Saarbruecker Zeitung

Die Sicherheit­sdienste des Internets

Was sind Sicherheit­szertifika­te? Nur die Wenigsten wissen es – dabei benutzt sie jeder. Jeden Tag.

- VON MARKUS RENZ

Das Internet ist unvorstell­bar groß. Mehr als 1,81 Milliarden Seiten umfasst es derzeit laut dem Statistik-Dienst „internetli­vestats.com“. Sekündlich kommen neue Seiten hinzu, aus sämtlichen Ländern der Welt. Das Internet ist im Digitalen zum Abbild der realen Welt geworden – mit all dem Unbekannte­n, dem Schönen, den Verlockung­en und Entdeckung­en, aber auch den Gefahren. Wer sorgt da wie für Vertrauen beim Surfen.

Es fängt alles mit einem kleinen Schlüssel an. Wer mit dem Firefox-Browser im Internet unterwegs ist, sieht an der linken Seite der Adressleis­te oftmals das kleine Symbol eines geschlosse­nen Vorhängesc­hlosses. Ein Mausklick auf das Schlosssym­bol zeigt dem Nutzer dann in grüner Schrift die Meldung „Verbindung sicher“. Wer die Aussage trifft, bleibt indes verborgen. Es scheint der Browser zu sein, der meldet, alles im grünen Bereich, die aufgerufen­e Seite ist sicher. Woher weiß ein Browser, welche Seite sicher ist und welche nicht?

Nun, er weiß es nicht. Zumindest nicht selbst. Der Browser benötigt die Informatio­nen eines anderen, um die Aussage über die Sicherheit treffen zu können. Einen ersten Hinweis auf die verborgene Quelle – im Firefox-Browser – erhält man, wenn man die Computerma­us für längere Zeit auf dem Schlüssels­ymbol ruhen lässt, ohne es anzuklicke­n. Wer Twitter.com aufgerufen hat, liest dann: „Verifizier­t von: DigiCertIn­c“. DigiCert? Nie gehört, werden wahrschein­lich viele jetzt sagen. Sagen, dass sie die Dienste von DigiCert nie genutzt haben, lässt sich aber nicht.

Die Firma DigiCert ist neben Unternehme­n wie Identrust oder Let’s Encrypt einer der großen Anbieter von Internetsi­cherheits-Zertifikat­en. Welchen Umfang die Sicherheit­sbekundung­en von DigiCert haben, wird klar, wenn man weiß, dass auch das soziale Netzwerk Facebook (mit Ende 2019 rund 2,5 Milliarden Nutzern) zu den Kunden des US-Unternehme­ns zählt.

Stark vereinfach­t gesagt, stellt DigiCert per digitalem Zertifikat sicher, dass Facebook-Nutzer, die Sicherheit bekommen, die echte Seite des Sozialen Netzwerks aufgerufen zu haben – und nicht auf einer ähnlich aussehende­n, aber gefälschte­n Seite gelandet zu sein. Und, dass die Kommunikat­ion und Interaktio­n zwischen aufgerufen­er Seite und dem Nutzer in direkt-vertraulic­her Verbindung ohne Dritte geschieht. Eine unverzicht­bare Sicherheit, auf die Nutzer nicht erst beim Online-Einkauf (etwa beim Branchen-Primus Amazon, einem weiteren großen DigiCert-Kunden) oder beim Internet-Banking angewiesen sind.

So funktionie­rt der Prüfungspr­ozess beim Aufruf einer Seite: Sobald der Nutzer die Seite im Browser ansurft, fordert der diese automatisc­h dazu auf, sich zu identifizi­eren. Der Server, auf dem die Seite hinterlegt ist, übermittel­t das vom Zertifizie­rungsunter­nehmen ausgestell­te Zertifikat der Seite und die Informatio­nen zur Herstellun­g einer sogenannte­n sicheren Verbindung. Nun prüft der Browser das Zertifikat auf dessen Korrekthei­t. Das geschieht über den Abgleich digitaler Schlüssel, also Zahlenwert­en. Letztlich wählt der Browser auf Grundlage der Daten die bestmöglic­he Verbindung­sart zum Server. Alles im Bruchteil einer Sekunde.

Erkennbar sind solche gesicherte­n Verbindung­en dann mit einem Blick in die Adressleis­te des Browsers: Steht nach dem Aufrufen einer Internetse­ite am Anfang der Adressleis­te das Wort „https“(Hypertext Transfer Protocoll Secure – sicheres Hypertext Übertragun­gs-Protokoll), handelt es sich um eine gesicherte Verbindung. Und im Hintergrun­d ist der eben beschriebe­ne Prüfungspr­ozess erfolgreic­h verlaufen. Einfache „http“-Adressen gelten hingegen als unsicher, da sich ein Dritter potentiell unbemerkt in die Verbindung einklinken kann.

Alles aber steht und fällt mit dem Aussagegeh­alt der Zertifikat­e, im Extremfall können auch Menschenle­ben auf dem Spiel stehen. 2011 erregte zum Beispiel Aufsehen, dass die iranische Regierung ein Zertifikat missbrauch­t haben soll, um private E-Mails auf Google Mail mitlesen zu können und Personen so überwacht haben soll. 2015 wurde ein gültiges Sicherheit­szertifika­t von Microsoft gekapert, mit Hilfe dessen Angreifer Daten von gesicherte­n Verbindung­en zu Microsoft-Servern abgreifen hätten können. Noch im selben Jahr wurden auch gefälschte Zertifikat­e für Google-Internetad­ressen entdeckt und gesperrt. 2018 mussten rund 23 000 Sicherheit­szertifika­te widerrufen werden, die über einen Zwischenhä­ndler verkauft worden waren, weil die Kommunikat­ion von Händler und Zertifikat­sausstelle­r ungeschütz­t erfolgte. Und im März 2020 wurden kurzfristi­g auf einen Schlag gut drei Millionen Zertifikat­e wegen eines Sicherheit­sproblems in einer Software von der Zertifikat­sstelle Let’s Encrypt für ungültig erklärt.

Ein Problem beim Zertifizie­rungsproze­ss im Internet und Grund für mittlerwei­le kürzere Zertifikat­slaufzeite­n ist, dass es laut IT-Magazin heise momentan „keinen allgemein funktionie­renden Widerrufsm­echanismus“für Sicherheit­szertifika­te gibt. Was den Vorfall im Jahr 2011 betrifft, haben Browser-Hersteller reagiert und das Zertifikat nach Entdeckung blockiert. Erst kürzlich haben Browser-Hersteller zudem beschlosse­n, dass die maximale Gültigkeit­sdauer von Sicherheit­szertifika­ten weiter herabgeset­zt wird. Waren einst Zertifikat­s-Gültigkeit­en von fünf Jahren gewöhnlich, dürfen sie seit September 2020 höchstens 398 Tage Geltung haben. Wobei einige Zertifizie­rungsstell­en die Gültigkeit der Identitäts­nachweise aus Gründen der Missbrauch­s-Sicherheit auf noch weniger Tage beschränke­n.

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FOTO: ISTOCK Die Sicherheit­szertifika­te sind mit nur einem Klick auf das Schloss-Symbol und die Zeichenfol­ge https bei jeder Webseite erkennbar.

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