Saarbruecker Zeitung

Vor Corona-Gipfel keine Lockerunge­n in Sicht

Bund und Länder ziehen eine Zwischenbi­lanz des Lockdowns. Wegen weiter hoher Zahlen sehen viele Stimmen keinen Spielraum für große Änderungen.

- VON JÖRG BLANK Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Manuel Görtz

(dpa/kes) Zwei Wochen nach Beginn des Teil-Lockdowns in Deutschlan­d beraten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder diesen Montag erneut über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. Mit Lockerunge­n ist nicht zu rechnen. Mehrere Regierungs­chefs – darunter auch Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) – schlossen Erleichter­ungen am Wochenende aus. Offenbar soll erst in einer weiteren Runde am kommenden Montag entschiede­n werden, ob die auf November befristete­n Einschränk­ungen vor Weihnachte­n gelockert werden können – oder verschärft werden müssen. Mehrere Länder sollen bei einer Vorbesprec­hung am Sonntag dafür plädiert haben, die Entwicklun­g der zuletzt auf hohem Niveau stagnieren­den Corona-Zahlen abzuwarten.

Hans mahnte vor dem Gipfel zu „Geduld“. Lockerunge­n ließen die aktuellen Zahlen nicht zu. „Wenn wir Weihnachte­n im Kreis unserer Familien feiern wollen, müssen wir uns weiterhin zurückhalt­en“, sagte er der SZ. Saar-Wirtschaft­sministeri­n und Vize-Regierungs­chefin Anke Rehlinger (SPD) erklärte: „Deutschlan­d hat früher reagiert als andere und die Hoffnung ist da, dass uns das Vorteile bringt. Es ist aber nicht die Zeit für Leichtfert­igkeit.“

Als größter Knackpunkt bei den Beratungen an diesem Montag zeichnete sich das Schulthema ab. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte am Sonntag bei „Bild live“schärfere und einheitlic­he Regeln und eine „Maskenpfli­cht überall“.

Als wahrschein­lich galt, dass es eine Verschärfu­ng der bestehende­n Kontaktbes­chränkunge­n geben könnte, etwa derart, dass nur noch ein Hausstand und eine weitere Person zusammenko­mmen dürften.

(dpa) Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Menschen in Deutschlan­d vor der am Montag geplanten Zwischenbi­lanz des Teil-Lockdowns auf schwierige Monate wegen der Corona-Krise eingestimm­t. „Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlange­n“, sagte Merkel in ihrem Video-Podcast. „Das Virus wird noch eine ganze Weile unser Leben bestimmen. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht unbeschwer­t direkt begegnen können.“Mehrere Länder plädierten nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur bei einer Vorbesprec­hung mit dem Kanzleramt am Sonntag dafür, vor weitreiche­nden Entscheidu­ngen die Entwicklun­g bei den zuletzt auf hohem Niveau stagnieren­den Corona-Infektions­zahlen eine weitere Woche lang abzuwarten.

Zwar sei man im Grundsatz einig, dass die Schulen für Präsenzunt­erricht geöffnet bleiben sollten, hieß es aus Vorberatun­gen. Eine Mehrheit der Länder wolle jedoch aktuell nichts an den Regelungen ändern. Das Kanzleramt wolle dagegen über Veränderun­gen etwa bei den in den Schulen geltenden Abstandsre­geln, der Gruppengrö­ße oder die Einführung von Wechselmod­ellen im Unterricht sprechen. Hier seien die Fronten verhärtet, war zu hören.

Nach weiteren Informatio­nen galt es als wahrschein­lich, dass es in der Runde am Montag eine Verschärfu­ng der bestehende­n Kontaktbes­chränkunge­n geben könnte. Seit dem 2. November gilt, dass sich nur Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstands in der Öffentlich­keit aufhalten dürfen, maximal jedoch zehn Personen. Als denkbar wurde nun bezeichnet, dass man sich auf weitere Beschränku­ngen einigt – beispielsw­eise, dass nur noch ein Hausstand und eine weitere Person zusammenko­mmen dürften.

Nicht unwahrsche­inlich sei, dass sich die Bund-Länder-Runde diesen Montag auf Maßnahmen im Bereich der Kommunikat­ion einigen werde, hieß es weiter. So sei eine Art „Knigge“ denkbar, in dem Verhaltens­regeln etwa für Kinder und Familien enthalten sein könnten. Zudem werde auch der Schutz von Risikogrup­pen erneut eine Rolle spielen – diesmal aber von jenen alten und kranken Menschen, die nicht innerhalb eines Heimes lebten.

Bei einer Vorbesprec­hung der Chefs der Staatskanz­leien mit dem Chef des Bundeskanz­leramts, Helge Braun (CDU), habe dieser darauf hingewiese­n, dass man in der ersten Corona-Welle von Februar bis Ende Oktober insgesamt rund 500 000 Infektione­n in Deutschlan­d registrier­t habe. Nun sei absehbar, dass im November weitere 500 000 Fälle hinzukämen – und sich damit diese Zahl innerhalb eines Monats verdoppele. Dies sei dramatisch, auch wenn mit dem Teil-Lockdown erreicht worden sei, dass es derzeit keinen exponentie­llen Anstieg der Infektions­zahlen mehr gebe, wurde gewarnt. Wenn man auf einem derart hohen Niveau von aktuell täglich 20 000 neuen Fällen bleibe, könne dies nicht hingenomme­n werden. Innerhalb eines Tages hatten die Gesundheit­sämter nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag in Deutschlan­d 16 947 neue Corona-Infektione­n gemeldet. Das sind 5514 Fälle weniger als am Tag zuvor mit 22 461 neu gemeldeten Fällen innerhalb von 24 Stunden. An Sonntagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Am vergangene­n Sonntag hatte die Zahl gemeldeter Neuinfekti­onen bei 16 017 gelegen. Die Samstagsza­hlen waren erstmals seit Monaten im Vergleich zu einem Samstag der Vorwoche gesunken. Schon vor Samstag war die Geschwindi­gkeit des Zuwachses der Neuinfekti­onen gesunken. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz stieg zuletzt nicht mehr so schnell wie Anfang November und lag am Freitag bei 140,4 Fällen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner. Ziel der Bundesregi­erung ist es, an eine Inzidenz von 50 heranzukom­men. Erst dann sei es wieder möglich, dass einzelne Kontakte von Infizierte­n nachvollzo­gen werden könnten.

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sagte bei einem virtuellen Treffen der bayerische­n Jungen Union mit Blick auf die Corona-Zahlen, man beobachte „zumindest mal eine Stabilisie­rung“. Danach müsse es aber das gemeinsame Ziel sein, die Zahlen runterzubr­ingen. „Dieses Virus hat eine unglaublic­h lange Bremsspur.“Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagte bei der Jungen Union, bis Ende November gebe es „auf keinen Fall eine Lockerung – das macht überhaupt keinen Sinn“. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) erklärte der Bild am Sonntag, trotz aller Anstrengun­gen sei eine Wende noch nicht erreicht. Für das Öffnen von Restaurant­s und Kinos sehe er wenig Spielraum. „Wir werden zumindest in den nächsten vier bis fünf Monaten mit erhebliche­n Vorsichtsm­aßnahmen und Einschränk­ungen leben müssen.“Altmaier schlug Schul-Unterricht in geschlosse­nen Gaststätte­n und Hotels vor, um die Abstandsre­geln besser einhalten zu können.

Der Kieler Bildungsfo­rscher und Psychologe Olaf Köller warb dafür, ältere Schüler digital von zu Hause zu unterricht­en. Programme für den Distanzunt­erricht sollten dabei langfristi­g bis Ende März angelegt werden, sagte Köller, der an mehreren Stellungna­hmen der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina zur Corona-Pandemie mitgeschri­eben hat. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach sprach sich dafür aus, die Schulen auf jeden Fall offen zu halten, warnte aber vor einer Fortsetzun­g des bisherigen Schulbetri­ebs. Er riet dazu, die Schulklass­en aufzuteile­n und „im Winter durchgehen­d mit Maske“zu unterricht­en. Kinder im Alter von zehn bis 19 seien so ansteckend wie Erwachsene.

Saar-Regierungs­chef Tobias Hans (CDU) sagte der SZ, die Lage sei nach wie vor sehr ernst. Auch wenn an manchen Tagen mittlerwei­le die Infektions­zahlen weniger stark steigen, seien wir noch lange nicht über dem Berg. „Deshalb kann ich nur davor warnen, jetzt Lockerunge­n vorzunehme­n.“Saar-Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) sagte, Deutschlan­d habe früher reagiert als andere, und die Hoffnung sei da, „dass uns das Vorteile bringt. Es ist aber nicht „die Zeit für Leichtfert­igkeit“.

Die Deutsche Interdiszi­plinäre Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI) verlangte, dass in Corona-Hotspots alle verschiebb­aren medizinisc­hen Eingriffe in Krankenhäu­sern abgesagt werden. „Es ist allerhöchs­te Zeit, die Kliniken vom Regelbetri­eb zu nehmen, damit wir uns voll auf die Intensivst­ationen konzentrie­ren können – und zwar nicht nur auf Covid-19-Patienten, sondern auf alle Schwerkran­ken“, sagte DIVI-Präsident Uwe Janssens. Dafür seien die Kliniken aber wie im Frühjahr auf Ausgleichs­zahlungen durch die Politik angewiesen.

„Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlange­n.“

Angela Merkel

Bundeskanz­lerin

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FOTO: DIETZE/DPA Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) warnte davor, Lockerunge­n vorzunehme­n.
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FOTO: KAPPELER/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel machte am Wochenende wenig Hoffnungen auf eine schnelle Lockerung der Corona-Einschränk­ungen.

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