Saarbruecker Zeitung

In China kehrt die Normalität zurück

Gut ein Jahr nach dem Ausbruch gilt das Coronaviru­s in der Volksrepub­lik als so gut wie besiegt. Selbst in der besonders betroffene­n Metropole Wuhan.

- VON JÖRN PETRING Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Frauke Scholl, Martin Wittenmeie­r

(dpa) Zhong Nanshan ist so etwas wie der Christian Drosten Chinas. Der führende Pandemie-Forscher der Volksrepub­lik gab mit seinen Ratschläge­n schon die Richtung vor, als sein Land vor 18 Jahren von der Lungenkran­kheit Sars heimgesuch­t worden war. Damals sammelten die Chinesen wichtige Erfahrunge­n für den Kampf gegen Coronavire­n. Auch dieser Wissensvor­sprung half dem Milliarden­volk, bislang besser durch die Krise zu kommen als große Teile des Westens. Während die „zweite Welle“in den USA und Europa wütet, kann Zhong Nanshan vor allem gute Nachrichte­n verbreiten.

Er gehe nicht davon aus, dass es in China noch einmal zu einem großflächi­gen Corona-Ausbruch kommen wird, zitieren chinesisch­e Staatsmedi­en den Star-Forscher dieser Tage. „Die derzeitige Lage in China ist sicher. Aber es war ein hart erkämpfter Sieg“, fasst der 84 Jahre alte Arzt die Situation zusammen.

Tatsächlic­h hat die autokratis­che Volksrepub­lik ihrer Bevölkerun­g im Kampf gegen das Coronaviru­s einiges zugemutet. Millionens­tädte wurden zum Teil über Wochen abgeriegel­t. Strikte Isolation, Massentest­s und eine praktisch lückenlose digitale Nachverfol­gung von Fällen führten dazu, dass das Milliarden­volk besser durch die Krise kam als viele andere Regionen – auch wenn dabei auf die Privatsphä­re keine Rücksicht genommen wurde.

Bereits seit Monaten gibt es nach Angaben der Führung kaum noch neue Infektione­n, sodass sich das Leben und die Wirtschaft­stätigkeit wieder normalisie­ren. Ökonomen gehen davon aus, dass China in diesem Jahr die einzige große Volkswirts­chaft sein wird, die das Jahr mit einem positiven Wachstum abschließe­n kann.

Selbst in Wuhan, dem einstigen Epizentrum, wo das Virus im vergangene­n Dezember weltweit zuerst ausgebroch­en war, ist längst so etwas wie Normalität zurückgeke­hrt. Wuhan war die erste chinesisch­e Stadt, die wegen des Virus über Wochen komplett abgeschott­et war.

Von den mehr als 86 000 offiziell gemeldeten Infektione­n in China gab es mehr als 50 000 allein in der Millionenm­etropole. Ähnlich waren von den landesweit mehr als 4600 aufgeführt­en Toten durch die Lungenkran­kheit Covid-19 mehr als 3800 in Wuhan zu beklagen.

„Wer ins Kino geht, um einen Film anzusehen, muss noch eine Maske tragen, aber man braucht sie nicht mehr, wenn man einkaufen geht“, erzählt Herr Wang, ein 45 Jahre alter Fitnesscoa­ch: „Im Großen und Ganzen ist alles wieder normal“.

Wang, der selbst im Frühjahr währen des Lockdowns über Wochen seine Wohnung in der Zehn-Millionen-Stadt nicht verlassen durfte, versteht nicht, dass Menschen aus anderen Ländern mit Empörung reagierten, als kürzlich ein Video um die Welt ging, das eine ausgelasse­ne Pool-Party in Wuhan mit Tausenden Teilnehmer­n zeigte. Wer diese Bilder kritisiert, der verstehe nicht, dass in China eben, anders als anderswo, keine Gefahr mehr bestehe.

Dass auch China noch nicht ganz aus dem Schneider ist, weiß aber auch Wang. Schließlic­h kommt es immer noch gelegentli­ch zu lokal begrenzten Ausbrüchen der Seuche, wie zuletzt etwa in der westlichen Region Xinjiang, wo mehr als 180 Infektione­n gemeldet wurden. Oder in der Küstenstad­t Qingdao, in der sich ein gutes Dutzend Menschen in einem Krankenhau­s mit dem Virus infiziert hatte.

In beiden Fällen reagierten die chinesisch­en Behörden mit enormen Gegenmaßna­hmen: Knapp zehn Millionen Menschen wurden in Qingdao innerhalb von vier Tagen auf das Virus getestet. In Xinjiang mussten sich mehr als vier Millionen Menschen testen lassen, Hunderttau­sende wurden in einen neuen Lockdown geschickt. Im Rest Chinas kann das Leben derweil weiterlauf­en.

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FOTO: CHINATOPIX/AP Dicht an dicht und ohne Maske: Schüler nehmen Anfang September in Wuhan an einer Zeremonie zum Auftakt des neuen Semesters teil.

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