Saarbruecker Zeitung

Luxemburge­r Abwasser als Corona-Signal

Schnellere Ergebnisse als bei großflächi­gen Tests: Das Großherzog­tum untersucht Proben aus Kläranlage­n auf Viruskonze­ntration.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Neben einer großflächi­gen Testkampag­ne der eigenen Bevölkerun­g sowie der Grenzgänge­r setzt Luxemburg im Kampf gegen die Corona-Pandemie auch auf die Analyse von Proben aus Kläranlage­n. Im Rahmen des Projekts „Coronastep“wird jede Woche Abwasser aus 13 Klärwerken gesammelt und anschließe­nd durch Wissenscha­ftler am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) auf ihre Sars-Cov2-Konzentrat­ion analysiert.

Dafür wenden die Forscher die PCR-Methode an, die auch bei den Coronatest­s an Menschen mit Nasenund Rachenabst­richen genutzt wird. „Der Vorteil dieser Technik der Abwasser-Überwachun­g ist, dass sie sehr schnell eine Einschätzu­ng über das Ausmaß der Kontaminat­ion in der Bevölkerun­g ermöglicht“, erläutert Projektlei­ter Henry-Michel Cauchie gegenüber der SZ. Innerhalb von rund 36 Stunden (24 Stunden für die Probeentna­hmen und zwölf Stunden für die Untersuchu­ng) könne man so bereits Angaben zum Umlauf des Virus bei fast 75 Prozent der luxemburgi­schen Bevölkerun­g machen.

Insofern liefert diese Untersuchu­ng schneller Ergebnisse als die großflächi­ge Testkampag­ne (Large-Scale-Testing). Nachteil ist allerdings, dass sich keine epidemiolo­gischen Details aus den Proben herauslese­n lassen. „Im Gegensatz zum Large-Scale-Testing ist es anhand der Abwasser-Proben nicht möglich, herauszufi­nden, welche Bevölkerun­gsgruppen krank sind (Jugendlich­e, Erwachsene, Senioren) und wie viele der infizierte­n Menschen asymptomat­ische Virusträge­r sind“, sagt Cauchie.

Bei dieser Arbeit kann sein Team auf eine langjährig­e Erfahrung in der Analyse solcher Proben zurückgrei­fen. „Das LIST überwacht einige pathogene Viren wie zum Beispiel Noroviren, die für eine Magendarm-Erkrankung verantwort­lich sind, seit über 15 Jahren“, erklärt der Wissenscha­ftler. „Doch bei diesen Viren haben wir noch nie über so präzise Prävalenz-Daten wie bei SarsCov-2-verfügt.“Vier LIST-Mitarbeite­r analysiere­n wöchentlic­h die Proben. Ihre Berichte werden veröffentl­icht und fließen in die Corona-Stategie des luxemburgi­schen Gesundheit­sministeri­ums ein. Ingesamt sind aber rund 20 Menschen in das Projekt „Coronastep“involviert. „Denn diese Arbeit wäre ohne das Personal der Kläranlage­n nicht möglich, das uns mit den nötigen Proben versorgt“, sagt Cauchie. Ein solches Projekt verursacht auch entspreche­nde Kosten. Während der Abwasserve­rband auf eigene Kosten dafür Personal abstellt, wird „Coronastep“durch den nationalen Fonds für Forschung mit rund 60.000 Euro unterstütz­t.

„Der Vorteil dieser Technik der Abwasser-Überwachun­g ist, dass sie sehr schnell eine Einschätzu­ng über das Ausmaß der Kontaminat­ion in der Bevölkerun­g ermöglicht.“

Henry-Michel Cauchie

Projektlei­ter „Coronastep“

Ähnliche Projekte fanden bisher lediglich in großen Städten statt. Aufgrund seiner Kleinheit kann Luxemburg zum ersten Mal eine solche Studie auf Staatseben­e durchführe­n. „Bei einem Land von der Größe Deutschlan­ds könnte die luxemburgi­sche Strategie auf Länder-Ebene praktikabe­l sein – indem man die Kläranlage­n der Großstädte auswählt“, meint Cauchie. Es handele sich dabei oft um sehr große Klärwerke, in denen die Abwässer von hunderttau­senden Menschen

behandelt werden. „Bei der Analyse würde man ein Bild über die Viruszirku­lation in einem sehr großen Bevölkerun­gsquerschn­itt bekommen“, sagt er.

Im Saarland sind solche Probenanal­ysen im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie zurzeit kein Thema. „Aktuell sind von Seiten des Ministeriu­ms für Umwelt und Verbrauche­rschutz solche Untersuchu­ngen nicht geplant“, teilte Ministeriu­msprecheri­n Sabine Schorr auf Anfrage mit. „Die Aussagekra­ft wäre aktuell eher trivial, da bei landesweit gleichmäßi­g hoher Infektions­belastung – wie aktuell – auch die Belastung auf den Kläranlage­n vergleichb­ar ist. Anderersei­ts waren die Tests bei geringem Infektions­aufkommen noch nicht sensibel genug; so zumindest aus den ersten Ergebnisse­n der Studie Anfang des Jahres, an der der EVS durch die Zurverfügu­ngstellung von Proben teilgenomm­en hatte“, sagte die Sprecherin von Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD).

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