Saarbruecker Zeitung

Fußballer siegt gegen Klinik nach Amputation

Stefan Schmidt erhält vor dem Saarbrücke­r Landgerich­t vollumfäng­lich Recht – aber keine Millionen. Warum?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Das Evangelisc­he Krankenhau­s in Saarbrücke­n muss Stefan Schmidt Schmerzens­geld und Schadeners­atz zahlen. Der Amateur-Fußballer hatte die Klinik wegen Behandlung­sfehlern verklagt, die zu seiner Beinamputa­tion geführt hatten.

Es ist nicht alltäglich, wenn bei einem Routine-Eingriff offensicht­lich gleich zwei Kliniken versagen, und ein junger Amateurfuß­baller dadurch sein Bein verliert. Mehr als drei Jahre nach einem Kreisliga-Unfall, der zu einer Unterschen­kel-Amputation führte, beglaubigt nun ein Landgerich­tsurteil die Darstellun­g des aus St. Arnual stammenden Stefan Schmidt (26). Der hatte mehreren Ärzten im Evangelisc­hen Krankenhau­s Saarbrücke­n grobe Behandlung­sfehler vorgeworfe­n und auf Schadenser­satz und Schmerzens­geld in Höhe von über vier Millionen Euro geklagt. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen, auch weil Schmidt wieder mit Krücken auf dem Platz steht, in der deutschen Amputierte­n-Nationalel­f. Am Freitag erging ein Urteil, in dem das Evangelisc­he Krankenhau­s (EKH) als „Gesamtschu­ldner“bezeichnet und dazu verpflicht­et wird „sämtliche künftigen immateriel­len (s..) sowie alle vergangene­n und künftigen materielle­n Schäden zu ersetzen“. Im Urteil heißt es wörtlich: „Die Durchführu­ng der Operation und die postoperat­ive Betreuung waren behandlung­sfehlerhaf­t.“Nicht geklärt wird im Urteil die Frage, inwieweit auch dem Klinikum Saarbrücke­n Behandlung­sfehler nachzuweis­en sind. Denn dorthin wurde Schmidt nach der fehl geschlagen­en Behandlung im EKH verlegt, auf dem Winterberg erfolgte die Amputation. Deshalb zog das Evangelisc­he Krankenhau­s die Nachbar-Klinik in das Verfahren hinein.

Was bedeutet nun der gestrige Richterspr­uch? Dass jede Sonder-Prothese und jede Behandlung, die die Krankenkas­se nicht übernimmt, vom Träger der Klinik, der Diakonie, beziehungs­weise von deren Versichere­r, bezahlt werden muss - bis an Schmidts Lebensende. Das dürfte in Summe in die Millionen gehen. Außerdem wurde das von Schmidt geforderte Schmerzens­geld in Höhe von 100 000 Euro zu 100 Prozent anerkannt. Als „vollunfäng­lichen Sieg“sieht dies Schmidts Anwalt Marc Herbert.

Doch wie wird Schmidt das Urteil aufnehmen? Der junge Vater und Sportler wollte eigentlich etwas anderes: eine Einmalzahl­ung von vier Millionen Euro, durch die das Klinikum alle Schadens-Ansprüche hätte abgelten sollen. Er wolle mit der schlimmen Sache abschließe­n und nicht jede Einzelford­erung mit der Klinik verhandeln, sagte Schmidt der SZ bei einem Gerichtste­rmin im August. Doch genau diese Wunsch-Lösung taucht im gestern verkündete­n Urteil der 16. Zivilkamme­r nicht auf. „Das Schadensre­cht sieht eine solche Einmalabge­ltung als einklagbar­en Anspruch nicht vor“, so erklärt das Rechtsanwa­lt Herbert. Eine Einmalzahl­ung lasse sich nur durch einen Vergleich erzielen. Dieser Versuch sei im Vorfeld der Urteilsver­kündung gescheiter­t. Doch Vergleiche für Einmalzahl­ungen können jederzeit getroffen werden, sprich auch noch nach Jahren, wenn die Schuldfrag­e zwischen den Kliniken womöglich vor Gericht geklärt wurde. Wobei der Rechtsanwa­lt Skepsis äußert, ob das von Schmidt angestrebt­e Modell, vier Millionen sofort zu bekommen, das beste für einen so jungen Mann ist: „Emotional ist das Bedürfnis nachvollzi­ehbar.“Doch sollten die Folgekoste­n höher liegen, dann wäre eine Einmalabge­ltung nachteilig, findet der Anwalt.

Das EKH kann gegen das Urteil in Berufung gehen. Wenn nicht, fließen bald schon 100 000 Euro an Schmidt.

„Zudem ist im vorliegend­en Fall zu berücksich­tigen, dass ein besonderer Grad des Verschulde­ns vorliegt.“

Aus dem Landgerich­tsurteil von

Inge Graj

Der arbeitete vor dem Unfall als Lebensmitt­elfachverk­äufer, wurde arbeitslos. Der Vater einer dreijährig­en Tochter hatte zudem die Trennung von seiner Partnerin zu verkraften. Zur Höhe des Schmerzens­geldes liest man im Urteil von Inge Graj Aufschluss­reiches. Das Schmerzens­geld

trage dem Gedanken Rechnung, „dass der Schädiger dem Geschädigt­en für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung“schulde. Im vorliegend­en Fall habe der Kläger jedoch ein Klageverfa­hren anstrengen müssen, in dem zwei Gutachten zur Klärung der Haftungsfr­age eingeholt werden mussten. „In dieser Zeit erfolgte keinerlei Abschlagsz­ahlung durch die Beklagtens­eite. Dies ist im vorliegend­en Fall schmerzens­gelderhöhe­nd zu würdigen.“Zudem sieht das Gericht generell einen „besonderen Grad des Verschulde­ns“seitens der Klinik.

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FOTO: HEIKO LEHMANN Stefan Schmidt beim Training in St. Arnual. Er trägt beim Kicken keine Prothese.

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