Fritz Machlup 1959. Er werde vielmehr „bestellt, finanziert, produziert und bezahlt“. In Deutschland haben Staat und Wirtschaft 2018 zusammen über 104 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. In Deutschland wird nicht nur an Universitäten systematisch nach neuem Wissen gesucht, sondern auch an außeruniversitären Einrichtungen, wie etwa den Helmholz-Zentren, den Institutionen der Fraunhofer-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft. Die meisten Ressourcen stecken jedoch deutsche Unternehmen in ihre Forschungsabteilungen.
Sie beschäftigen 451 000 Personen und damit fast zwei Drittel des gesamten Forschungspersonals. Das geht aus einer Studie hervor, die Heike Belitz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mit Kollegen des Centers für Wirtschaftspolitische Studien und der Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband veröffentlicht hat.
Im internationalen Vergleich zählt Deutschland damit zu den Ländern mit den höchsten Aktivitäten in Forschung und Entwicklung – zwar noch hinter der Schweiz und Schweden, aber vor den USA. Forschungsschwerpunkte der deutschen Wirtschaft liegen traditionell in der hochwertigen Technik, also vor allem im Fahrzeug- und Maschinenbau sowie in der Chemie.
Die Arbeitsbedingungen in der Forschung haben sich über die Jahre stark verändert. „Meine Position gibt es für jüngere Wissenschaftler kaum noch“, sagt Belitz. Denn feste unbefristete Stellen sind im öffentlichen Bereich rar. „Die wichtigste Möglichkeit, sich im öffentlichen Bereich zu entfristen, also einen dauerhaften Arbeitsplatz zu finden, ist heute, eine Professur zu kriegen“, sagt sie. „In den Unternehmen, gerade den großen Unternehmen, ist ganz klar, dass die ihre Forscher früh entfristen und sehr gut behandeln, weil es dort Wettbewerb um die Köpfe gibt.“Diese Erfahrung belegen die Zahlen der Universität des Saarlandes. Ende 2019 waren hier 82 Prozent der 1565 wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen befristet, hinzu kamen 17 befristete Juniorprofessuren. Von den 267 Professuren waren hingegen nur sechs befristet.
Uni-Präsident Manfred Schmitt sagt, das liege vor allem daran, dass die meisten Arbeitsplätze an zeitlich befristete Drittmittel-Projekte gebunden seien. Auch zusätzliche Mittel von Bund, Land und Europäischer Union seien meist befristet wie etwa der „Hochschulpakt“, der noch bis zum Jahr 2022 läuft. Danach löst der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“den bisherigen Hochschulpakt sukzessive ab. „Den Hochschulen wird hiermit erstmals eine langfristige Perspektive und finanzielle Planungssicherheit gegeben“, sagt Schmidt. Damit soll es auch möglich sein, unbefristete Stellen zu schaffen.
Ziel der Saar-Uni ist es, in ihren drei Schwerpunktbereichen Informatik, Nano-Bio-Med und Europa internationales Spitzenniveau zu erreichen und damit den Status einer Exzellenzuniversität zu erlangen. „Die Universität ist für das Land ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Bewältigung der strukturellen Herausforderungen der kommenden Jahre“, sagt Uni-Präsident Schmitt.
Dabei spielt eine große Rolle, dass viele Studenten nach ihrem Abschluss den Weg in die Selbstständigkeit wagen. Für Gründungen gibt es in Saarbrücken unter anderem den Gründercampus und das Starterzentrum. Sie haben aber auch schon während des Studiums die Möglichkeit, Unternehmenserfahrung zu sammeln. In vielen Fachrichtungen wie der Materialwissenschaft, den Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre gibt es Forschungsprojekte mit regionalen Firmen wie Dillinger Hütte, Hydac und Globus.
Ein Beispiel für Unternehmen, die viel in Forschung und Entwicklung investieren, ist Bosch. Der Stuttgarter Konzern hat dafür im vorigen Jahr 6,1 Milliarden ausgegeben und beschäftigt weltweit mehr als 72 000 Forscherinnen und Forscher. Mit 4202 Patentanmeldungen hatte Bosch 2019 weltweit die Nase vorne – vor Schaeffler und BMW. Wer ganz vorne bei der Suche nach neuen technischen Lösungen dabei sein will, hat besonders gute Chancen als Absolvent der Studienfelder wie Künstlicher Intelligenz oder Maschinellem Lernen, heißt es bei Bosch. Denn der Konzern hat den Anspruch, weltweit Technologieführer im Bereich industrieller Künstlicher Intelligenz sein zu wollen.
Um den Forschernachwuchs in Deutschland sorgt sich Wissenschaftlerin Belitz nicht. Schließlich gebe es hierzulande keine schlechte Ausgangslage. Die letzte Wirtschaftskrise habe gezeigt, dass die Unternehmen in ihren Forschungsabteilungen ziemlich zuletzt oder gar nicht gespart hätten. „Im Bewusstsein der Manager deutscher Unternehmen hat Forschung einen hohen Stellenwert.“Ein Problem sieht sie jedoch: das Geschlechterverhältnis. Nur 28 Prozent der Forschenden hierzulande sind Frauen. „Das ist ein Skandal, zumal dieser Anteil in fast allen europäischen Ländern höher ist.“
Womit sich die Forscher der Zukunft beschäftigen werden, kann Wissenschaftlerin Belitz nicht vorhersagen. „Klar ist, dass Mobilität auch in Zukunft ein wichtiger Marktbereich sein wird. Wie diese aussehen wird, weiß aber niemand.“Auch deutsche Autobauer müssten bei der Erkundung neuer Technologien dabei sein und in diese investieren, „sonst werden sie über kurz oder lang verschwinden“, sagt sie. „Wie das Forschungsfeld in 20 Jahren aussieht, weiß keiner. Aber obwohl schon vor 20 Jahren große Bedenken geäußert wurden, dass sich die deutsche Industrie so stark auf die Autobranche konzentriert hat, haben wir bis jetzt sehr gut davon gelebt.“
Alle erschienenen Teile der Serie gibt es online: www.saarbrueckerzeitung.de/arbeit-mit-zukunft