Saarbruecker Zeitung

Merkel für mehr Tempo bei Kampf gegen Corona

Nach den Beratungen mit den Ländern über schärfere Corona-Regeln wird die Kanzlerin kritisiert – sie selbst hegt keine Zweifel.

- VON HAGEN STRAUSS

Die sechsstünd­igen Verhandlun­gen mit heftigem Streit zwischen ihr und einigen Ministerpr­äsidenten waren Angela Merkel (CDU) auch noch Dienstagfr­üh anzumerken. Augenringe, müder Blick, anfänglich eine belegte Stimme. So erlebte man die Kanzlerin bei einer Videoschal­te anlässlich des Wirtschaft­sgipfels der Süddeutsch­en Zeitung. Zweifel an ihrem Vorgehen während der Corona-Beratungen mit den Ländern wollte sie aber nicht aufkommen lassen. Im Gegenteil.

Ob es für sie nicht „völlig frustriere­nd“sei, wurde Merkel gefragt, dass sie die Ministerpr­äsidenten erfolglos um weitere Einschränk­ungen bitte und sich Wochen später dann zeige, wie notwendig die Entscheidu­ngen doch gewesen wären? Erst sang Merkel ein hohes Lied auf den Föderalism­us, wie immer, um sodann einzugeste­hen: „Dass es manchmal etwas zu langsam geht, bedauere ich.“

Fakt ist, die wichtigste­n Pläne aus dem Kanzleramt zur Verschärfu­ng der Corona-Maßnahmen wurden bei den Beratungen am Montag abgeschmet­tert, beispielsw­eise zu Maskenpfli­cht und getrennten Klassen in Schulen, zum Treffen von Kindern mit Freunden, zu noch weitreiche­nderen Kontaktspe­rren für alle. Merkels Vorgaben aus der Feder ihres Kanzleramt­schefs Helge Braun (CDU) formuliert­en die Länderchef­s zu schnöden Appellen um. Warum? Erst kurz vor den Beratungen hatte die Regierungs­zentrale ihre nicht abgestimmt­en Pläne den Ländern geschickt und offenbar auch an die Öffentlich­keit lanciert. Viele Landesfürs­ten

waren darüber extrem sauer, denn eigentlich hatte man nur eine Zwischenbi­lanz der bisherigen Beschränku­ngen ziehen wollen anstatt über weitere Verschärfu­ngen zu befinden. Durch das Vorgehen des Kanzleramt­es entstand mal wieder der Eindruck eines großen Durcheinan­ders, am Ende verursacht durch bockige Länder. Bei der Videokonfe­renz entlud sich daraufhin der Ärger.

Die wachsweich­en Ergebnisse werden nun allenthalb­en als Niederlage Merkels angesehen. „Das war kein guter Tag für die Kanzlerin“, kommentier­te FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter schimpfte, durch die schlecht vorbereite­ten Beratungen sei „wieder Chaos verbreitet“worden. Auch der Koalitions­partner SPD nannte das Vorgehen „suboptimal“. Auf der anderen Seite kursierte im politische­n Berlin die Theorie, dass die Debatte über zusätzlich­e Verschärfu­ngen die Bevölkerun­g einmal mehr sensibilis­iert und dies Einfluss auf das Verhalten der Menschen habe. Vielleicht sei das Merkels Absicht gewesen. Allerdings um den Preis vergrämter Ministerpr­äsidenten, was die weitere Kooperatio­n im Anti-Corona-Kampf nicht gerade erleichter­n dürfte. Außerdem, so hieß es, habe die Kanzlerin die Bürger bereits darauf vorbereite­t, was nach den Beratungen am 25. November auf sie zukommen könnte: Neue Vorschrift­en und neue Dekrete. Dann jedoch vor allem erarbeitet von den Ländern. Sicher ist sicher.

Es werde nicht so sein, meinte CSU-Landegrupp­enchef Alexander Dobrindt am Dienstag vor Journalist­en,

„Dass es manchmal etwas zu langsam geht, bedauere ich.“

Angela Merkel (CDU)

Bundeskanz­lerin

dass sich die Runde in einer Woche erneut „mit Fragzeiche­n“gegenübers­itze. Bis zu den Beratungen müssten Lösungen gefunden werden, forderte Dobrindt. Auch mit Blick auf abgestimmt­e Maßnahmen in den Schulen. Ansonsten werde man nach Ansicht von Experten bis Weihnachte­n eine Senkung der Infektione­n auf 50 pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen nicht erreichen. Bayern steht jedenfalls schon mal fest an Merkels Seite, wenn es um neue Verschärfu­ngen geht. Andere

Länder sind da etwas zurückhalt­ender.

Warum sich die Ministerpr­äsidenten bei der Corona-Bekämpfung eigentlich schwerer täten als sie, lautete bei der Videoveran­staltung der Süddeutsch­en eine weitere Frage an

Merkel. Es sei halt nicht immer einfach, den Menschen Einschränk­ungen mitzuteile­n, antwortete sie salomonisc­h. Schließlic­h stellte sie noch klar: „Ich werde weiter der ungeduldig­e Teil in dieser Sache sein.“Drohung oder Verspreche­n?

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FOTO: ODD ANDERSEN/DPA Kanzlerin Angela Merkel (CDU, Mitte), Michael Müller (SPD, links), Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin, und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) informiert­en am Montagaben­d nach einer Videokonfe­renz mit den Ministerpr­äsidenten über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise.

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