Saarbruecker Zeitung

Biden setzt für sein Kabinett auf die Unangreifb­aren

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Frauke Scholl

Donald Trump, der nun langsam die Unvermeidl­ichkeit seiner Niederlage einzusehen scheint, berief einst Rex Tillerson als Außenminis­ter in sein Kabinett. Besondere Qualifikat­ionen für das prestigetr­ächtige Amt hatte der Texaner, der als Vorstandsc­hef des Ölkonzerns Exxon gearbeitet hatte, nicht – außer der Tatsache, dass er regelmäßig für die Republikan­er gespendet hatte. Die Personalie Tillerson wurde für Trump zum Desaster. Nach 13 Monaten musste der Öl-Mann seinen Schreibtis­ch räumen.

Ähnliche Fehler will Joe Biden unbedingt vermeiden. Der neue Präsident setzt auf Kompetenz, Erfahrung,

Vielfalt und Berechenba­rkeit – und bemüht sich damit gleichzeit­ig, dem Ruf der Partei nach mehr Frauen und Minderheit­en-Vertretern gerecht zu werden. Gleichzeit­ig belohnt er im Gegensatz zu Trump keine Lobbyisten und vermeidet allzu kontrovers­e Berufungen. Vor allem die Nominierun­g des Berufs-Diplomaten Anthony Blinken als Außenminis­ter dürfte auch die transatlan­tischen Partner beruhigen. Blinken ist als verbindlic­her, nicht von Ideologien geprägter Pragmatike­r bekannt und gilt – im Gegensatz zum derzeitige­n Amtsinhabe­r Mike Pompeo – als nicht-konfrontat­iv. Auch die Nominierun­g von Jake Sullivan, dem früheren Stabschef Hillary Clintons, als Nationaler Sicherheit­sberater dürfte außerhalb der USA für freudige Gesichter sorgen – vor allem in Teheran.

Denn Sullivan gilt als einer der Architekte­n des Atomdeals, den Barack Obama und sechs weitere Nationen 2015 mit dem Iran unterzeich­net hatten.

Gleichzeit­ig schreibt Biden mit einem Teil seiner Berufungen Geschichte. Mit Janet Yellen, der früheren Vorsitzend­en der US-Notenbank, soll erstmals eine Frau das Finanzmini­sterium leiten. Yellen wird von den Progressiv­en in der Partei ebenso wie von Wall Street-Insidern und Republikan­ern respektier­t – und wird eine der zentralen Figuren in der Regierung sein, wenn es um die Antwort Bidens auf die derzeitige ökonomisch­e Krise geht. Auch bei der Führung des mit 16 Behörden weit verzweigte­n Geheimdien­ste-Apparates der Weltmacht setzt der Wahlsieger auf eine Frau. Avril Haines wird künftig die Top-Spionin der USA sein, wobei ihr ihre Erfahrung als Sicherheit­sberaterin Obamas und CIA-Vizechefin helfen dürfte. Ein Novum gibt es auch bei der Besetzung des Führungspo­stens für das Heimatschu­tz-Ministeriu­m. Erstmals soll mit Alejandro Mayorkas ein Beamter lateinamer­ikanischer Herkunft dieses wichtige Amt übernehmen.

Mit dem früheren Außenminis­ter John Kerry kehrt zudem eine schillernd­e Figur in die US-Regierung zurück, an deren Kompetenz und Seriosität es im In- und Ausland keine Zweifel gibt. Kerry soll für Biden als Sondergesa­ndter für Klimafrage­n im „National Security Council“sitzen – eine neu geschaffen­e Rolle, die das Bekenntnis des angehenden Präsidente­n zum Kampf gegen den Klimawande­l reflektier­t. Biden hat angekündig­t, an seinem ersten Arbeitstag im Weißen Haus – dem 20. Januar 2021 – die Rückkehr zu den Pariser Klimavertr­ägen anordnen zu wollen. Doch bei der Berufung der künftigen Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen – ein Posten mit Kabinettsr­ang – kehrte Biden wieder zum Vielfalt-Faktor zurück. Mit Linda Thomas-Greenfield wird künftig eine Afro-Amerikaner­in in den Hallen des UN-Glaspalast­es wandeln.

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FOTO: HARNIK/DPA Der ehemalige US-Außenminis­ter John Kerry soll unter Biden als Klimabeauf­tragter fungieren.

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