Freizeit macht eine Menge Arbeit
Feiern. Verreisen. Essengehen. Viele Branchen sind davon abhängig, was wir in unserer Freizeit tun. Doch die Ansprüche werden sich verändern, sagen Experten.
Die Freizeit hat immer auch etwas Widersprüchliches, sorgt sie doch dafür, dass andere Menschen arbeiten müssen, können, dürfen. Gäbe es sie nicht, hätten viele keine oder sehr viel weniger Arbeit. Geht man feiern, profitiert davon der Clubbetreiber. Geht man essen, ist der Gastronom der Nutznießer. Und sobald man Urlaub macht, erfreut das den Hotelier. „Arbeiten, wenn die anderen frei haben“, sagt man so schön. Ein altbekanntes Sprichwort, das auch in Zukunft zutreffen wird. Ganz sicher.
Doch diese eine Konstante, dass Freizeit Arbeit schafft, bedeutet nicht sofort, dass in jedem Bereich Jobs erhalten bleiben oder sogar neue entstehen. Nein, die freie Zeit ist einzig die
Voraussetzung dafür. Die Grundlage. Die Tatsache etwa, dass die Menschen in der Corona-Pandemie nicht mehr in Clubs gehen können, wird trotz weiterhin unveränderter freier Zeit zwangsläufig zu Jobverlusten führen. Entscheidend ist also, wie unser Freizeitverhalten ausschaut.
Beunruhigend – neben der sowieso schon so sehr beunruhigenden Corona-Krise – wirken da dann die vom Institut für Zukunftsfragen veröffentlichten Ergebnisse darüber, was die Deutschen in ihrer Freizeit am häufigsten tun. Die Top drei zusammengefasst: im Internet surfen, fernsehen, etwas am PC machen. Dass darunter viele Jugendliche fallen – die Gruppe also, die die Zukunft sehr stark repräsentiert –, beseitigt das ungute Gefühl freilich nicht. Im Gegenteil. Denn was ist, wenn das auch in Zukunft so bleibt? Die jungen Menschen lieber daheimbleiben, weil sie weniger erleben wollen?
Da wirkt ein Blick auf weitere Ergebnisse des Freizeitmonitors geradezu ermutigend. „Denn die tatsächlichen Freizeitbeschäftigungen stehen nicht mit den Wünschen in Verbindung, die die Menschen in ihrer Freizeit realisieren möchten“, sagt Ulrich Reinhardt, Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. „Für die Zukunft, wenn ich von den Wünschen ausgehe, werden die Menschen noch mehr unterwegs sein, weil sie mehr erleben wollen“, sagt er. Eine gute Basis also. Reinhard spricht vom „erlebnisorientierten Freizeitverhalten“.
Nun ist es ja nicht so, dass sich die Freizeitbranche deshalb per se verändern bräuchte, hat sie doch für jeden etwas zu bieten. Und doch wird sie sich verändern. Verändern müssen. Das sagen zumindest die Experten. Auch, weil die Digitalisierung die Freizeitbranche in Zukunft immer mehr prägen wird. Etwa, ganz besonders sogar, in der Gastronomie und Hotellerie. Dort „ist die Digitalisierung ein ganz wichtiger Prozess, der explosionsartig voranschreitet“, sagt Michael Buchna, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Saarland. Ein „explosionsartiges Voranschreiten“, das Buchna aber durchweg positiv bewertet. Ein Grund dafür, wohl der wichtigste, sei, „dass dadurch die Effektivität gesteigert wird: Nehmen wir das Thema digitale Speisekarte. Darüber kann der Küchenchef die Gerichte
abändern oder die Preise neu kalkulieren“, erklärt Buchna. Wichtig sei nun und zukünftig, die Mitarbeiter „auf diesem Weg mitzunehmen“. Etwa über Seminare. Sei es für Kellner oder Köche, die mit Geräten wie Tablets gekonnt umgehen müssten. Die Sorge, dass durch den technischen Fortschritt Jobs verloren gingen, sieht Buchna nicht. Im Gegenteil. „Die Interaktion zwischen Kellner und Gast ist für viele Menschen eine hochemotionale Sache“, die das Erlebnis Gastronomie ausmache.
Einen weiteren Trend, der die Freizeitbranche verändern könnte, sehen die Experten im Thema Nachhaltigkeit. Laut Alexander Fink, Vorstand der Szenario Management International AG, werden die Freizeitaktivitäten noch mehr als heute unseren moralischen Ansprüchen entsprechen müssen. Etwa bei der Planung des Urlaubs. „Man wird darum nicht herumkommen“, prophezeit Fink. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2019 belegt, dass die Nachhaltigkeit bereits heute für 84 Prozent der Befragten wichtig ist. Dass gerade bei der Generation-Z, also bei den Jahrgängen 2000 bis 2019, der Anteil an „grünen Reisenden“bei 64 Prozent liegt, ist in der Tat zukunftsweisend. Und die Ansprüche der jungen Generation, die sich ja bereits heute allerorten und in großer Zahl für Klimafreundlichkeit einsetzt, würden in Zukunft mutmaßlich noch weiter steigen, glaubt Fink. Der Tourismus müsse darauf Antworten finden. Denn in Zukunft würden gerade diejenigen Betriebe profitieren, die ein umweltfreundliches Konzept anböten.
Buchna, der Dehoga-Präsident Saarland, sieht das ähnlich. „Die Kunden wählen schon jetzt ein Produkt aus, das ein nachhaltiges Konzept beinhaltet“. Wie bei der Digitalisierung sei es wichtig, dass „wir die Angestellten schulen, damit sie über unser Nachhaltigkeitskonzept Bescheid wissen“. Hotelfachangestellte, Zimmermädchen, Kellner und Köche etwa.
Die Nachhaltigkeit – ein Trend, der für alle Standorte eine große Herausforderung darstellen wird. Da nämlich immer mehr „touristische Anbieter“auf Nachhaltigkeit setzten, steige auch die Konkurrenz untereinander. Für Julian Blomann, der auch als Tourismusberater im Saarland tätig ist, braucht es dafür ein „gutes Marketing“: „Will sich eine Stadt zu einem Touristen-Standort entwickeln, muss sie eine Marke vorantreiben“, sagt er. Dafür sei ein „touristischer Art-Direktor“wichtig. Eine Art Regisseur, dem es gelinge, die Attraktivität des Standortes hervorzuheben. Besonders über ein nachhaltiges Konzept.
Für IAB-Forscherin Britta Matthes ist die steigende Bedeutung eines klimafreundlichen Urlaubs ein Symptom einer „generell höheren menschlichen Sensibilität“. Nicht zuletzt gegenüber einem selbst. „Die junge Generation denkt anders. Es geht ihr mehr um Selbstverwirklichung“, erklärt sie. Das werde sich in Zukunft noch steigern. Nutznießer sei besonders die Fitnessbranche. Damit Fitness- und Personaltrainer.
Freizeit schafft Arbeit. Ja, das wird auch künftig so sein.
Alle erschienenen Teile der Serie gibt es online: www.saarbrueckerzeitung.de/arbeit-mit-zukunft