500 „Querdenker“in Saarbrücken trotz Demo-Verbot
Eine Demo wurde vom Oberverwaltungsgericht verboten und von der Polizei verhindert. Ein Treffen gab es trotzdem.
(kir/pte) Mehrere hundert Anhänger der „Querdenken“-Bewegung haben am Sonntag versucht, ein Demonstrationsverbot in Saarbrücken zu umgehen. Nachdem das Oberverwaltungsgericht das für den Rathausplatz erlassene Verbot mit Verweis auf den Volkstrauertag bestätigt hatte, wichen die Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen vor das E-Werk aus. Dort wollten sie laut Polizei unter dem Deckmantel des Totengedenkens eine Spontanversammlung abhalten. Rund 120 Beamte verhinderten nach den Worten von Polizeipräsident Norbert Rupp jedoch, dass es zu Reden kam und Gruppen weiterzogen. Auf eine Auflösung habe man aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verzichtet. Innenminister Klaus Bouillon (CDU) sagte, die Gefahr durch Corona zu leugnen, sogar lächerlich zu machen und dies öffentlich unter Ausnutzung des Rechtsstaates kundzutun, sei „ein Angriff auf die Werte unserer Gesellschaft“.
Reden halten und Transparente schwingen – das ging nicht, jedenfalls nicht am Volkstrauertag. Nur Stunden vor dem geplanten Beginn einer Aktion der „Querdenken“-Bewegung vor dem Saarbrücker Rathaus musste das Oberverwaltungsgericht den Anmelder belehren, dass im Saarland Versammlungen am Volkstrauertag ab 4 Uhr verboten sind – sofern sie nicht der Religionsausübung dienen oder dem Charakter des Feiertags entsprechen. Das sahen die OVG-Richter bei der geplanten Anti-Corona-Demo nicht als erfüllt an und bestätigten damit das von der Stadt Saarbrücken verhängte Verbot.
Die Veranstalter versuchten daraufhin, das Demo-Verbot zu umgehen. Vor dem Saarbrücker E-Werk wollten sie eine Spontanversammlung abhalten – „unter dem Deckmantel des Totengedenkens“, wie Landespolizeipräsident Norbert Rupp sagte. Das habe die Polizei verhindert. „Die klare Linie war: Eine verbotene Versammlung findet nicht statt“, sagte Rupp.
Spontanversammlungen setzten einen aktuellen Anlass voraus, den es nicht gegeben habe. Alles, was eine Versammlung ausmache, etwa Redebeiträge und Plakate, habe es nicht gegeben. „Das war bestenfalls eine Ansammlung“, sagte Rupp. Eine Ansammlung allerdings, an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten – laut Polizei waren es in der Spitze bis zu 500 Personen, Teilnehmer sprachen von deutlich mehr. Nach Beobachtungen vor Ort dürfte die angegebene Teilnehmerzahl der Polizei jedoch eher der Realität entsprechen. An der Kundgebung vor dem E-Werk nahmen neben Familien mit Kindern auch Vertreter aus der Reichsbürger- und rechtsextremen Szene sowie Anhänger von Verschwörungserzählungen teil.
Unter den Teilnehmern war auch der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann, der als eine zentrale Figur der „Querdenker“-Szene gilt und von den Teilnehmern am E-Werk mit frenetischem Jubel begrüßt wurde. Er hatte die ursprüngliche Versammlung vor dem Rathaus angemeldet. Landes- und Bundespolizei waren mit 120 Beamten sowie einer Hundestaffel vor Ort.
Trotz mehrfacher Lautsprecher-Aufforderung wurden während der Veranstaltung zum größten Teil keine Mindestabstände gehalten und keine Masken getragen. Laut Einsatzleiter Eric Schweizer gab es aber mehrere „bilaterale Gespräche“, weswegen man sich dazu entschlossen habe, die Ansammlung nicht aufzulösen. Auch zu Strafanzeigen sei es vorerst nicht gekommen. Rupp begründete das Vorgehen der Polizei, die Ansammlung nicht aufzulösen, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Trotz mehrfacher Nachfrage habe sich niemand als Verantwortlicher zu erkennen gegeben, sagte er.
Als sich die Ansammlung nach einiger Zeit in verschiedene Richtungen in Bewegung setzte, wurde dies mit Polizeiketten verhindert. Ein anvisierter Punkt war dabei wohl das Messegelände. Um ein Zusammentreffen mit möglichen Gegendemonstranten im Stadtzentrum zu verhindern, habe man sich dazu entschlossen, das Gebiet um die Versammlung am E-Werk abzusperren, sagte Schweizer.
Beobachter spürten eine teilweise aggressive Stimmung gegenüber der Polizei und den Vertretern der Presse. So wurden Journalisten teilweise umringt und abgefilmt. Auch gegenüber Polizeibeamten kam es vereinzelt zu Beleidigungen. Gegen 17 Uhr löste sich die Ansammlung nach und nach auf.
Die SPD-Fraktion im Landtag forderte, die Beteiligten müssten „die Härte des Rechtsstaats“spüren. „Diese Menschen gefährden nicht nur sich und andere, sondern treten auch unseren Rechtsstaat mit Füßen. Das können wir nicht dulden“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Petra Berg. CDU-Fraktionschef Alex Funk hatte bereits vor Tagen gefordert, die radikalisierten Teile der „Querdenken“-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.