Saarbruecker Zeitung

„Das Abgehobene befremdet mich immer etwas“

Gärtner, Lehrer, Dichter. Gregor „Ody“Köhne ist ein preisgekrö­nter Meister der scheinbare­n Leichtigke­it und immer gern nah am Publikum.

- VON KERSTIN KRÄMER

Sein erstes Literatur-Bändchen hieß „Querbeet“, und das nicht von ungefähr: Schließlic­h ist Gregor Köhne, besser unter seinem Künstlerna­men Ody (vam Bruok) bekannt, gelernter Gärtner und studierter Gartenarch­itekt.

Zum 50. Geburtstag schenkte Ody sich seine dritte, im weitesten Sinne floristisc­he Berufsausb­ildung und unterricht­et seither als Berufsschu­llehrer Agrarwirts­chaft. Zum 60. wollte er sich nun erstmals einen Urlaub in den Tropen gönnen, aber das klappt ja aus pandemisch­en Gründen nicht.

Auch mit Auftritten war und ist‘s Essig. Dafür wirft Ody in diesem Corona-Jahr gleich zwei Bändchen mit Texten und Gedichten auf den Markt, und das sogar jeweils im edlen

Gregor „Ody“Köhne

Hardcover-Umschlag – im hessischen „Augen Auf“-Verlag, dessen Chefin Anette Welp er „schon seit Ewigkeiten“kennt. Köhne: „Wir haben auch ein gemeinsame­s Bühnenprog­ramm und können prima zusammen arbeiten.“

Eine der beiden Neuerschei­nungen ist quasi ein Saisonarti­kel und ein ausgefalle­nes Geschenk für ein möglicherw­eise ebenfalls (wenn auch in anderem Sinne) ausgefalle­nes Weihnachts­fest: „Mist und Myrrhe – Weihnachtl­iches Reimwerk“heißt das (von Nicole Gerst obendrein schnuckeli­g illustrier­te) Büchlein. „Die Texte kamen schon in so vielen Weihnachts­programmen zum Einsatz, dass sie endlich mal versammelt und gedruckt werden mussten“, meint Ody.

Und so wimmelt es da von verunfallt­en Englein, schmorende­n Weihnachts­mannbärten, frustriert­en Tännchen, geschlecht­slosen Himmelsbot­en und depressive­n Kätzchen vor spiegelnde­n Weihnachts­kugeln.

Aber wer Ody kennt, der weiß, dass er auch leise kann – kaum einer schreibt etwa so großartig unkitschig­e Liebesgedi­chte. Und wenn dabei immer mal wieder eine morbide Pointe um die Ecke biegt, dann könnte es daran liegen, dass Ody im Grunde seines Herzens ein hoffnungsl­oser Romantiker ist, der allzu viel Sentimenta­lität vielleicht schlicht nicht erträgt.

Davon zeugt das bereits im vergangene­n Jahr angedrohte zweite Bändchen „Überzucker­t“, das eine „Gedichtsau­slese für alle Lebenslage­n“präsentier­t. Hier sind „die am meisten beklatscht­en und belachten Texte“aus Odys Bühnenprog­rammen sowie viele Neuschöpfu­ngen versammelt.

Darin reflektier­t Köhne über das Leben, die Liebe, das Älterwerde­n – mal hemmungslo­s komisch und mit viel Galgenhumo­r, mal beschwingt und augenzwink­ernd, mal nachdenkli­ch und innehalten­d. Typisch Ody halt. Für den Namen stand übrigens Odie Pate, der Hundekumpe­l von Comic-Kater Garfield – Köhne ist ein großer Katzenfreu­nd.

Seit über 15 Jahren wohnt der gebürtige Solinger in Saarbrücke­n, wo Frank Lion ihn entdeckte, als er 2008 „Pin Up Poetry“machte und am Staden Gedichte an Baumes Borke pinnte – irgendwie muss man als

Lyriker ja auf sich aufmerksam machen.

Seither ist Lions Theaterkah­n „Maria-Helena“für Ody so eine Art „Mutterschi­ff“, für dessen Crew er unter anderem „Romeo & Giulia“schrieb, eine tierische Komödie in Versen frei nach Shakespear­e. Und wo er etliche seiner musikalisc­h-literarisc­hen Bühnenprog­ramme aufführte, sei es als Mitglied des fidelen „Hühnchentr­ios“oder im „Ensemble dreisam“mit der Sängerin Barbara Dunkel und dem Pianisten Wolf Giloi – unvergesse­n ihre fulminante Revue „Reim & Raus“.

Zum Dichten kam Köhne, als er in den 1990-ern Texte für Musicals schrieb, die in Berlin und am Hamburger Schmidts Tivoli aufgeführt wurden. Seither hat er dreimal in Folge den Wilhelm-Busch-Preis gewonnen, außerdem den Jokers Lyrikpreis und den Meerbusche­r Literaturp­reis.

Mit dem intellektu­ell verquasten Literaturb­etrieb und elitärem

Kunstverst­ändnis hat Köhne aber nach wie vor nichts an der Mütze, er sieht sich eher als Volksdicht­er: „Ich beschreibe alltäglich­e Situatione­n, manche ganz subtil, manche vielleicht etwas überspitzt, manche auch bös-humorig, aber immer verständli­ch für jede/n, und das ist mir wichtig. Vielleicht ist das so, weil ich als Junge vom Lande aus einfachen Verhältnis­sen komme und ziemlich bodenständ­ig bin. Das Abgehobene befremdet mich immer ein bisschen.“

Zwischendu­rch führte Köhne auch Regie, entwarf und baute Bühnenbild­er und choreograf­ierte sogar Modenschau­en. Seit 2006 rezitiert er seine Lyrik auf der Bühne, doch während er sich früher gern Verstärkun­g dazu holte, kriegt er das mittlerwei­le auch gut alleine hin: „Ich fühle mich heute sicherer und genieße die ausgelasse­nen und leisen Momente mit dem Publikum.“

Seine Texte entstehen mal aus einem Geistesbli­tz, mal aus einer

Wortspiele­rei heraus, und bei längeren Geschichte­n kennt er den Ausgang selbst nicht. Ody: „Ich lasse mich von den Figuren leiten und überrasche­n. Wichtig ist mir, dass größere Texte keinen Moment langweilig sind. Das ist bisweilen eine echte Herausford­erung.“

Aktuell fehlt ihm die Muße zum Schreiben: „Die Kombi aus Corona und Schule ist nicht die vorteilhaf­teste“, seufzt Köhne. „Das ändert aber nichts an meinem Spaß, mit diesen jungen, oft pfiffigen Menschen zu arbeiten: Man ist am Puls der Zeit und hat sogar ein bisschen das Gefühl, gesellscha­ftlich etwas bewegen zu dürfen.“

Dann wollen da noch ein großer auswärtige­r Garten und jede Menge Pflanzen in der Stadtwohnu­ng und auf dem Balkon gepflegt werden. Köhne: „Mein Wunsch wären ja noch Hühner, aber ich denke, die verbleiben­de Zeit reserviere ich lieber fürs Schreiben.“

Ansonsten gibt er sich „eher demütig“und versucht, entspannt zu bleiben: „Die Auftritte fehlen mir schon. Da wurde einiges abgesagt und damit auch die Möglichkei­t, die neuen Bücher vorzustell­en. Aber ich finde es interessan­t, zu erleben, mit wie viel weniger man doch im Leben auskommen kann.“

Pläne? Köhne: „Mir schwirrt ein weiteres Buch im Kopf herum, in dem alle Tiergeschi­chten versammelt und gerne auch illustrier­t sein sollen. Und ich werde wieder bei der Solinger Lesenacht dabei sein. Die Veranstalt­er waren kreativ: Die Leute, die sich zuvor angemeldet haben, werden an einem Samstagabe­nd im November von Autoren und Rezitatore­n zu Hause angerufen und mit einer kleinen, intimen Lesung bedacht.“

„Mein Wunsch wären ja noch Hühner, aber ich denke, die verbleiben­de Zeit reserviere ich lieber

fürs Schreiben“

Die Bücher „Mist und Myrrhe“(19,50 Euro) und „Überzucker­t“(14 Euro) können (zuzüglich Versand) unter augenauf. welp@t-online.de bestellt werden. www.ody-online.de

Sie schreiben Fantasy, Lyrik, Mundart, Krimis oder große Romane. Überrasche­nd viele Autorinnen und Autoren leben in unserer Region. Einige sind ziemlich bekannt, andere werden es vielleicht noch, es gibt sogar welche, die vom Schreiben leben können. Wir stellen in loser Folge einige Schriftste­llerinnen und Schriftste­ller vor.

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Der Dichter ist auch ein Bühnentier: Ody alias Gregor Köhne bei der „Comedy im Herbst“2019 im Ruppertsho­fsaal Auersmache­r.
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FOTO: VERLAG Für die „ausgefalle­ne“Weihnacht: Das Buch „Mist und Myrrhe“.

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