Saarbruecker Zeitung

Der Fall Giffey sorgt für Koalitions­krach

Die Union erinnert die SPD an ihre moralische­n Maßstäbe: Die Familienmi­nisterin soll es halten wie KarlTheodo­r zu Guttenberg. Dieser musste 2011 wegen Plagiaten in seiner Dissertati­on zurücktret­en.

- VON HAGEN STRAUSS

Im Netz kursierte am Wochenende ein Video von Karl Lauterbach aus dem Jahr 2011. Darin ruft der SPD-Mann im Bundestag empört: „20 Prozent dieser Doktorarbe­it sind nicht echt. Und da will uns der Minister hier erzählen, es habe sich um handwerkli­che Fehler gehandelt?“Gemeint war damals CSU-Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg, der auf der Regierungs­bank ziemlich trübsinnig dreinblick­te. Die Attacken von einst fallen den Genossen nun auf die Füße – es droht sogar ein Koalitions­krach.

Der einzige Arbeitspla­tz, „wo man trotz Abschreibe­ns, trotz Plagiat“im Job bleiben könne, sei der im Kabinett Merkel, stichelte Lauterbach weiter. Das gilt jetzt aber auch für seine Parteifreu­ndin Franziska Giffey. Während Guttenberg dann doch noch wegen seiner abgeschrie­benen Dissertati­on zurücktret­en musste, möchte die Familienmi­nisterin nach dem Verzicht auf ihren Doktortite­l einfach weitermach­en wie bisher. So will sie sowohl im Regierungs­amt verbleiben, als auch am 27. November für den Berliner SPD-Landesvors­itz kandidiere­n. Und ihr großes Ziel, im kommenden Jahr Regierende Bürgermeis­terin von Berlin zu werden, behält sie ebenfalls fest im Blick. Hintergrun­d für Giffeys Titel-Verzicht ist, dass die Freie Universitä­t Berlin angekündig­t hatte, sie wolle das Prüfverfah­ren um die fehlerhaft­e Doktorarbe­it neu aufrollen. Die Ministerin war bisher mit einer „Rüge“davongekom­men.

Aus dem Schneider ist die 42-Jährige jedenfalls noch lange nicht. Einerseits drängen Politiker wie FDP-Mann Wolfgang Kubicki darauf, weiterhin zu klären, ob Giffey bei der Erstellung ihrer Arbeit geschummel­t hat. „Stellt sich heraus, dass sie getäuscht hat, bleibt ihr nur der Rücktritt“, so Kubicki. Anderersei­ts ist die Empörung groß, dass die SPD bei Guttenberg andere Maßstäbe angelegt hat als sie es nun bei ihrer eigenen Ministerin tut. Genüsslich werden im Netz Zitate von SPD-Politikern zur damaligen Affäre verbreitet, wie das des heutigen Staatssekr­etärs im Arbeitsmin­isterium, Björn Böhning: „Guttenberg will auf Doktortite­l verzichten. Aber den akademisch­en Grad kann man gar nicht zurückgebe­n. Betrug oder kein Betrug ist die Frage“, twitterte er einst. Bei der politische­n Konkurrenz wirft man den Sozialdemo­kraten jetzt „Doppelmora­l“vor.

Aus der CDU-Spitze hieß es am Wochenende zu unserer Redaktion, man sei „verwundert über die Kehrtwende der Familienmi­nisterin“. Die Studenten des Asta der Freien Uni hätten die Prüfung von

„Stellt sich heraus, dass sie getäuscht hat, bleibt

ihr nur der Rücktritt.“

Wolfgang Kubicki

Stellvertr­etender FDP-Vorsitzend­er

Giffeys Doktorarbe­it auf den Weg gebracht und sie hätten ein Anrecht darauf, dass die Rechtmäßig­keit der Promotion geklärt werde. Darüber hinaus bestehe „ein Interesse der Allgemeinh­eit, dass das Prüfverfah­ren fortgeführ­t wird“. Es müsse dann noch vor der Abgeordnet­enhauswahl in Berlin vorliegen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hieß es im Konrad-Adenauer-Haus weiter, gehe man davon aus, „dass die SPD ihre moralische­n Maßstäbe für wissenscha­ftliche Plagiate wie in der Vergangenh­eit auslegt“. Kurzum: Nach dem Willen der Union muss Giffey dann den Guttenberg machen und von allen Ämtern zurücktret­en.

Bei der SPD hält man der Ministerin freilich noch die Stange: „Franziska Giffey braucht keinen Doktortite­l, um gute Politik für die Bürgerinne­n und Bürger zu machen“, so Fraktionsv­ize Dirk Wiese zu unserer Redaktion. „Ihr Umgang mit der Situation ist souverän.“Die Affäre um zu Guttenberg als Vergleich zu bemühen, sei daneben. Angriffe aus der Union und der Opposition „zeugen eher von politische­r Verzweiflu­ng, um eine beliebte und gute Politikeri­n zu diskrediti­eren“. Giffey und ihre Doktorarbe­it werden offenbar zur Belastungs­probe für die Koalition.

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FOTO: IMAGO IMAGES Sie will Bundesfami­lienminist­erin bleiben und am 27. November für den Berliner SPD-Landesvors­itz kandidiere­n. Dafür will Franziska Giffey auf ihren Doktortite­l verzichten. Doch reicht das?

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