Saarbruecker Zeitung

Gesundheit – Job-Maschine der Zukunft

Weil das Land altert und der medizinisc­he Fortschrit­t rast, geht Ärzten die Arbeit nicht aus. Aber auch in Reha und Pflege werden noch lange Beschäftig­te gesucht.

- VON LOTHAR WARSCHEID Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Volker Meyer zu Tittingdor­f, Ulrich Brenner; Fotos: Robby Lorenz

Hauptsache gesund! Was Menschen sich gegenseiti­g für die Zukunft wünschen, wird in einer alternden Gesellscha­ft immer wichtiger. Und so steigt der Bedarf an Ärzten und medizinisc­hem Fachperson­al in Deutschlan­d in den kommenden 15 Jahren um gut ein Viertel, in anderen Gesundheit­sberufen immerhin um 13 Prozent. Das sagt das Bundesinst­itut für Berufsbild­ung voraus. Dabei ist die Gesundheit­swirtschaf­t im Saarland schon jetzt eine gewichtige Hausnummer, trägt mit fast 13 Prozent zur Bruttowert­schöpfung im Land bei. In der Branche arbeiten heute 92 000 Frauen und Männer – in Kliniken,

Reha-Einrichtun­gen, bei Hersteller­n von Arzneimitt­eln oder Medizinpro­dukten, in Apotheken und Arztpraxen.

Der Gesundheit­sexperte Armin Lang spricht von einer „im Saarland stark unterschät­zten Branche“– auch mit Blick auf die Zukunft. Er erinnert daran, dass etwa am Homburger Uni-Klinikum das Deutsche Da-Vinci-Zentrum beheimatet ist, wo roboterass­istierte Operatione­n in der Urologie seit 2006 zum Standard entwickelt wurden. Er nennt das José-Carreras-Zentrum für Immunund Gentherapi­e in Homburg, das etwa die genetische Vorbelastu­ng bei Krankheite­n wie Leukämie erforscht.

Sein Bild der Zukunft? „Die Grenzen zwischen stationäre­n und ambulanten Behandlung­sformen werden verschwind­en.“An Gesundheit­soder Versorgung­szentren, in denen vielfältig­e medizinisc­he Leistungen angeboten werden, führe künftig kein Weg vorbei. „Die Bevölkerun­g wird älter. Häufig leiden die Menschen unter mehreren Krankheite­n.“Die Krankenhäu­ser müssten dann nicht mehr die komplette medizinisc­he Vorsorge anbieten, sondern könnten sich auf bestimmte Fachgebiet­e konzentrie­ren.

Diese Entwicklun­g hin zu integriert­en Gesundheit­szentren sieht auch Dr. Gunter Hauptmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Saarland. „Der Trend, dass sich Hausärzte und Fachärzte unterschie­dlicher Diszipline­n mit eigenen Praxen, aber auch andere Firmen rund um die Gesundheit in einem einzigen Gebäudekom­plex ansiedeln, wird zunehmen“, ist er überzeugt. Neben den Ärzten könnten das Physiother­apeuten, Optiker, Hörgeräte-Akustiker, Anbieter von Pflegeleis­tungen oder eine Apotheke sein. In einer solchen „Gesundheit­s-Mall“seien alle medizinisc­hen Angebote außerhalb des Klinikbere­ichs konzentrie­rt. Ein ähnliches System könnten die Krankenhäu­ser mit vorgeschal­teten Medizinisc­hen Versorgung­szentren einrichten, wo Fachärzte beim Klinikträg­er angestellt sind. Im Umfeld könnten Selbststän­dige medizinisc­he Leistungen anbieten.

Auch die medizinisc­he Rehabilita­tion hat eine Zukunft – nicht zuletzt im Saarland. Davon ist Thomas Schneider überzeugt. „Die Menschen werden immer älter, sind daher vermehrt auf Gesundheit­sleistunge­n außerhalb der Arztpraxen und Krankenhäu­ser angewiesen“, sagt der Regionaldi­rektor des Reha-Konzerns Mediclin (Bliestal-Kliniken, Blieskaste­l und Bosenberg-Kliniken, St. Wendel) und Landesvors­itzender des Verbands der privaten Kliniken und Gesundheit­seinrichtu­ngen. Auch verstärke sich der Trend, dass die Menschen länger arbeiteten, da junge Fachkräfte knapp werden. Das funktionie­re nur, wenn die Älteren dazu auch gesundheit­lich in der Lage sind. „Eine gezielte Reha kann dies sicherstel­len.“Die Anschlussh­eilbehandl­ung ist da schon „selbstvers­tändlich“und der Anspruch an die Mitarbeite­r dabei groß. Während in den Kliniken die Erkrankung­en bestimmter Organe geheilt werden, „sehen wir den Patienten ganzheitli­ch“, sagt Schneider. „Wir versuchen, alle berufliche­n oder privaten Belastungs­faktoren zu erkennen und wenn möglich diese Stressursa­chen zu beseitigen.“Dies ende auch nicht, wenn der Reha-Patient wieder zu Hause ist. Etabliert sei auch die intensivie­rte Rehabilita­tionsnachs­orge (Irena), die Möglichkei­t, ein halbes Jahr lang die Behandlung von zu Hause aus fortzusetz­en.

Doch wie sieht es mit der Pflege aus? Mitte des kommenden Jahrzehnts sind 30 Prozent aller Deutschen über 65. Das Frankfurte­r Zukunftsin­stitut schätzt, dass dann drei bis 3,4 Millionen Menschen pflegebedü­rftig sind. Schon 2030 könnten bis zu 500 000 Pflegekräf­te fehlen. Roboter könnten einen Teil der Arbeiten übernehmen. Einer von ihnen heißt Pepper. Er kann Lieder abspielen, Bewegungen imitieren oder mit Menschen einfache Dialoge führen. Die Caritas Arbeitsgem­einschaft Altenhilfe Rheinland-Pfalz-Saarland hatte Pepper vor zwei Jahren zu Gast. Das war es aber auch. „Eingesetzt hat Pepper bisher noch niemand“, sagt Michael Schröder, Geschäftsf­ührer der Caritas Trier. Holger Wilhelm, Chef der Arbeiterwo­hlfahrt Saar hält Pepper für „eine gute Lösung, um an Demenz erkrankte Menschen zu beschäftig­en“. Aber bislang endet der digitale Fortschrit­t in vielen Pflegeheim­en bei Bewegungsm­atten. Sie senden einen Notruf ab, wenn der Erkrankte etwa auf den Flur läuft.

Es gibt aber auch schon elektronis­che Pflege-Arbeitspfe­rde. Der Klinikrobo­ter Transcar LTC 2 der Schweizer Firma Swisslog kann bis zu 500 Kilogramm schleppen, bringt Essen, Sterilgut oder Wäsche zu den Stationen und legt täglich bis zu 28 Kilometer zurück. Er kann Hinderniss­e erkennen, kurze Sätze wie „Bitte gehen Sie zur Seite“sprechen und Aufzug fahren. Ins Saarland haben solche Maschinen noch nicht gefunden. „Krankenhau­sroboter sind bei uns nicht spruchreif, sind auch nicht in unmittelba­rer Planung“, heißt es am Klinikum Saarbrücke­n. In der Caritas-Klinik Rastpfuhl sind „Transporth­ilfen im Einsatz, auf die Betten gestellt werden können, damit die Mitarbeite­r diese leichter schieben können“. Robotermäß­ig also Fehlanzeig­e an der Saar. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.

Alle erschienen­en Teile der Serie gibt es online: www.saarbrueck­erzeitung.de/arbeit-mit-zukunft

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