Von Fukushima bis Karlsruhe: Der lange Weg aus der Atomkraft
(dpa/kes) Die Geschichte des Atomausstiegs in Deutschland beginnt nicht mit der Katastrophe in Fukushima vor neun Jahren. Eigentlich hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung das Ende der Atomenergie schon vor nunmehr 20 Jahren beschlossen. Doch der GAU in Japan wurde zum Katalysator. Insgesamt ist es die Geschichte eines Hin und Hers, die auch mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht zu Ende ist. Eine Chronologie:
Die damalige rot-grüne Bundesregierung einigt sich mit der Energiewirtschaft auf einen Ausstieg aus der Kernkraft in Deutschland. Bundeskanzler
Gerhard Schröder (SPD) und die Chefs der vier größten Energieunternehmen verständigen sich auf eine Gesamtlaufzeit der 19 arbeitenden Anlagen von insgesamt 32 Jahren.
Nachdem der Bundesrat am 1. Februar 2002 endgültig der Novellierung des Atomgesetzes zugestimmt hat, tritt das Gesetz in Kraft. Damit ist das rot-grüne Projekt vorerst fest vereinbart.
Der Ausstieg vom Ausstieg: Nach einem heftigen Schlagabtausch im Bundestag drückt die nunmehr schwarz-gelbe Bundesregierung mit knapper Mehrheit längere Laufzeiten für
Atommeiler durch. Damit ist zunächst der Abschied vom rot-grünen Atomausstieg beschlossen.
Japans Ostküste wird von einem schweren Erdbeben und Tsunami heimgesucht. Im Atomkraftwerk Fukushima löst dies eine Reihe katastrophaler Unfälle und schwerer Störfälle aus, bei der große Mengen radioaktiven Materials austreten. Die Folgen sind schwere Schäden für Natur und Tierwelt, Hunderttausende Einwohner müssen ihre Heimat verlassen.
Angesichts der Katastrophe setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die beschlossenen längeren Atomlaufzeiten für drei Monate aus. Acht vorwiegend ältere Meiler müssen noch im Sommer 2011 endgültig vom Netz. Die letzten sind Ende 2022 an der Reihe – dann soll Schluss sein mit der Atomkraft in Deutschland.
Das Bundesverfassungsgericht spricht den Atomkonzernen wegen des beschleunigten Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 eine „angemessene“Entschädigung zu. Laut dem Urteil wurden die Unternehmen durch die politische Kehrtwende fünf Jahre zuvor zwar nicht enteignet. Einzelne Vorschriften seien aber mit der Eigentumsfreiheit unvereinbar. Der Gesetzgeber muss nachbessern.
Geklagt hatten Eon, RWE und Vattenfall.
Der Bundestag billigt die 16. Novelle des Atomgesetzes. Sie sollte die von Karlsruhe geforderten Entschädigung der Atomkonzerne regeln.
Die Gesetzesänderung von 2018 sei unzureichend und außerdem wegen formaler Mängel nie in Kraft getreten, entschiedet das Verfassungsgericht nach einer erneuten Klage des Energiekonzerns Vattenfall. Der Gesetzgeber muss nachbessern. Erneut.