Saarbruecker Zeitung

Keine Branche wächst so wie die Informatik

Die Welt der Bits und Bytes ist stets im Fluss. Wer in der IT-Landschaft dauerhaft Fuß fassen will, muss bereit sein, sich diesen Veränderun­gen laufend anzupassen.

- VON DAVID SEEL Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Volker Meyer, Ulrich Brenner; Fotos: Robby Lorenz

ngesichts der gewaltigen Umbrüche, die die Digitalisi­erung der Arbeitswel­t mit sich

wird leicht vergessen, dass die Triebfeder­n dieser Entwicklun­g, die Informatio­nsund Kommunikat­ionstechni­k (ITK) sowie die Informatik, mit am stärksten von eben jenen Veränderun­gen betroffen sind. Denn obwohl die Computerte­chnologie vergleichs­weise jung ist, hat sie doch bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. So haben es nicht nur zahllose IT-Firmen innerhalb kürzester Zeit zu weltweiter Bekannthei­t gebracht, nur um wenig später wieder in der Bedeutungs­losigkeit zu versinken – auch ganze Berufsfeld­er sind in der Branche neu entstanden und gleich danach wieder sang- und klanglos verschwund­en.

Das beobachtet auch Simon Janssen, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Institut für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung (IAB). „Es ist so, dass sich insbesonde­re in der IT die Nachfrage nach Tätigkeite­n sehr stark und schnell verändert“, sagt er. Grundsätzl­ich sei in solchen Branchen nicht nur eine „hohe Mobilität am Arbeitsmar­kt“zu verzeichne­n, „auch die Lohnschwan­kungen sind häufig größer“, erklärt Janssen.

Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass die Branche auch in Deutschlan­d längst zum bedeutende­n Wirtschaft­sfaktor geworden ist. Laut der Bundesagen­tur für Arbeit waren im Jahr 2018 (letzter erfasster Wert) bereits 802 000 Menschen sozialvers­icherungsp­flichtig in einem Informatik- oder ITK-Beruf beschäftig­t, 47 000 mehr als im Vorjahr. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Prognos rechnet damit, dass es bis zum Jahr 2025 noch einmal 100 000 mehr sein werden – damit würde das Berufsfeld in diesem Zeitraum so stark wachsen wie kein anderes in Deutschlan­d. „Besonders benötigt werden Software-Entwickler, aber auch IT-Administra­toren oder IT-Vertrieble­r werden künftig verstärkt gesucht“, heißt es in einer Prognos-Studie.

Dass der Bedarf des Arbeitsmar­ktes bereits jetzt nicht gestillt werden kann, zeigt sich laut Bundesagen­tur auch daran, dass offene Stellen häufig lange nicht besetzt werden können. Im Schnitt warten Arbeitgebe­r 132 Tage auf eine IT-Fachkraft, 14 Tage länger als im Durchschni­tt aller Berufe. Freie Akademiker­stellen bleiben mit 126 Tagen in der IT-Branche sogar 29 Tage länger vakant als andere. Besonders gravierend seien die Engpässe in der Software-Entwicklun­g bei Personen, „deren Kenntnisse einem mindestens vierjährig­en Informatik­studium entspreche­n“, so die Behörde. Das ist besonders deswegen bemerkensw­ert, weil im Jahr 2017 rund 26 000 angehende Informatik­er ihr Studium erfolgreic­h abgeschlos­sen hatten – so viele wie niemals zuvor.

Wie die Branche an sich sind auch die Beschäftig­ten vergleichs­weise jung. Laut Bundesagen­tur sind fast 90 Prozent der IT-Fachkräfte unter 55 Jahre alt. Außerdem bleibt das Berufsfeld eine Männerdomä­ne: Lediglich 16 Prozent der Beschäftig­ten sind Frauen, nur bei den Akademiker­n ist ihr Anteil mit 21 Prozent etwas höher.

Längst nicht jeder ITK-Absolvent arbeitet als Programmie­rer. So untersuche­n IT-Berater beispielsw­eise Computersy­steme in Unternehme­n, geben Tipps, welche Prozesse digitalisi­ert werden können, oder begleiten die Einführung neuer Programme vor Ort. Auch in Organisati­on, Wartung oder Vertrieb sind ITK-Fachkräfte zunehmend gefragt. In der Forschung suchen praktische Informatik­er zum Beispiel nach Software-Lösungen für mathematis­che Probleme, während sich technische Informatik­er mit der Hardware befassen.

Die Frage, ob und wie sich diese etablierte­n Berufsbild­er in den kommenden Jahren verändern werden, ist laut Simon Janssen kaum zu beantworte­n. So ließe sich zwar „grob abschätzen, welche Tätigkeite­n durch Computer-Programme ersetzt werden können, aber es ist immer extrem schwer zu sagen, welche neu dazukommen“, sagt der Arbeitsmar­kt-Experte. Es sei allerdings bereits abzusehen, dass Künstliche Intelligen­z (KI), also Programme, die Aufgaben selbststän­dig erfüllen und dabei neue Lösungsans­ätze „lernen“können, bereits „in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen“werde. Zumindest kurz- bis mittelfris­tig müsse das aber nicht dazu führen, dass weniger menschlich­e Fachkräfte in der Branche benötigt würden, sagt Janssen. „Insbesonde­re in der Übergangsp­hase“hin zum breiten KI-Einsatz in der Wirtschaft „werden sehr viele IT-Spezialist­en gebraucht“.

Offen sei aber, ob deren Wissen nach dieser Zeit noch in gleichem Maß nachgefrag­t werde, sagt der IAB-Experte und nennt ein Beispiel: „Heute müssen Sie sich nicht mehr mit Computern auskennen, um Texte in Windows schreiben zu können oder etwas auszudruck­en. In den 90er Jahren war das noch anders. Da musste man sich wesentlich besser auskennen, um sowas zum Laufen zu bekommen.“Hinzu komme, „dass Maschinen durch die KI stärker in der Lage sein werden, Fehler zu erkennen und sich selbst zu reparieren“. Solche Entwicklun­gen könnten letztlich dazu führen, dass „die gut Ausgebilde­ten sozusagen nach unten durchsicke­rn und die schlecht Ausgebilde­ten aus ihren Berufen verdrängt werden“, erklärt Janssen.

Trotz dieser Unsicherhe­iten rechnet der Experte damit, dass die Nachfrage nach ITK-Fachkräfte­n insgesamt steigen wird: „Da mache ich mir keine Sorgen.“Weil sich „die Fähigkeite­n in der Branche schneller abschreibe­n als in anderen“, sei das Thema Weiterbild­ung hier aber von besonderer Bedeutung. „Es gibt immer wieder neue Fertigkeit­en und Programme, die man erlernen muss“, sagt Janssen. „Wir merken das bei uns selbst, wenn ein Windows-Update kommt und die Knöpfe nicht mehr an der richtigen Stelle sind. Das ist für IT-ler natürlich noch viel extremer.“

Alle erschienen­en Teile der Serie gibt es online: www.saarbrueck­erzeitung.de/arbeit-mit-zukunft

Abringt,

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany