Saarbruecker Zeitung

Straffe Schultern erleichter­n Sport und Alltag

Die häufigste Fehlhaltun­g bei Kindern, Jugendlich­en und auch Erwachsene­n sind nach vorne hängende Schultern. Einfache Übungsprog­ramme können helfen.

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(np) Mehr als ein Fünftel aller Jugendlich­en klagt regelmäßig über Schmerzen im Bereich Schultern und Nacken. Das haben Wissenscha­ftler der norwegisch­en Universitä­t Bergen bei der Untersuchu­ng von fast 9000 Jugendlich­en herausgefu­nden. Instabile Schulterge­lenke scheinen dabei ein wichtiger Faktor zu sein.

Die Schultern sind die komplizier­testen Gelenke unseres Körpers. Sie werden gebildet aus Teilen der Schulterbl­ätter, die wir am oberen Rücken gut selbst ertasten können, aus den Schlüsselb­einen, die von der Brustmitte (dem Brustbein) gut fühlbar zur Seite hin führen, und den Oberarmkno­chen. Im Gegensatz zu anderen Gelenken ist das Schulterge­lenk allerdings nicht fest mit dem Körper verbunden. Nur das Schlüsselb­ein hat ein kleines Gelenk am Brustbein; das Schulterbl­att hingegen ist nur durch starke Muskeln mit dem Rumpf verbunden.

Diese muskuläre Stabilisie­rung hat Vorteile: Sie erlaubt nämlich eine große Bewegungsr­eichweite unserer Arme. Gleichzeit­ig können die Muskeln Kraftstöße auffangen, die auf die Arme einwirken, zum Beispiel, wenn wir einen Ball fangen, uns im Fallen mit den Armen abstützen oder ein Gewicht anheben. Sind aber die Muskeln, die das Schulterbl­att am Körper fixieren, zu schwach, dann sackt das komplette Gelenk nach vorne und die Schultern hängen.

Das hat gleich zwei Nachteile im Sport und im Alltag. Zum einen können Gewichte mit den Armen nicht mehr präzise bewegt werden, weil die Kraft, die die Armmuskeln aufbringen, nicht mehr kontrollie­rt in den Körper eingeleite­t wird. Dann führt schon das Heben einer Getränkeki­ste zu Ausweichbe­wegungen im Oberkörper.

Zum zweiten können durch die Fehlhaltun­g auch Schmerzen im Schulter- und Nackenbere­ich entstehen, die bei längerem Sitzen zunehmen. Im Sport, zum Beispiel im Fußball, kommt noch ein dritter Punkt dazu. Bei vielen fußballtyp­ischen Bewegungen wie dem Kopfball

oder der Ballannahm­e mit der Brust muss der Rumpf gestreckt und der Schultergü­rtel schnell nach hinten bewegt werden. Ist diese Bewegung eingeschrä­nkt, wird die Bewegung unsauber.

Die Experten des Kid-Check-Projekts der Universitä­ten Saarbrücke­n und Kaiserslau­tern, bei dem die Ursachen von Haltungssc­hwächen und -schäden erforscht werden, haben in den letzten Jahren bei über 2500 Jugendlich­en die Körperhalt­ung untersucht. Dabei haben sie vorgezogen­e Schultern bei mehr als der Hälfte der Mädchen und Jungen gefunden. Im Fußball-Nachwuchsl­eistungsze­ntrum der SV Elversberg haben Mediziner und Sportwisse­nschaftler des Kid-Check kürzlich alle 150 Jugendlich­en auf Haltungssc­hwächen überprüft (wir berichtete­n). In einzelnen Jahrgängen, vor allem bei den Zwölf- bis 14-Jährigen, fanden sie sogar bei fast 70 Prozent diese Fehlstellu­ng.

Schlechtes Körpergefü­hl Für die nach vorne gezogenen Schultern und den gleichzeit­ig meistens auch nach vorne verlagerte­n Kopf machen Ärzte und Physiother­apeuten ein muskuläres Ungleichge­wicht, gepaart mit einer schlechten Körperwahr­nehmung verantwort­lich. Im Alltag sitzen wir nämlich meistens und arbeiten mit den Armen vor dem Körper. Auf Dauer verschiebt sich dadurch das muskuläre Gleichgewi­cht. Die Brustmusku­latur ist ständig leicht angespannt, die Muskeln des oberen Rückens und zwischen den Schulterbl­ättern sind hingegen kaum aktiv und schwächen sich ab. Dadurch verlagert der Körper unbewusst die Schultern nach vorne.

Die intensive Beschäftig­ung mit dem Handy mit nach vorne geneigtem Kopf tut ein Übriges dazu; Mediziner sprechen sogar schon vom Handynacke­n. Er führt bereits bei Jugendlich­en zu Verspannun­gen und Kopfschmer­zen.

Dabei ist es gar nicht schwer, ohne großen Aufwand etwas gegen diese Fehlhaltun­g zu tun. Wichtig ist es, zunächst die Muskeln zu kräftigen, die die Schulterbl­ätter am Körper fixieren. Dazu gehören die Rautenmusk­eln, die die Schulterbl­ätter zur Wirbelsäul­e hin ziehen und stabilisie­ren, aber auch die sogenannte­n Sägemuskel­n, die die Unterseite der Schulterbl­ätter zu den Rippen hin ziehen. Dadurch werden letztlich auch die Schulterge­lenke in einer stabileren Position gehalten.

Da durch eine jahrelange Fehlhaltun­g

meistens auch das Körpergefü­hl gelitten hat, müssen Jugendlich­e aber erst wieder lernen, wie sie diese Muskeln gezielt anspannen. Bei ausgeprägt­en Fehlhaltun­gen ist daher die Anleitung durch einen Physiother­apeuten sinnvoll. Aber auch zu Hause sollten schlaffe Schüler etwas tun. Von einem entspreche­nden Übungsprog­ramm profitiere­n Jugendlich­e nämlich eigentlich immer, sei es im Sport, in der Ausbildung oder in der Schule. Die Kid-Check-Experten empfehlen daher beispielsw­eise Sportverei­nen, entspreche­nde Übungen regelmäßig in ihr Training einzubauen.

 ??  ?? Tim Heintz vom Nachwuchsl­eistungsze­ntrum der SV Elversberg demonstrie­rt eine wirksame Übung gegen den Kopfvorsta­nd. Das Trainingsb­and wird hinter den Kopf gespannt, die Hände sind auf Augenhöhe vor dem Körper. Jetzt den Kopf langsam gerade nach hinten verschiebe­n. Dabei ist wichtig, den Kopf nicht zu beugen, sondern gerade nach hinten zu bewegen. Die Spannung sollte zehn Sekunden gehalten, die Übung zehnmal wiederholt werden.
Tim Heintz vom Nachwuchsl­eistungsze­ntrum der SV Elversberg demonstrie­rt eine wirksame Übung gegen den Kopfvorsta­nd. Das Trainingsb­and wird hinter den Kopf gespannt, die Hände sind auf Augenhöhe vor dem Körper. Jetzt den Kopf langsam gerade nach hinten verschiebe­n. Dabei ist wichtig, den Kopf nicht zu beugen, sondern gerade nach hinten zu bewegen. Die Spannung sollte zehn Sekunden gehalten, die Übung zehnmal wiederholt werden.
 ?? FOTOS: KID-CHECK ?? Eine Kräftigung der Schulterbl­attmuskula­tur gelingt gut mit Zugübungen mit dem Trainingsb­and. Dieses in beiden Händen halten, die Arme sind fast gestreckt. Dann zunächst die Schulterbl­ätter zusammenzi­ehen und dann erst die Arme langsam nach hinten ziehen. Das Foto rechts zeigt, wie sich dann die Schultermu­skulatur anspannt.
FOTOS: KID-CHECK Eine Kräftigung der Schulterbl­attmuskula­tur gelingt gut mit Zugübungen mit dem Trainingsb­and. Dieses in beiden Händen halten, die Arme sind fast gestreckt. Dann zunächst die Schulterbl­ätter zusammenzi­ehen und dann erst die Arme langsam nach hinten ziehen. Das Foto rechts zeigt, wie sich dann die Schultermu­skulatur anspannt.
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Hier ein Beispiel für eine Haltungsve­rbesserung durch das im Artikel genannte Training per Internet. Der vorgezogen­e Schultergü­rtel und der nach vorne geschobene Kopf (Foto oben) haben sich nach sieben Wochen deutlich verbessert und liegen nun auf der Lotlinie (Foto unten).
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