Saarbruecker Zeitung

Fulltime-Job auf dem Eiweiler Gnadenhof

Im Garten von Jutta und Lothar Braun muss sich kein Tier vor dem Schlachtme­sser fürchten.

- VON THOMAS ANNEN

Im Jahr 2007 haben Jutta und Lothar Braun im eigenen Garten im Heusweiler Ortsteil Eiweiler einen Gnadenhof eröffnet. Dort dürfen verstoßene Nutztiere bis zu ihrem Tod leben. Zurzeit werden 62 Tiere auf knapp 30 000 Quadratmet­ern betreut. Oft bekommen sie Besuch von den Spatzen der Umgebung, ihr Gezwitsche­r ist nicht zu überhören. „Sie fressen gerne das

Lothar Braun

Hühnerfutt­er“, sagt Lothar Braun. Die Haussperli­nge sind nicht die einzigen Vögel auf dem Hof. Zwei Krähen haben sich eingeniste­t, sie beschützen die Hühner vor dem Habicht. Der Räuber wird so lange genervt, bis er sich verzieht.

Am frühen Nachmittag grasen einige Tiere auf der Wiese, andere schlafen im Stall. Als die Hofbetreib­er auftauchen, sind alle sofort hellwach. Zunächst werden Jutta und Lothar Braun von den neugierige­n Ziegen begrüßt. Aber auch die Schafe scharen sich um das Ehepaar. Sie wissen, dass sie ihren Rettern blind vertrauen können. „Sollen wir auf die große Wiese gehen?“, fragt Jutta Braun. Die Tiere lassen sich nicht lange bitten. „Määäh!“, schallt es über den Hof.

Jedes Tier hat seine eigene Geschichte.

Ziegenbock Leo kommt aus einem Tierpark. Merinoscha­f Manolito wurde aus einem dunklen Transporte­r befreit, es sollte rituell geschlacht­et werden. Ziegenbock Fernando ist der Ausbrecher­könig. Mit dem Horn hat er schon so manche Verriegelu­ngen geknackt.

„Viele Tiere, die wir bei uns aufgenomme­n haben, sind Fundtiere oder stammen aus schlechter und nicht artgerecht­er Haltung“, erklärt Lothar Braun. „In vielen Fällen sind die Tiere krank, und die Vorbesitze­r scheuten offensicht­lich die Arztkosten.“Aufgenomme­n werden kleine

Nutztierra­ssen – keine Pferde, Kühe, Esel oder Schweine. „Es ist ein Fulltime-Job“, versichert der Pensionär. Der Morgen beginnt mit einem ersten Kontrollga­ng, anschließe­nd geht es mit den Tieren auf die Weide. Die Ställe werden gesäubert, mehrmals täglich gibt es frisches Heu. Die

Tierfreund­e behandeln Wunden, schneiden Klauen, reparieren Zäune. Rund ein Dutzend ehrenamtli­che Helfer packt stundenwei­se mit an.

Auch am Wochenende können Jutta und Lothar Braun die Füße nicht hochlegen. Ein gemeinsame­r

Urlaub ist ebenfalls nicht drin. Und den Sohn in Freiburg besucht immer nur einer der beiden. Der andere bleibt bei den Tieren.

Der Gnadenhof macht nicht nur viel Arbeit, er kostet auch Geld. Die Preise für Heuballen sind stark gestiegen, der Tierarzt muss bezahlt werden. Spenden helfen bei der Finanzieru­ng. Das Hoffest bringt ebenfalls Einnahmen. Im Vorjahr lockte der Tag der offenen Tür über 1000 Besucher an. In diesem Jahr musste das Fest wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Mit ihrer Initiative verbinden die beiden Vegetarier einen pädagogisc­hen Ansatz. Gern erklären sie jungen Besuchern, was es bedeutet, Verantwort­ung für ein Tier zu übernehmen.

Lothar Braun arbeitete früher als Kriminalbe­amter und lief 100-Kilometer-Ultramarat­hons. Seine Frau war eine erfolgreic­he Tennisspie­lerin und hatte eine Boutique. Als der Gnadenhof dazu kam, merkte sie, dass das Geschäft und der Hof zusammen nicht zu stemmen sind. Sie entschied sich für die Tiere. „Das habe ich nicht bereut“, betont Jutta Braun. Sie hat auch ein Buch über den Gnadenhof geschriebe­n. Die Eheleute sind glücklich, wenn die Tiere bei ihnen aufblühen.

Aber natürlich gibt es auch traurige Momente. Zum Leben auf dem Gnadenhof gehört das Sterben dazu. Jutta Braun hat einen besonderen Draht zu ihren Schützling­en, sie merkt, wenn die Tiere krank sind. Naht das Ende, ziehen sie sich zurück. Dann bleibt Jutta Braun bei ihnen, bis der Tierarzt kommt. „Ich begleite jedes Tier beim Sterben“, versichert sie.

„Viele Tiere, die wir bei

uns aufgenomme­n haben, sind Fundtiere oder stammen aus schlechter Haltung.“

Gnadenhof in Eiweiler

 ?? FOTO: ANDREAS SCHLICHTER ?? Die 52 Tiere, die bei Jutta und Lothar Braun in Eiweiler ein Zuhause gefunden haben, sind vor allem kleine Nutztiere wie Ziegen und Schafe.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Die 52 Tiere, die bei Jutta und Lothar Braun in Eiweiler ein Zuhause gefunden haben, sind vor allem kleine Nutztiere wie Ziegen und Schafe.

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