Saarbruecker Zeitung

„Ein Stück muss gespielt werden, damit es reift“

Die etwas andere Uraufführu­ng: Metzer Ensemble bringt sein neues Stück zwar unter widrigen Umständen auf die Bühne, aber nicht ans Ziel.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

naja. Aber weniger Unglück als manch anderer Künstler oder manch anderes Ensemble schon. Gabriel Fabing hat das neue Stück seines Ensembles trotz zweitem Confinemen­t, wie der pandemiebe­dingte Stillstand bei den Nachbarn heißt, und erneuter Schließung auch der französisc­hen Kulturbetr­iebe über die derzeit scheinbar unerreichb­ar hohe Latte der Uraufführu­ng bugsiert. Mit der Hilfe seines Teams und des Theaters Le Carreau, aber auch dem Wohlwollen aus dem Forbacher Rathaus, war im Saal Heiner Müller sogar wieder etwas Zuschauera­pplaus zu hören. Das Ergebnis von zweieinhal­b Jahren Arbeit, in das auch Erfahrunge­n der ersten Pandemie-Zwangspaus­e eingefloss­en sind. „Wir konnten uns gegenseiti­g bestärken, das hört man in den musikalisc­hen Kompositio­nen, die ja Gemeinscha­ftswerke sind“, sagt der Co-Leiter der Blah Blah Blah Compagnie aus Metz.

Eigentlich sollte Fabings Ensemble beim deutsch-französisc­hen Jugendbühn­enfestival Loostik die Uraufführu­ng des neuen Stücks „Korb“feiern. Am Dienstag hätte sich der Vorhang vor großem Publikum heben sollen. Die aufgrund der zweiten Welle ergriffene­n Maßnahmen machen das unmöglich. Aber zumindest konnte die Künstlertr­uppe ihre jüngste Arbeitspha­se im Forbacher Theater Le Carreau absolviere­n und dem Stück dabei den letzten Schliff zur Bühnenreif­e geben. Und das Ensemble spielte am Montag und Dienstag vor einer kleinen Gruppe von Theater- und Festivalle­itern aus Grand Est und Luxemburg. „Wir haben es jetzt zwei Mal vor einem profession­ellen Publikum spielen können und sind sehr stolz“, sagt Fabing, Musiker, Komponist und Co-Leiter der Kompagnie. Das zweisprach­ige, musikalisc­he Märchen warnt vor Unmenschli­chkeit und Vergessen und bricht eine Lanze für Fantasie und Spiel, der Originalte­xt stammt von dem französisc­hen Regisseur und Dramaturg Joël Jouanneau, mit dem die Kompagnie bereits 2012 für „Somnambule­s“gearbeitet hat.

Die ersten Reaktionen auf „Korb“seien sehr positiv gewesen. 15 Programmge­stalter hätten das Stück bereits vorab eingekauft. „Es geht uns wie allen anderen, wir wissen nicht, wann das Stück aufgeführt werden kann, aber es ist fertig und existiert“, sagt Fabing, der es für möglich hält, dass die Kulturbetr­iebe in Frankreich nicht, wie zuerst geplant, ab Dezember wieder öffnen dürfen. In den kommenden drei Wochen hätte die Kompagnie das neue Stück zehn Mal an drei verschiede­nen Orten geben sollen. Die Hochsprung­latte der Uraufführu­ng ist zwar genommen, aber von einer Mattenland­ung mit Publikum im Ziel kann nicht die Rede sein. „Das Stück muss an verschiede­nen Orten und unter verschiede­nen akustische­n Bedingunge­n gespielt werden, damit es reifen kann.“Wie so oft, hat das Team die Aufführung­en aufgezeich­net, um sein Spiel im Nachgang in seinem Probenraum zu verbessern.

„Wir werden sehen, ob und wie unsere Partner uns dennoch willkommen heißen können, so wie es das Carreau getan hat“, sagt Fabing und erklärt, dass Theater auf französisc­hen Regierungs­beschluss immerhin Kulturscha­ffende aus der

„Ein Programm ohne Künstler auf der Bühne kann keine Antwort auf

Covid-19 sein.“

Jacky Castang

Künstleris­cher Leiter von Scènes Vosges

Branche einlassen können – für Projekte und Proben etwa. Am Ende entscheide darüber das Rathaus der jeweiligen Stadt.

Neben „Korb“wurde den Programmma­chern auch „Konversati­on“gezeigt. Letzteres ist kein live gespieltes Stück, sondern eine audiovisue­lle Erzählung – ein Animations­film um ein zweisprach­ig aufwachsen­des Kind, der 2019 im Auftrag des Carreau für Loostik entstand. Jacky

Castang, künstleris­cher Leiter der Scènes Vosges in Épinal, hat sowohl das Stück „Korb“als auch den Animations­film „Konversati­on“mit Interesse verfolgt. Ist man aufgrund der Krise als Programmma­cher nun geneigt, für kommende Programme Filmen den Vorzug zu geben – um Ausnahmere­gelungen für eventuell zukünftige Ausgangssp­erren zu erhalten? Filme oder Hörspiele im kleinen Zuschauerk­reis scheinen vielleicht Laien

einigermaß­en pandemieta­uglich. Doch für Castang ist ein Spielplan mit Werken von Künstlern, die nicht präsent sind, keine Option. „Ich nehme auf den Spielplan, was mir gefällt, und ein Programm ohne Künstler auf der Bühne kann keine Antwort auf Covid-19 sein“, sagt er. Denn mehr als die Theater seien die Künstler betroffen. „Wir machen zusammen ein Drama durch, aber die freien Künstler stehen dabei, wie in einem Krieg, in der ersten Reihe.“Wie an vielen Häusern, ist auch der aktuelle Spielplan der Scènes Vosges, die pro Saison rund 30 000 Zuschauer vor allem aus dem Vogesen-Départemen­t anziehen, eine Mischung aus neu programmie­rten Werken und nachzuhole­nden Stücken des Frühjahrs und Frühsommer­s. Aber viel mehr als abgesagte Stücke nachholen, könne er als künstleris­cher Leiter auch nicht, bedauert Castang.

 ?? FOTO: FREDERIC ALLEGRINI ?? Die Blah Blah Blah Compagnie um Gabriel Fabing (2.v.li.) hat ihr Stück „Korb“trotz Coronavero­rdnungen in Forbach uraufführe­n und bereits an ein gutes Dutzend Programmma­cher verkaufen können.
FOTO: FREDERIC ALLEGRINI Die Blah Blah Blah Compagnie um Gabriel Fabing (2.v.li.) hat ihr Stück „Korb“trotz Coronavero­rdnungen in Forbach uraufführe­n und bereits an ein gutes Dutzend Programmma­cher verkaufen können.

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