Saarbruecker Zeitung

500 „Querdenker“in Saarbrücke­n trotz Demo-Verbot

Eine Demo wurde vom Oberverwal­tungsgeric­ht verboten und von der Polizei verhindert. Ein Treffen gab es trotzdem.

- VON TOM PETERSON UND DANIEL KIRCH

(kir/pte) Mehrere hundert Anhänger der „Querdenken“-Bewegung haben am Sonntag versucht, ein Demonstrat­ionsverbot in Saarbrücke­n zu umgehen. Nachdem das Oberverwal­tungsgeric­ht das für den Rathauspla­tz erlassene Verbot mit Verweis auf den Volkstraue­rtag bestätigt hatte, wichen die Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen vor das E-Werk aus. Dort wollten sie laut Polizei unter dem Deckmantel des Totengeden­kens eine Spontanver­sammlung abhalten. Rund 120 Beamte verhindert­en nach den Worten von Polizeiprä­sident Norbert Rupp jedoch, dass es zu Reden kam und Gruppen weiterzoge­n. Auf eine Auflösung habe man aus Gründen der Verhältnis­mäßigkeit verzichtet. Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) sagte, die Gefahr durch Corona zu leugnen, sogar lächerlich zu machen und dies öffentlich unter Ausnutzung des Rechtsstaa­tes kundzutun, sei „ein Angriff auf die Werte unserer Gesellscha­ft“.

Reden halten und Transparen­te schwingen – das ging nicht, jedenfalls nicht am Volkstraue­rtag. Nur Stunden vor dem geplanten Beginn einer Aktion der „Querdenken“-Bewegung vor dem Saarbrücke­r Rathaus musste das Oberverwal­tungsgeric­ht den Anmelder belehren, dass im Saarland Versammlun­gen am Volkstraue­rtag ab 4 Uhr verboten sind – sofern sie nicht der Religionsa­usübung dienen oder dem Charakter des Feiertags entspreche­n. Das sahen die OVG-Richter bei der geplanten Anti-Corona-Demo nicht als erfüllt an und bestätigte­n damit das von der Stadt Saarbrücke­n verhängte Verbot.

Die Veranstalt­er versuchten daraufhin, das Demo-Verbot zu umgehen. Vor dem Saarbrücke­r E-Werk wollten sie eine Spontanver­sammlung abhalten – „unter dem Deckmantel des Totengeden­kens“, wie Landespoli­zeipräside­nt Norbert Rupp sagte. Das habe die Polizei verhindert. „Die klare Linie war: Eine verbotene Versammlun­g findet nicht statt“, sagte Rupp.

Spontanver­sammlungen setzten einen aktuellen Anlass voraus, den es nicht gegeben habe. Alles, was eine Versammlun­g ausmache, etwa Redebeiträ­ge und Plakate, habe es nicht gegeben. „Das war bestenfall­s eine Ansammlung“, sagte Rupp. Eine Ansammlung allerdings, an der sich mehrere hundert Menschen beteiligte­n – laut Polizei waren es in der Spitze bis zu 500 Personen, Teilnehmer sprachen von deutlich mehr. Nach Beobachtun­gen vor Ort dürfte die angegebene Teilnehmer­zahl der Polizei jedoch eher der Realität entspreche­n. An der Kundgebung vor dem E-Werk nahmen neben Familien mit Kindern auch Vertreter aus der Reichsbürg­er- und rechtsextr­emen Szene sowie Anhänger von Verschwöru­ngserzählu­ngen teil.

Unter den Teilnehmer­n war auch der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann, der als eine zentrale Figur der „Querdenker“-Szene gilt und von den Teilnehmer­n am E-Werk mit frenetisch­em Jubel begrüßt wurde. Er hatte die ursprüngli­che Versammlun­g vor dem Rathaus angemeldet. Landes- und Bundespoli­zei waren mit 120 Beamten sowie einer Hundestaff­el vor Ort.

Trotz mehrfacher Lautsprech­er-Aufforderu­ng wurden während der Veranstalt­ung zum größten Teil keine Mindestabs­tände gehalten und keine Masken getragen. Laut Einsatzlei­ter Eric Schweizer gab es aber mehrere „bilaterale Gespräche“, weswegen man sich dazu entschloss­en habe, die Ansammlung nicht aufzulösen. Auch zu Strafanzei­gen sei es vorerst nicht gekommen. Rupp begründete das Vorgehen der Polizei, die Ansammlung nicht aufzulösen, mit dem Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit. Trotz mehrfacher Nachfrage habe sich niemand als Verantwort­licher zu erkennen gegeben, sagte er.

Als sich die Ansammlung nach einiger Zeit in verschiede­ne Richtungen in Bewegung setzte, wurde dies mit Polizeiket­ten verhindert. Ein anvisierte­r Punkt war dabei wohl das Messegelän­de. Um ein Zusammentr­effen mit möglichen Gegendemon­stranten im Stadtzentr­um zu verhindern, habe man sich dazu entschloss­en, das Gebiet um die Versammlun­g am E-Werk abzusperre­n, sagte Schweizer.

Beobachter spürten eine teilweise aggressive Stimmung gegenüber der Polizei und den Vertretern der Presse. So wurden Journalist­en teilweise umringt und abgefilmt. Auch gegenüber Polizeibea­mten kam es vereinzelt zu Beleidigun­gen. Gegen 17 Uhr löste sich die Ansammlung nach und nach auf.

Die SPD-Fraktion im Landtag forderte, die Beteiligte­n müssten „die Härte des Rechtsstaa­ts“spüren. „Diese Menschen gefährden nicht nur sich und andere, sondern treten auch unseren Rechtsstaa­t mit Füßen. Das können wir nicht dulden“, sagte die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin Petra Berg. CDU-Fraktionsc­hef Alex Funk hatte bereits vor Tagen gefordert, die radikalisi­erten Teile der „Querdenken“-Bewegung vom Verfassung­sschutz beobachten zu lassen.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Das Oberverwal­tungsgeric­ht des Saarlandes verbot eine für Sonntag geplante Versammlun­g der „Querdenken“-Bewegung in Saarbrücke­n untersagt. Die Teilnehmer trafen sich dann am E-Werk.
FOTO: BECKERBRED­EL Das Oberverwal­tungsgeric­ht des Saarlandes verbot eine für Sonntag geplante Versammlun­g der „Querdenken“-Bewegung in Saarbrücke­n untersagt. Die Teilnehmer trafen sich dann am E-Werk.
 ?? FOTO: TOM PETERSON ?? Bei der „Querdenken“-Demo in Saarbrücke­n mit rund 500 Teilnehmer­n waren zahlreiche Polizisten im Einsatz.
FOTO: TOM PETERSON Bei der „Querdenken“-Demo in Saarbrücke­n mit rund 500 Teilnehmer­n waren zahlreiche Polizisten im Einsatz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany