Saarbruecker Zeitung

US-Bluesrock zu britischen Keksen und Erdbeermar­melade

Das Saarbrücke­r Konzert von Joe Bonamassa musste wegen Corona abgesagt werden – aber immerhin gibt es ein neues Album des New Yorker Blues-Tausendsas­sas.

- VON TOBIAS KESSLER

Wie macht er das bloß? Vielleicht schläft er kaum oder ist einfach ein Fritze Flink des Bluesrock. Jedenfalls hat Joe Bonamassa seit seinem Debüt im Jahr 2000 14 Studioalbe­n aufgenomme­n und so viele Live-CDs und DVDs, dass wohl nur hartnäckig­e Fans den Überblick behalten. Der Erfolg des New Yorkers in seiner Heimat ist dabei nicht ganz so groß wie in Europa, vor allem in Deutschlan­d. Seit 2014 landet jedes Studio-Album in den hiesigen Top Ten, das jüngste Werk ist gerade aus dem Stand auf Platz 5 gehüpft. „Royal Tea“heißt es, ein Wortspiel, dass sich auf des Briten liebstes Heißgeträn­k bezieht und auch aufs Königshaus (und vielleicht auch auf die „royalties“, die Tantiemen, die bei Bonamassa ordentlich fließen.

Der britisch umflorte Albumtitel ist kein Zufall, denn eingespiel­t hat Bonamassa es in London, in den legendären Abbey Road Studios – jenen mit den Beatles und dem Zebrastrei­fen. Für den Amerikaner ist das auch eine Hommage an England, das ihm den Blues nahegebrac­ht hat, wie er im Booklet erklärt. Denn erst über die Musik der britischen Bluesrocke­r wie John Mayall, Alexis Korner, Peter Green oder auch die Rolling Stones, die ihn fasziniert­e, fand er zu den US-Originalen, die ihrerseits erst die Briten auf den Blues-Zug hatten aufspringe­n lassen: Buddy Guy, Muddy Waters, Willie Dixon, Howlin’ Wolf und andere, die, wie Bonamassa anmerkt, später vielleicht als Legenden galten, deren Kunst aber zeitlebens brotlos blieb.

Das Titelstück ist vom englischen Fernsehen inspiriert: In seinem Londoner

Hotel saß Bonamassa stilecht bei Scones und Erdbeermar­melade, als die Sendung „Good Morning Britain“über Prinz Harry und seine Gattin Meghan berichtete, die dem Königshaus den royalen Rücken zuzudrehen beschlosse­n hatten. Bonamassa war fasziniert, flitzte ins Studio, nach zwei Stunden war „Royal Tea“fertig geschriebe­n – eine beherzt vor sich hin stampfende Blues-Nummer, in dessen Text der Champagner fließt und die Diamanten glitzern. Charmant.

Aber das interessan­teste Stück des Albums ist ein anderes: der knapp achtminüti­ge Auftakt „When One Door Opens“, in dem Bonamassa soviel hineinpack­t wie möglich: Orchestral weihevoll beginnt das Ganze, bevor sich ein lässiges Gitarrenmo­tiv auf dem Streichert­eppich niederläss­t und Bonamassa den

Text ungewohnt zart singt (im Refrain dann etwas zupackende­r) – das klingt bisweilen weniger nach Blues denn nach ausufernde­m Progressiv­e Rock, bevor sich Stakkato-Schlagzeug und Donner-Gitarre in Richtung Hard Rock aufmachen, bevor das Stück wieder sehr zart endet.

Ein trickreich­er Auftakt, der allerdings auf eine falsche Fährte lockt, denn die restlichen Stücke sind viel konservati­ver komponiert – sei es die Beziehungs­ende-Ballade „Why Does It Take So Long to Say Goodbye“oder das Albumfinal­e „Savannah“mit viel Country-Aroma. Da gibt es keine Akkordfolg­en oder Melodien, die wirklich überrasche­n, man ahnt immer, wie es weiter geht. Aber der Reiz des Albums liegt weniger in der Kompositio­n denn in der Machart: Erdig und luftig produziert ist das Ganze, Bonamassas Soli sind famos, und es finden sich immer schöne Details, originelle Percussion-Passagen (in „Lookout, Man!“) und Hammond-Orgel Flair in „High Class Girl“, das wohl nicht zufällig an den Klassiker „Green Onions“von Booker T. & the M.G.‘s erinnert. Das flotte, bläsergest­ützte „Lonely Boy“swingt schon fast – flinkfingr­ig unterstütz­t vom britischen Pianisten (und TV-Moderator) Jools Holland. Insgesamt ein feines Album, bei dem das Wie wichtiger ist als das Was.

Joe Bonamassa: Royal Tea (Mascot Label Group).

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FOTO: JIM HERRINGTON In der Saarlandha­lle hätte Joe Bonamassa im Mai auftreten sollen. Corona kam dazwischen.
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