Fulltime-Job auf dem Eiweiler Gnadenhof
Im Garten von Jutta und Lothar Braun muss sich kein Tier vor dem Schlachtmesser fürchten.
Im Jahr 2007 haben Jutta und Lothar Braun im eigenen Garten im Heusweiler Ortsteil Eiweiler einen Gnadenhof eröffnet. Dort dürfen verstoßene Nutztiere bis zu ihrem Tod leben. Zurzeit werden 62 Tiere auf knapp 30 000 Quadratmetern betreut. Oft bekommen sie Besuch von den Spatzen der Umgebung, ihr Gezwitscher ist nicht zu überhören. „Sie fressen gerne das
Lothar Braun
Hühnerfutter“, sagt Lothar Braun. Die Haussperlinge sind nicht die einzigen Vögel auf dem Hof. Zwei Krähen haben sich eingenistet, sie beschützen die Hühner vor dem Habicht. Der Räuber wird so lange genervt, bis er sich verzieht.
Am frühen Nachmittag grasen einige Tiere auf der Wiese, andere schlafen im Stall. Als die Hofbetreiber auftauchen, sind alle sofort hellwach. Zunächst werden Jutta und Lothar Braun von den neugierigen Ziegen begrüßt. Aber auch die Schafe scharen sich um das Ehepaar. Sie wissen, dass sie ihren Rettern blind vertrauen können. „Sollen wir auf die große Wiese gehen?“, fragt Jutta Braun. Die Tiere lassen sich nicht lange bitten. „Määäh!“, schallt es über den Hof.
Jedes Tier hat seine eigene Geschichte.
Ziegenbock Leo kommt aus einem Tierpark. Merinoschaf Manolito wurde aus einem dunklen Transporter befreit, es sollte rituell geschlachtet werden. Ziegenbock Fernando ist der Ausbrecherkönig. Mit dem Horn hat er schon so manche Verriegelungen geknackt.
„Viele Tiere, die wir bei uns aufgenommen haben, sind Fundtiere oder stammen aus schlechter und nicht artgerechter Haltung“, erklärt Lothar Braun. „In vielen Fällen sind die Tiere krank, und die Vorbesitzer scheuten offensichtlich die Arztkosten.“Aufgenommen werden kleine
Nutztierrassen – keine Pferde, Kühe, Esel oder Schweine. „Es ist ein Fulltime-Job“, versichert der Pensionär. Der Morgen beginnt mit einem ersten Kontrollgang, anschließend geht es mit den Tieren auf die Weide. Die Ställe werden gesäubert, mehrmals täglich gibt es frisches Heu. Die
Tierfreunde behandeln Wunden, schneiden Klauen, reparieren Zäune. Rund ein Dutzend ehrenamtliche Helfer packt stundenweise mit an.
Auch am Wochenende können Jutta und Lothar Braun die Füße nicht hochlegen. Ein gemeinsamer
Urlaub ist ebenfalls nicht drin. Und den Sohn in Freiburg besucht immer nur einer der beiden. Der andere bleibt bei den Tieren.
Der Gnadenhof macht nicht nur viel Arbeit, er kostet auch Geld. Die Preise für Heuballen sind stark gestiegen, der Tierarzt muss bezahlt werden. Spenden helfen bei der Finanzierung. Das Hoffest bringt ebenfalls Einnahmen. Im Vorjahr lockte der Tag der offenen Tür über 1000 Besucher an. In diesem Jahr musste das Fest wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Mit ihrer Initiative verbinden die beiden Vegetarier einen pädagogischen Ansatz. Gern erklären sie jungen Besuchern, was es bedeutet, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen.
Lothar Braun arbeitete früher als Kriminalbeamter und lief 100-Kilometer-Ultramarathons. Seine Frau war eine erfolgreiche Tennisspielerin und hatte eine Boutique. Als der Gnadenhof dazu kam, merkte sie, dass das Geschäft und der Hof zusammen nicht zu stemmen sind. Sie entschied sich für die Tiere. „Das habe ich nicht bereut“, betont Jutta Braun. Sie hat auch ein Buch über den Gnadenhof geschrieben. Die Eheleute sind glücklich, wenn die Tiere bei ihnen aufblühen.
Aber natürlich gibt es auch traurige Momente. Zum Leben auf dem Gnadenhof gehört das Sterben dazu. Jutta Braun hat einen besonderen Draht zu ihren Schützlingen, sie merkt, wenn die Tiere krank sind. Naht das Ende, ziehen sie sich zurück. Dann bleibt Jutta Braun bei ihnen, bis der Tierarzt kommt. „Ich begleite jedes Tier beim Sterben“, versichert sie.
„Viele Tiere, die wir bei
uns aufgenommen haben, sind Fundtiere oder stammen aus schlechter Haltung.“
Gnadenhof in Eiweiler