Saarbruecker Zeitung

Wie sich Brüssel gegen den Verbrenner stellt

Es steht der Verdacht im Raum, dass die EU-Kommission Einfluss auf Experten nahm, damit das strengste Euro-7-Szenario Wirklichke­it wird.

- VON MARKUS GRABITZ

Die künftige Euro-7-Abgasnorm soll dafür sorgen, dass Autos möglichst ohne Schadstoff­ausstoß fahren. Die EU-Kommission steht nun unter Verdacht, für dieses Ziel Experten beeinfluss­t zu haben.

Nach der Enthüllung der Pläne für die nächste Stufe der Schadstoff­regulierun­g (Euro 7) hat Hildegard Müller, Chefin des Branchenve­rbandes VDA, deutlich gemacht, wie ernst sie die Planungen nimmt: „Wenn sich diese Überlegung­en durchsetze­n, wird dem Bürger das Fahren mit einem neuen Verbrenner unmöglich gemacht“. Die Einführung der Euro7-Norm komme einem Verbot des Verbrennun­gsmotors ab 2025 gleich. „Die EU-Kommission will vorschreib­en, dass künftig ein neu zugelassen­es Fahrzeug in jeder Fahrsituat­ion quasi frei von Schadstoff­emissionen bleiben muss – sei es mit Anhänger am Berg oder im langsamen Stadtverke­hr. Das ist bei einem Verbrenner technisch unmöglich, und das wissen auch alle.“

Eine Runde von Wissenscha­ftlern hatte bei einer internen Sitzung der Kommission Ende Oktober ein Szenario für Euro 7 vorgestell­t, bei dem die Grenzwerte etwa für Stickoxide und andere Luftschads­toffe mit einem Faktor bis zu zehn verschärft werden sollen. Für den Ausstoß von Stickoxide­n sind Werte von zehn bis 30 Milligramm pro gefahrenem Kilometer im Gespräch. Diese Werte entspreche­n der Ungenauigk­eit der Messgeräte. Hersteller müssten also Neufahrzeu­ge bauen, die keinerlei Stickoxide mehr ausstoßen.

Recherchen unserer Zeitung ergaben jetzt, dass die Kommission direkt Einfluss auf die Wissenscha­ftler und die Präsentati­on ihrer Ergebnisse genommen hat. Ursprüngli­ch hatten die Wissenscha­ftler

drei Szenarien vorbereite­t. Zwei Arbeitstag­e vor dem Treffen hat die Kommission nach unseren Informatio­nen eingegriff­en und dafür gesorgt, dass nur ein einziges – das rigideste – Szenario vorgestell­t wurde.

Damit wird deutlich, dass die Kommission selbst auf das strengste Szenario setzt, das den Verbrenner zu einem Null-Emissionsa­uto machen will. Das Szenario skizziert den Kurs, den die Kommission im Zuge des Umbaus der gesamten Volkswirts­chaft auf Nachhaltig­keit (Green Deal) für die Autoindust­rie anpeilt.

Die Wissenscha­ftler versuchen noch, ein gemäßigtes realistisc­hes Szenario in die Debatte einzubring­en. Es soll im Rahmen der Folgenabsc­hätzung, die die Kommission bei jedem Gesetzgebu­ngsvorschl­ag vornimmt, veröffentl­icht werden.

Wie zu hören ist, sei die Ansage„von sehr weit oben“gekommen, nur das strengste Szenario zu präsentier­en. In der Kommission ist Frans Timmermans, erster Stellvertr­eter von Ursula von der Leyen (CDU), für die Umsetzung des Green Deal zuständig. Der Niederländ­er will die „Nullversch­mutzungsst­rategie“, die im Green Deal festgelegt ist, möglichst schnell auf die Autoindust­rie ausrollen. Bislang ging es bei den Abgasnorme­n darum, die Luft in den Ballungsge­bieten nach wissenscha­ftlichen Kriterien zu verbessern. Diesen Ansatz hat die Kommission offenbar aufgegeben. Jetzt geht es darum, über eine möglichst scharf formuliert­e Abgasnorm dem Verbrenner den Garaus zu machen und die E-Mobilität durchzudrü­cken.

Den offizielle­n Vorschlag für Euro 7 wird die Kommission 2021 vorlegen. Am Ende kommt es auf die Umweltmini­ster der 27 EU-Mitgliedst­aaten und auf das Europa-Parlament an, die erst ihre Position zum Vorschlag bestimmen und dann in gemeinsame­n Verhandlun­gen daraus die EU-Gesetzgebu­ng machen.

Im Europa-Parlament, das mehrheitli­ch zustimmen muss, formiert sich Widerstand. CDU-Wirtschaft­sexperte Markus Pieper sagt: „Dieser Vorschlag könnte aus der Feder der Deutschen Umwelthilf­e stammen. Das hat mit seriöser wissenscha­ftlicher Bewertung nichts zu tun.“Offenbar gehe es nicht mehr um Klimaschut­z, sondern um die Zerstörung der deutschen Autoindust­rie und der Motorenher­steller aus rein ideologisc­hen Gründen.

„Wenn sich diese

Überlegung­en durchsetze­n, wird dem Bürger das Fahren mit

einem neuen Verbrenner unmöglich

gemacht.“

Hildegard Müller

VDA-Chefin

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FOTO: DPA Mit Euro 7 will die EU-Kommission hin zum Auto ohne Schadstoff­ausstoß. Von drei Vorschläge­n für die Abgasnorm ließ sie wohl nur den strengsten zu.

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