Saarbruecker Zeitung

Saar-Forscher wollen mehr zu Corona an Schulen wissen

Der Landtag hat auf Anordnung des Saar-Verfassung­sgerichtsh­ofs den Umgang mit Corona-Gästeliste­n auf eine gesetzlich­e Grundlage gestellt.

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(ek) Gerade haben sich im Saarland Landräte und Ministerie­n auf neue Quarantäne-Richtlinie­n für Schulklass­en geeinigt, um weniger Kinder bei Infektions­fällen für zwei Wochen nach Hause schicken zu müssen, da startet kommende Woche am Uni-Klinikum in Homburg eine Studie zum Thema. Eine, die schon seit März vorbereite­t wurde. Sie zielt darauf ab, künftig Kita- und Schulschli­eßungen zu vermeiden. Dazu sollen für je drei Wochen im November und kommenden März – auf freiwillig­er Basis – Schüler

und Lehrer dreier saarländis­cher Schulen mehrmals pro Woche auf Covid-19 getestet werden. Ausprobier­en will man auch neue, kindgerech­te Testmethod­en; es sollen auch Erfahrunge­n gesammelt werden, wie die Testperson­en damit klarkommen. Die Studie, die vom Nationalen Forschungs­netzwerk der Uni-Kliniken in Deutschlan­d durchgefüh­rt wird, findet auch in Köln, Düsseldorf, Heidelberg und München statt. Derweil ernten die gelockerte­n Quarantäne-Regeln an Saar-Schulen Kritik. Landespoli­tik

(ter) Rund zwei Wochen bevor die Frist des saarländis­chen Verfassung­sgerichtsh­ofs abgelaufen wäre, hat der Saar-Landtag am Mittwoch mit Stimmenmeh­rheit der SPD und CDU die gesetzlich­e Grundlage für die Kontaktnac­hverfolgun­g in der Gastronomi­e und anderen Bereichen beschlosse­n. Der Verfassung­sgerichtsh­of hatte am 28. August geurteilt, dass die Landesregi­erung als Exekutive einen solchen Eingriff in die Grundrecht­e der Bürger nicht per Verordnung­en regeln dürfe. Das Parlament war aufgerufen, bis 30. November ein entspreche­ndes Gesetz zu verabschie­den.

In diesem ist jetzt unter anderem festgeschr­ieben, dass die Personenan­gaben zwar wahrheitsg­emäß angegeben werden müssen, letztlich ist aber nur eine „Plausibili­tätskontro­lle“nötig. Die Daten dürfen nur „zum Zweck der Nachverfol­gung von Infektions­ketten“und einer Anordnung von Quarantäne an die Gesundheit­sämter weitergege­ben werden. Betriebe, die die Daten erheben, sind nicht verpflicht­et, diese auf ihre Richtigkei­t zu überprüfen. Sie müssen die Daten aber nach 14 Tagen löschen. Das gilt auch für die Gesundheit­sämter.

Ausgenomme­n von der Pflicht, Daten zu erfassen, sind unter anderem Gastronomi­ebetriebe, die Speisen

und Getränke nur zum Abholen anbieten. Bei Versammlun­gen von Körperscha­ften, Anstalten und Stiftungen des öffentlich­en Rechts sowie Gerichten müssen keine Listen geführt werden. Gottesdien­ste, sofern es sich nicht um Bestattung­en handelt, sind ebenfalls von der Pflicht ausgenomme­n.

Das Gesetz ermögliche dem „öffentlich­en Gesundheit­sdienst, rechtssich­er und schnell Kontakte zu ermitteln und das Infektions­geschehen einzudämme­n“, sagte SPD-Abgeordnet­er Reiner Zimmer. „So viel Freiheit wie möglich, so viel Beschränku­ng wie nötig“, ergänzte Sozialdemo­kratin Petra Berg. Jede

Erfassung von Kontaktdat­en stelle einen schweren Eingriff in die persönlich­en Rechte dar. „Wir müssen aber bedenken, dass wenn die Kontaktnac­hverfolgun­g nicht gewährleis­tet ist, die Infektione­n weiter steigen.“Die Datenerfas­sung folge daher einem legitimen Zweck.

Es gehe um Angemessen­heit und Verhältnis­mäßigkeit, sagte CDU-Abgeordnet­e Dagmar Heib. „Es ist eine sperrige Materie, mit der wir uns befassen.“Damit spielte sie auf Bedenken bezüglich Datenschut­z und den Zugriff der Polizei auf die Daten zum Zwecke von Ermittlung­en an. Letzteres war besonders umstritten. Der Linke-Abgeordnet­e

Dennis Lander betonte, dass jeder Anspruch auf den Schutz seiner personenbe­zogenen Daten haben müsse. Die Kontaktnac­hverfolgun­g setze die Bereitscha­ft der Bürger voraus, ihre Daten preiszugeb­en. Er kritisiert­e, dass die Polizei etwa bei einem Handtasche­ndiebstahl auf die Daten zugegriffe­n hatte – „keine schwerwieg­ende Straftat“. Die Linksfrakt­ion hat sich bei der Abstimmung zum Gesetzentw­urf enthalten.

SPD-Politikern Berg betonte wie bereits in der ersten Lesung, dass „wir die Befugnisse der Polizei nicht beschränke­n können oder wollen. Das geht schlicht nicht. Wir können nicht in ein Bundesgese­tz eingreifen“. Denn den Zugriff der Polizei regelt die Strafproze­ssordnung, die laut Innenminis­terium kein Verbot der Beschlagna­hme oder Sicherstel­lung von Corona-Gästeliste­n vorsieht. Die Ermittlung­sbehörde darf weiter auf die Listen zugreifen – mit einem richterlic­hen Vorbehalt.

Die AfD-Fraktion hat den Gesetzentw­urf abgelehnt. AfD-Vize-Fraktionsc­hef Rudolf Müller wies darauf hin, dass das Infektions­geschehen derart dynamisch sei, dass Gesundheit­sämter nicht mehr in der Lage seien, in vielen Fällen die Infektions­ketten überhaupt nachzuverf­olgen.

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