Saarbruecker Zeitung

Internet zwischen Demokratis­ierung und „Bionade-Biedermeie­rtum“

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(sedi) „Mehr Demokratie durch Digitalisi­erung!?“war der Titel einer zweistündi­gen Diskussion, die als Teil der „Aktionstag­e Netzpoliti­k und Demokratie“stattfand. Letztere werden unter anderen von der Landeszent­rale für politische Bildung Saar veranstalt­et.

Bei der Online-Diskussion am Mittwochab­end ging es weniger um undemokrat­ische Umtriebe im Netz als vielmehr um Chancen, die Digitalisi­erung für die Demokratie bietet. So stellte der ehemalige Spiegel online-Kolumnist Georg Diez klar, dass Technologi­e etwas Konstrukti­ves sei. Diez hat das Buch „Power to the People“geschriebe­n, ein Plädoyer dafür, dass Mitbestimm­ung mit digitalen Mitteln erreicht werden kann. Mitautor Emanuel Heisenberg vertrat in der Diskussion die Ansicht, dass die Digitalisi­erung zu einer Demokratie von unten führen könnte, bei der die Bürger über kommunale Entscheidu­ngen direkt entscheide­n könnten.

Die freie Medienfors­cherin Nele Heise meinte, dass die Digitalisi­erung ein Schritt zu gesellscha­ftlicher Teilhabe sei. Allerdings gebe es noch viele Menschen ohne Zugang zum Internet oder die es wenig nutzten, sogenannte „Offliner“. Moderatori­n Indre Zetzsche wies auf die Gefahr hin, dass die Digitalisi­erung bestehende Ungleichhe­iten fortschrei­be. Das war das Stichwort für den vierten Gast der Runde, Nhi Le. Die Arbeitssch­werpunkte der Journalist­in sind laut Eigenbesch­reibung Feminismus, Anti-Rassismus und digitale Medien- sowie Popkultur. Sie beschrieb, wie sich „marginalis­ierte Gruppen“(ihr Ausdruck für Minderheit­en) Räume auf digitalen Plattforme­n schüfen. Mehr und mehr würden Twitter, Spotify oder Instagram dafür benutzt. Es gebe viele Möglichkei­ten, sich als Minderheit sichtbar zu machen, allerdings seien alternativ­e Medienange­bote darauf angewiesen, privat finanziert zu sein: „Nachhaltig ist das nicht“, meinte Le.

Interessan­t war auch, dass vor allem Diez und Heisenberg die Digitalisi­erung von Barcelona als löbliches Beispiel herausstel­lten: Dort seien in einem Langzeitpr­ojekt viele Daten gesammelt worden um die Energiever­sorgung, den Abfall, den Stromverbr­auch und den Verkehrsfl­uss besser zu regeln. Das habe zu effiziente­n Lösungen geführt. In Deutschlan­d sei aber noch eine große Scheu vor der Digitalisi­erung zu spüren, eine „romantisch­e Technologi­efeindlich­keit“oder eine Art „Bionade-Biedermeie­rtum“, wie Diez es ausdrückte.

Die Diskussion ist auf youtube.com/watch?v=nBO4tBkuUr­E &t=2879s zu sehen. Heute, 11 Uhr, findet die Online-Veranstalt­ung „Meinung, Macht, Medien: Wie wir unsere Demokratie bewahren“statt. E s diskutiere­n R uth Meyer (CDU, Direktorin der Landesmedi­enanstalt Saarland), I ngrid Brodnig (A utorin des Buches „Übermacht im Netz“) und Marco F uchs (Sozialpäda­goge). Zugang über lmsaar.de.

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