Mehr Spitzensportler dürfen wieder trainieren
Sportler eines Landeskaders können Wiederaufnahme des Trainings beantragen. Richtig kommuniziert wurde das aber nicht.
Die saarländische Landesregierung hat die aktuelle Rechtsverordnung so angepasst, dass jetzt auch Sportler, die dem Landeskader eines Verbandes angehören, eine Ausnahmegenehmigung zum Training beantragen können.
Der Blick nach Berlin verheißt nichts Gutes. Die drohende Verlängerung des Teil-Lockdowns wird den Sport, auch hier im Saarland, hart treffen. Dabei gibt es seit einigen Tagen hierzulande einen Lichtblick, der so gut wie nicht wahrgenommen wurde. Die Landesregierung hat die aktuelle Rechtsverordnung vergangene Woche so angepasst, dass neben Berufssportlern, Athleten des Olympia-Kaders, des Perspektiv-Kaders, des Nachwuchs-Kaders und des paralympischen Kaders jetzt auch Sportler, die dem Landeskader eines Verbandes angehören, eine Ausnahmegenehmigung zum Training beantragen können.
Die Aufnahme des „Landeskaders“in den Passus wird vielen Talenten quer durch alle Sportarten die Rückkehr auf den Platz oder in die Halle ermöglichen. „Ich habe mich dafür eingesetzt, als klar war, dass auch in Bayern Landeskader-Athleten trainieren dürfen“, sagt Raphael Schäfer, der sportpolitische Sprecher der CDU-Landestagsfraktion: „Es geht hier um einen Gleichklang der Bundesländer.“
Schäfer gilt in der Landespolitik als der Mann des Sports. Der 39-jährige frühere Top-Leichtathlet (Spezialdisziplin 3000 Meter Hindernis) ist auch Vizepräsident im Saarländischen Leichtathletik-Bund (SLB), kennt die Sorgen und Nöte der Basis – und versucht, sie mit den notwendigen Einschränkungen in der Corona-Pandemie zu vereinbaren. „Die Grenze Landeskader kann ich guten Gewissens und auch notwendigerweise vertreten“, sagt er: „Die Anzahl der Landeskader-Athleten im Saarland ist überschaubar. Die Kontaktverfolgung ist nachvollziehbar und kontrollierbar.“
Die Ausnahmegenehmigung für die besten Sport-Talente im Land wertet er als „Erfolg“, hält sie aber auch für „zwingend notwendig“. Durch die Einstufung als Landeskader-Athlet sei „ein klarer Unterschied“zum Freizeitsport festgelegt, der sich vor allem aus der Motivation und Zielsetzung erkläre: „Das sind die Sportler, die das Ziel Bundeskader verfolgen, die perspektivisch für eine Olympia-Teilnahme in Frage kommen.“Kurzum: Es ist die Zukunft des Saarsports.
Dass es die Zukunft ohne eine breite Basis nicht gibt, ist Schäfer bewusst. Das Sportverbot für tausende Kinder und Jugendliche im Land sieht er in der aktuellen Situation aufgrund der angestrebten Kontaktreduzierung als „alternativlos“an, merkt aber auch kritisch an: „Ich habe da die gleichen Sorgen wie viele andere, die im Sport tätig sind. Die Kinder sollen an ihren Sport herangeführt und gebunden werden. Das ist aber kaum möglich.“Grundlagen und Techniken, die für die weitere Entwicklung wesentlich seien, könnten nicht in den besten Lernjahren vermittelt werden. „Das wird langfristige Auswirkungen haben. Die leistungssportliche Perspektive geht verloren, ganze Jahrgänge brechen weg“, fürchtet Schäfer: „Ich bin froh, dass wir mit der Freigabe für den Landeskader immerhin ein kleines Stück entgegenwirken konnten.“
Das wiederum ist vielen Verbänden und Trainern gar nicht bekannt. Nach SZ-Informationen sollen zwar die Schwerpunkt-Sportarten am Olympiastützpunkt, nicht aber alle Fachverbände vom Landessportverband für das Saarland (LSVS) informiert worden sein. Der Saarländische Badminton-Verband (SBV ) teilte auf Anfrage der SZ mit, durch Zufall von der Neu-Regelung erfahren zu haben. In den nächsten Tagen will der SBV sein Trainingsangebot entsprechend ausweiten. Der
Top-Nachwuchs des Verbandes hatte sein Training zu Beginn des kleinen Lockdowns Anfang November fortführen können – aber in reduziertem Umfang. Der Grund: Badminton ist ähnlich wie Tennis als Individualsportart eingestuft worden, sodass ein Training mit zwölf Personen auf sechs Feldern (also Einzel) an der Hermann-Neuberger-Sportschule möglich war. Jetzt kommen die Doppel dazu – und eben die Landeskader-Athleten.
Und das gilt so auch für alle anderen Sportarten. Deswegen sagt CDU-Politiker Schäfer auch: „Aus Sicht des LSVS würde ich die Stimme des Sports sehr viel stärker erheben.“Einer, der das tut, ist Christian Schwarzer, der Handball-Weltmeister von 2007. Der Niederwürzbacher ist Jugendkoordinator des Handballverbandes Saar, und auch er hat gerade erst erfahren, dass der „Landeskader“in den Bestimmungen aufgenommen wurde: „Wir haben nach Rücksprache mit unserem neuen Präsidium entschieden, dass angesichts der aktuellen Lage kein Auswahltraining durchgeführt wird. Wir planen aber, Anfang Dezember wieder anzufangen.“
Schwarzer erläutert im Detail auch die Notwendigkeit. „Es geht insbesondere um die männlichen Talente des Jahrgangs 2005 und die weiblichen des Jahrgangs 2006, weil hier Ende Februar, Anfang März die Sichtung des Deutschen Handball-Bundes ansteht.“Die Perspektive, sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen, solle den jungen Sportlern nicht geraubt werden. „Wir wollen sie bestmöglich vorbereiten“, sagt Schwarzer, der sich vehement für eine Freigabe des Kinder- und Jugendsports einsetzt: „Ich sehe eine große Gefahr, dass uns viele Kinder und Jugendliche wegbrechen. Ich höre fast täglich, dass Kinder in ihrer Freizeit nur noch an der Playstation zocken. So einfach, sie davon wieder wegzukriegen, wird das nicht sein.“Zumindest mit den Kindern und Jugendlichen in den Landeskadern kann das jetzt gelingen.