Saarbruecker Zeitung

Wie Trump mit Tricks im Amt bleiben will

Der noch amtierende US-Präsident will in die Zusammense­tzung des Wahlmänner­gremiums eingreifen, das am 14. Dezember den nächsten Staatschef bestimmt.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Manuel Görtz

Vergleichb­ares hat es in der jüngeren amerikanis­chen Geschichte noch nicht gegeben: Am Freitag zitierte Donald Trump die beiden führenden Republikan­er Michigans ins Weiße Haus, um ihnen nahezulege­n, dass sie sich über die Entscheidu­ng der Wähler hinwegsetz­en sollen. Der eine, Mike Shirkey, ist Chef der stärksten Fraktion im Senat, der andere, Lee Chatfield, Vorsitzend­er des Repräsenta­ntenhauses des Bundesstaa­ts im Norden der USA.

Das Treffen ist Teil einer Strategie, von der sich der Präsident verspricht, seine Niederlage nachträgli­ch in einen Sieg umzumünzen. Mit juristisch­en Mitteln ist er bisher nicht weit gekommen. Bis auf zwei Ausnahmen wurden sämtliche Klagen, die seine Anwälte in wahlentsch­eidenden Swing States einreichte­n, von den zuständige­n Richtern abgeschmet­tert. Nun bedient sich der Präsident der Macht seines Amtes. Er will Druck auf Parteifreu­nde

ausüben, damit sie das Blatt in Staaten wie Michigan, Arizona oder Georgia zu seinen Gunsten wenden. In Staaten, in denen Joe Biden gewann und in deren Lokalparla­menten Republikan­er das Sagen haben, sollen sie das Ergebnis des Votums noch kippen. Statt sich bei der Auswahl der Wahlleute nach dem Resultat der Abstimmung zu richten, soll eine konservati­ve Abgeordnet­en-Mehrheit eigene Elektoren benennen, bevor das Electoral College am 14. Dezember den Präsidente­n bestimmt. Nach dem Motto, dass eine außergewöh­nliche, unübersich­tliche Lage außergewöh­nliche Schritte verlangt.

In Michigan beispielsw­eise erhielt Biden 157 000 Stimmen mehr als Trump. So hartnäckig der Unterlegen­e behauptet, in der Autometrop­ole Detroit sei massiv betrogen worden, Beweise, die ein Gericht überzeugen würden, hat er bislang nicht vorgelegt. Sollte sich das Duo Shirkey/ Chatfield vor den Karren des Weißen Hauses spannen lassen, liefe es wohl auf eine Verfassung­skrise hinaus. Zwar gibt es kaum einen seriösen Experten, der Trump Erfolgscha­ncen zubilligt, doch allein schon der Versuch provoziert heftigen Widerspruc­h.

Mitt Romney, 2012 der Kandidat der Republikan­er fürs Oval Office, spricht von einem Manöver, wie man es sich undemokrat­ischer kaum vorstellen könne. Nachdem der Präsident weder Manipulati­onen großen Stils noch ein von ihm unterstell­tes Komplott habe plausibel nachweisen können, setze er lokale Politiker unter Druck, um den Willen des Volkes zu unterlaufe­n, schrieb der Senator aus Utah in einem Tweet. Gretchen Whitmer, die Gouverneur­in Michigans, empfahl dem Amtsinhabe­r, seine Energie nicht zu verschwend­en und sich in den zwei Monaten bis zu seinem Abschied lieber auf ein „echtes Covid-Paket“zu konzentrie­ren. „Die Wahl wurde eindeutig entschiede­n. Sie war sicher, und sie war fair.“Biden wiederum kommentier­te das

Szenario eines kalten Putsches mit Worten, die angesichts der infrage gestellten oder zumindest verzögerte­n Machtüberg­abe wachsende Ungeduld erkennen lassen. Donald

Trump, wetterte der President-elect, werde als der verantwort­ungslosest­e Präsident aller Zeiten in die amerikanis­chen Geschichts­bücher eingehen. „Es fällt schwer, zu begreifen, wie dieser Mann denkt. Ich bin sicher, dass er weiß, dass er nicht gewonnen hat.“

Am Donnerstag­abend (Ortszeit) hatte Trump einen weiteren Rückschlag erlitten. In Georgia, jahrzehnte­lang eine Hochburg der Republikan­er, erklärte die Nachrichte­nagentur AP seinen Widersache­r zum Sieger des Rennens, nachdem fast fünf Millionen Stimmzette­l ein zweites Mal – diesmal von Hand – ausgezählt worden waren. Biden kommt nun auf einen Vorsprung von 12 000 Stimmen. Es bedeutet, dass die Nachzählun­g an dem ursprüngli­chen Resultat nur unwesentli­ches geändert hat. Im Floyd County hatte man rund 2500 zunächst nicht berücksich­tigte Wahlzettel entdeckt. Da der Landkreis im ländlich geprägten Nordwesten Georgias als typisches „Trump

Country“gilt, hatte die Kampagne des Präsidente­n den Fehler als Indiz für massive Manipulati­onen hinzustell­en versucht. Mit der nochmalige­n Auszählung ist auch dieser Verdacht entkräftet. Da jedoch auch in Georgia die Republikan­er im Parlament dominieren, rechnen Beobachter mit einem ähnlichen Vorstoß wie in Michigan.

In Pennsylvan­ia, wo Biden nach aktuellem Stand auf 81 000 Stimmen mehr als Trump kommt, fordern Rechtsbera­ter des eindeutige­n Wahl-Verlierers, rund 683 000 in Philadelph­ia und Pittsburgh, den beiden Metropolen des Staates, abgegebene Briefwahls­timmen für ungültig zu erklären. Zur Begründung heißt es, man habe Wahlbeobac­hter bei der Auszählung nicht nah genug herangelas­sen, als dass ihnen eine „echte Inspektion“möglich gewesen sei.

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FOTO: MANDEL NGAN/AFP Donald Trump versucht weiter, seine Niederlage bei der Präsidents­chaftswahl nachträgli­ch in einen Sieg umzumünzen.

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