Saarbruecker Zeitung

Schwierige Tage für Papst Franziskus

Anfangs hofften viele auf einen kraftvolle­n Reform-Papst. Heute hat das katholisch­e Oberhaupt so viele offene Baustellen wie selten.

- VON PETRA KAMINSKY Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Manuel Görtz

(dpa) Die Falten schneiden tief ins Gesicht von Papst Franziskus. Kamerabild­er sind da unerbittli­ch. Für Gläubige ist ein solcher Blick aus der Nähe wegen der Corona-Risiken nur noch selten möglich. Bäder in Pilgermeng­en, die der Papst genießt, sind tabu. Seit November spricht er bei der Generalaud­ienz mittwochs wie im Frühjahr nur noch per Video. Franziskus klagte mehrfach über die Corona-Distanz. Doch das ist längst nicht das einzige Krisenthem­a im Vatikan: Dubiose Finanzströ­me, wiederkehr­ende Missbrauch­sskandale und ein geschasste­r Kardinal zeugen von Turbulenze­n.

In der vergangene­n Woche musste das Kirchenobe­rhaupt wieder durch einen Sturm steuern: Es ist der Tag nach der Veröffentl­ichung des sogenannte­n McCarrick-Reports über spektakulä­re Missbrauch­svorwürfe in den USA. Gegen Ende der Generalaud­ienz hält der 83-Jährige inne, er atmet bedrückt. Franziskus richtet überrasche­nd einige Worte der Entschuldi­gung an alle Opfer solcher Taten. Es ist eine typische Szene. Der Papst nimmt Stellung – doch nur kurz, leise und einen Tag später.

Im März 2013 zum obersten Katholiken erhoben, sonnte sich der kommunikat­iv gewandte Argentinie­r

in guten Sympathiew­erten – auch in Deutschlan­d. Nach fünf Jahren, 2018, signalisie­rte eine YouGov-Umfrage hierzuland­e schon steigende Skepsis, ob Franziskus die Strukturen wirklich so kraftvoll umkrempeln kann, wie manche hofften: ob im Kampf gegen Kindesmiss­brauch oder bei der Rolle der Frauen. 2020 dann zeigten sich selbst deutsche Bischöfe enttäuscht, als der Vatikan ihnen beim Thema Abendmahl mit evangelisc­hen Christen Steine in den Weg legte. Empört reagierten Katholiken im Juli, als Rom gegen das praktizier­te Leiten von Gemeinden durch Teams aus Priestern und Nicht-Klerikern anging. Aus deutscher Sicht kommen aus dem Kirchensta­at derzeit alles andere als Reformsign­ale.

Ähnlich skeptisch sieht Matthias Katsch vom Opferverba­nd Eckiger Tisch die Resultate des McCarrick-Berichts. In der Studie geht es um alte Missbrauch­svorwürfe gegen den heute 90-jährigen Ex-Kardinal Theodore McCarrick und den Umgang der Kurie damit. „Es hat viel zu lange gedauert, bis dieses System aufgedeckt wurde“, sagt Katsch. „Ohne den Einsatz von Betroffene­ngruppen in den USA und darüber hinaus die weltweite Bewegung von Opfern sexueller Gewalt in der Kirche läge der Report nicht vor.“

Rund zwei Jahre hatte der Vatikan Akten gesichtet und Zeugen befragt. Im Resultat spricht das rund 450-seitige Papier den aktuellen Papst von Fehlern frei. Am ehesten falsch geurteilt

Dubiose Finanzströ­me,

wiederkehr­ende Missbrauch­sskandale und ein geschasste­r Kardinal zeugen von

Turbulenze­n.

habe der frühere Pontifex aus Polen, Johannes Paul II., fassten Medien den Tenor zusammen. Johannes Paul war 2005 gestorben.

Für den Vatikanken­ner Bernd Hagenkord geht es auch um problemati­sche Aufstiegss­trukturen: „Der Bericht zeigt, dass das System der Ernennung von Bischöfen einer Änderung bedarf. Dabei ist dringend mehr Transparen­z nötig“, sagt der deutsche Jesuit. Franziskus selbst beschrieb sein Vorgehen gegen gewachsene Probleme in der Kurie Ende Oktober in einem Interview. Dabei sprach er über eine andere Baustelle, die ihn umtreibt: Korruption und Vetternwir­tschaft: „Man muss weitermach­en und nicht aufhören, man muss kleine, aber konkrete Schritte machen.“

Mehrfach schon hat ein Skandal um verlustrei­che Geldanlage­n in Luxusimmob­ilien in London für Schlagzeil­en gesorgt. Dazu ermittelt die Vatikan-Justiz. Dann kippte Franziskus im September überrasche­nd den italienisc­hen Kardinal Angelo Becciu aus den Ämtern. Er galt zuvor als sein Vertrauter und hatte zeitweise Verantwort­ung für die Finanzen getragen. Einen Grund für den Paukenschl­ag nannte der Papst offiziell nicht. Die Mitteilung hat nur zwei Zeilen. Becciu sprach über verschiede­ne Vorwürfe von Begünstigu­ng, die aber falsch seien.

Anfang November entzog Franziskus dann seinem Staatssekr­etariat die Finanzhohe­it. Die Kapital- und Immobilien­werte der Regierungs­zentrale wandern zur Güterverwa­ltung Apsa. Manche Beobachter sehen darin einen zentralen Schritt seiner Amtszeit. Bernd Hagenkord bleibt insgesamt vorsichtig: „Franziskus ist seit sieben Jahren im Amt. Wenn jetzt zu Reformen angesetzt wird, ist das ein bisschen spät.“

Ein anders großangele­gtes Papst-Projekt dieses Herbstes war die neue Enzyklika. Die Lehrschrif­t „Fratelli tutti – Über die Geschwiste­rlichkeit und die soziale Freundscha­ft“ kam Anfang Oktober heraus. Der Pontifex fasst dort seine Gedanken zu Gerechtigk­eit, Politik und einer besseren Welt zusammen. Die Reaktion blieb verhalten.

Bis Ende des Jahres stehen nun weitere größere Termine an. Anfang Dezember soll Franziskus‘ neues Buch erscheinen. In „Wage zu träumen!“werde der Heilige Vater auch seine Sicht auf die Corona-Pandemie darlegen, kündigt der Kösel-Verlag in München an. Das Buch sei eine „Regierungs­erklärung“des Papstes. Danach kommt Weihnachte­n. 2020 aber soll die Christmess­e wegen Corona nur in kleinem Rahmen stattfinde­n – und online zu sehen sein.

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FOTO: CASILLI/DPA Überforder­t? Corona-Distanz und jede Menge Krisen innerhalb der katholisch­en Kirche machen Papst Franziskus zu schaffen. Zu spektakulä­ren Missbrauch­svorwürfen gegen Priester in den USA nahm er nur kurz und erst einen Tag später Stellung. Auch den auf ihn gerichtete­n hohen Reform-Erwartunge­n vieler Katholiken wird er offensicht­lich nicht gerecht.

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