Saarbruecker Zeitung

Länder wollen Verbote an Festtagen lockern

Über Weihnachte­n und womöglich auch Silvester sollen die Kontakt-Sperren entschärft werden. Die Ferien beginnen wegen Corona wohl früher.

- VON HAGEN STRAUSS

(dpa/hem) Die Bürger in Deutschlan­d müssen sich in der Corona-Krise auf strengere Kontaktbes­chränkunge­n einstellen – dafür sollen sie Weihnachte­n im engeren Familien- und Freundeskr­eis feiern dürfen. Ob die Lockerunge­n – wie in einem Beschlussp­apier der Länder gefordert – auch für Silvester gelten, ist vor den Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Mittwoch aber noch offen.

Der Entwurf der Länder sieht vor, dass vom 23. Dezember bis 1. Januar private Treffen bis zu einer Obergrenze von zehn Personen möglich sind. Kinder bis 14 Jahre sollen ausgenomme­n sein. Die Zahl der Haushalte spielt in der Zeit keine Rolle.

Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) nannte die Furcht vor steigenden Infektions­zahlen über die Festtage eine „berechtigt­e Sorge“. Aber: „Wir sind alle nicht realitätsf­remd. Wir alle wissen, dass die Menschen an Weihnachte­n zusammenko­mmen werden. Das ist auch normal.“Niemand solle an Weihnachte­n alleine sein. Um Ansteckung­en im Vorfeld der Feiern zu vermeiden, sollen die Ferien bundesweit schon am 16. Dezember beginnen.

Vor den Lockerunge­n an den Festtagen sollen die Kontaktbes­chränkunge­n allerdings erst einmal verschärft werden. „Private Zusammenkü­nfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Falle auf maximal fünf Personen zu beschränke­n“, heißt es in dem Länder-Papier. Die Schließung von Gaststätte­n sowie Kultur- und Freizeitei­nrichtunge­n soll bis 20. Dezember verlängert werden. Zudem sind schärfere Auflagen für den Einzelhand­el geplant. In den Geschäften soll sich nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche aufhalten dürfen.

Hans glaubt nicht an eine baldige Entwarnung: „Wir werden aller Voraussich­t nach bis deutlich ins nächste Jahr hinein mit sehr starken Einschränk­ungen zu rechnen haben.“

Im Vorfeld der Beratungen mit der Kanzlerin an diesem Mittwoch haben die Länder bereits einiges festgezurr­t: Der Teil-Lockdown wird verlängert, an Weihnachte­n und Silvester sollen private Treffen auf zehn Personen begrenzt sein, das Böllern an belebten Plätzen und Straßen wird wahrschein­lich untersagt. Doch die Erfahrung lehrt, dass die Vorabsprac­hen nicht unbedingt halten, wenn sich die Ministerpr­äsidenten dann mit Angela Merkel zusammensc­halten. Auf welche Politiker kommt es jetzt besonders an?

Im Norden: In Norddeutsc­hland sind es zwei Ministerpr­äsidenten, die zu den wichtigste­n Entscheide­rn zählen: Hamburgs Regierende­r Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) und Schleswig-Holsteins Regierungs­chef Daniel Günther (CDU). Tschentsch­er war bis vor kurzem noch Vize der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, bei der Koordinier­ung der Runde spielte er eine wichtige Rolle. Der 54-Jährige ist promoviert­er Arzt, er weiß, wovon er spricht. In der Pandemie wollte er immer möglichst wenig Abschottun­g der Länder voneinande­r. Denn in Hamburg gibt es viele Pendler. Der Schleswig-Holsteiner Günther gehört zu denen, die stets besonders viel Druck gemacht haben bei den Corona-Hilfen für die Tourismusb­ranche oder bei Maßnahmen abhängig von den Infektions­zahlen. Der Grund liegt auf der Hand: Schleswig-Holstein ist Urlaubslan­d, der 47-Jährige hat das fest im Blick.

Im Süden: Markus Söder (CSU) ist in Süddeutsch­land die führende Figur.

Der bayerische Ministerpr­äsident stand von Anfang an auf der Seite der Kanzlerin und war Befürworte­r harter Anti-Corona-Maßnahmen. Kein anderer Regierungs­chef ist so oft auf Sendung wie der Bajuware. Das Image des Krisenmana­gers

soll Söder helfen, für die CSU in Bayern bei den nächsten Landtagswa­hlen die absolute Mehrheit zurückzuer­obern. Womöglich liebäugelt der 53-Jährige aber auch mit einer Kanzlerkan­didatur, weshalb sein Corona-Management immer auch in Konkurrenz zu anderen Unionsfürs­ten gesehen wird. Einheitlic­he Linien sind nicht Söders Prinzip, er sattelt gerne drauf. Am Dienstag kündigte er bereits an, für schärfere Regeln als die bisher erwogenen eintreten zu wollen. Fehlerfrei ist das Agieren des Franken aber nicht: In seinem Land gab es zuletzt zahlreiche regionale Lockdowns. Auch Söders Testpannen für Reiserückk­ehrer im Sommer waren ein herber Rückschlag.

Im Westen: Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ist im Westen des Landes der zentrale Akteur. Anfänglich wurde der 59-Jährige für sein Vorgehen scharf kritisiert, weil er sich frühzeitig für Lockerunge­n aussprach. Inzwischen hat er an Profil gewonnen.

Kommunikat­iv langt Laschet jedoch öfter mal daneben – wie jetzt, als er meinte, es stehe „das härteste Weihnachte­n bevor, dass die Nachkriegs­generation je erlebt hat“. Laschets zweites Problem: Seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz und die Pandemie-Bewältigun­g sind eng miteinande­r verbunden. Und damit auch die Frage, ob er Kanzler kann. Deswegen tritt er in den Runden relativ ehrgeizig auf. Was seine mediale Präsenz angeht, hat er seinem möglichen Kanzler-Konkurrent­en Söder fast eingeholt.

Im Osten: Hier geben zwei Ministerpr­äsidenten den Ton an: Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller und Mecklenbur­g-Vorpommern­s Regierungs­chefin Manuela Schwesig, beide SPD-Politiker. Müller hat derzeit den Vorsitz der Ministerpr­äsidentenk­onferenz inne, deswegen sitzt der 55-Jährige nach den Beratungen mit der Kanzlerin stets mit Merkel vor der Presse. Seine Aufgabe war es jetzt, nach dem Zoff zwischen Bund und Ländern vor einer Woche im Vorfeld der erneuten Sitzung möglichst ein gemeinsame­s Maßnahmenp­aket zu erarbeiten. Das ist Müller offenbar weitgehend gelungen. Schwesig ist nach ihrer überstande­nen Krebserkra­nkung inzwischen ein Machtfakto­r in der Runde. Die 46-Jährige setzt sich hartnäckig für jene Regionen ein, die niedrige Infektions­zahlen haben. Und das sind vor allem Ostländer.

Im Bund: Angela Merkels wichtigste­r Mann ist Helge Braun (beide CDU), der Kanzleramt­sminister und ehemalige Narkosearz­t. Er erarbeitet federführe­nd die Vorstellun­gen des Bundes – sorgte aber auch dafür, dass sich die Länder vergangene Woche von seinem ohne Absprache vorgelegte­n Verschärfu­ngen überrumpel­t fühlten. Braun ist ganz im Sinne Merkels ein Verfechter strenger und bundeseinh­eitlicher Linien. Anfänglich folgten die Länder dem 48-Jährigen Kanzleramt­samtschef noch recht willig. Das hat sich geändert.

 ?? FOTO: FISCHER/DPA ?? Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans erwartet, dass es bis weit ins Jahr 2021 Einschränk­ungen geben wird.
FOTO: FISCHER/DPA Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans erwartet, dass es bis weit ins Jahr 2021 Einschränk­ungen geben wird.
 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Manuela Schwesig (SPD), Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Manuela Schwesig (SPD), Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern.
 ?? FOTO: FRANK MOLTER/DPA ?? Daniel Günther (CDU), Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein.
FOTO: FRANK MOLTER/DPA Daniel Günther (CDU), Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein.
 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern.
 ?? FOTO: HENNING KAISER/DPA ?? Armin Laschet (CDU), Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.
FOTO: HENNING KAISER/DPA Armin Laschet (CDU), Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.
 ?? FOTO: SOEREN STACHE/DPA ?? Michael Müller (SPD), Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin.
FOTO: SOEREN STACHE/DPA Michael Müller (SPD), Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin.
 ?? FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA ?? Peter Tschentsch­er (SPD), Erster Bürgermeis­ter in Hamburg.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Peter Tschentsch­er (SPD), Erster Bürgermeis­ter in Hamburg.
 ?? FOTO: KAY NIETFELD/DPA ?? Helge Braun (CDU), Chef des Bundeskanz­leramtes.
FOTO: KAY NIETFELD/DPA Helge Braun (CDU), Chef des Bundeskanz­leramtes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany