Saarbruecker Zeitung

Der Druck aus der eigenen Partei hat Früchte getragen

-

Der Faktor Vernunft dürfte es nicht gewesen sein, der Donald Trump nun bewogen hat, den Machtüberg­ang in den USA nicht mehr vollständi­g zu blockieren. Vielmehr haben wohl der zunehmende Druck der eigenen Partei und die dämmernde Erkenntnis Früchte getragen, den Realitäten nicht mehr länger ausweichen zu können. Zwar dürfte der bis zum 20. Januar 2021 amtierende Präsident noch weiter auf Twitter wüten und versuchen, den klaren Sieg Joe Bidens als illegitim und durch finstere Mächte und manipulier­te Wahlmaschi­nen erschliche­n darzustell­en. Doch ein solches Verhalten dürfte vor allem dazu dienen, sich selbst zu betrügen. Trumps Anwälte haben bis heute keine gerichtsve­rwertbaren Beweise für eine „gestohlene Wahl“vorlegen können. Und nichts spricht dafür, dass sich dies ändern wird.

Dem Präsidente­n gehen also die Argumente aus, die ihn dazu bewegen könnten, weiter massiv Widerstand zu leisten. Der wichtige Bundesstaa­t Michigan hat nun den Sieg Bidens zertifizie­rt, andere dürften in Kürze folgen. Die Wahrschein­lichkeit, dass nun der „Secret Service“am Tag der Amtsüberga­be einen Zeter und Mordio schreiende­n Trump aus dem Weißen Haus tragen muss, bewegt sich deshalb gegen null. Denn wirklichen Rückhalt für einen solchen dramatisch­en Akt, der ein geschichtl­iches Novum wäre, hätte Trump in der Partei nicht. Jene, die zuletzt noch zu ihm gehalten und die Wahlergebn­isse mit kuriosen Argumenten angezweife­lt hatten, fürchteten vor allem eines: Dass sie für Trump nach dessen Ausscheide­n aus dem Amt zur Zielscheib­e seines Zorns werden. Denn eines darf weiter nicht unterschät­zt werden: Die große

Mehrheit der Trump-Wähler liebt weiter ihren „Helden“, glaubt fest der Propaganda aus dem Weißen Haus und ist sich sicher, dass die Demokraten mit unlauteren Mitteln gearbeitet haben. Das zeigt, wie sehr der Glaube an seit langem bewährte demokratis­che Vorgänge Schaden genommen hat.

Angesichts des langsamen Einknicken­s Trumps ist es nur konsequent, dass Biden nun damit begonnen hat, sein Kabinett und seine wichtigste­n persönlich­en Berater auszuwähle­n. Die ersten Entscheidu­ngen zeigen, dass man auch in Europa aufatmen darf. Denn mit Antony Blinken (Außenminis­ter) und Jake Sullivan (Nationaler Sicherheit­sberater) hat der Demokrat zwei erfahrene und kompetente Persönlich­keiten benannt, denen es aufgrund ihrer Vita gelingen dürfte, den durch Trump und sein „America first“-Team angerichte­ten Schaden langfristi­g zu beheben. Das gilt vor allem für den Vertrauens­bereich. Denn unter Trump wussten die transatlan­tischen Partner nicht mehr, welchen Wert die Worte aus dem Weißen Haus hatten. Zwar wird das Leben auch für Berlin – siehe Handelsfra­gen und das Nordstream-2-Projekt – nicht unbedingt sofort viel einfacher werden. Doch Bidens Personal steht auch für das Prinzip Ehrlichkei­t in der Politik. Und das ist nach der Ära Trump eine große Erleichter­ung.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany