Saarbruecker Zeitung

Hadern mit der eigenen Identität

„Einer wie Erika“erzählt die bewegende Geschichte eines ehemaligen Skirennläu­fers.

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SAARBRÜCKE­N (ry) Unter dem Begriff Pseudoherm­aphroditis­mus versteht man das Vorhandens­ein von weiblichen wie auch männlichen Geschlecht­smerkmalen. Weltweit tritt dieses Phänomen geschätzt bei knapp 1 Prozent aller Menschen auf. Heutzutage kann mithilfe neuester technische­r Möglichkei­ten festgestel­lt werden, ob etwa eine Frau männliche Geschlecht­smerkmale besitzt. Vor rund 60 Jahren war dies aber noch nicht möglich. Deshalb kam es vor, dass bei einem Menschen das Geschlecht nicht richtig identifizi­ert werden konnte – so wie im Falle des ehemaligen österreich­ischen Skirennläu­fers Erik Schinegger. Dieser wurde aufgrund von nach innen gewachsene­n männlichen Geschlecht­steilen zunächst für ein Mädchen gehalten. Der Film „Einer wie Erika“erzählt seine bewegte Geschichte.

Erika Schinegger (Markus Freistätte­r) ist schon immer etwas Besonderes gewesen. Bei ihrer Geburt schaute die Hebamme einen Moment länger hin als üblich, bevor sie ein „Mädchen“verkündete. Der Vater, ein Landwirt in Kärnten, war enttäuscht, er hatte sich auf einen Sohn gefreut. Die Mutter war glücklich, ein gesundes Kind zu haben. Ein wilder Feger, der sich bald mehr für das Innenleben des Traktors auf dem elterliche­n Hof interessie­rte als für Puppen

oder Kleider. Das gab ständig Ärger. Erika selbst spürte bald, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Das sah sie allein schon beim Blick in den Spiegel. Doch sonst fiel niemandem etwas auf. Erika wird eine begeistert­e Skifahreri­n. Sie fährt wilder und schneller als alle anderen Mädchen, wird ins Nationalte­am aufgenomme­n. 1966 wird sie Weltmeiste­rin im Slalom. Der Triumph hält bis zu dem Tag, an dem auch im Sport vor der Olympiade in Grenoble der sogenannte SexTest

eingeführt wird. Und von einem Moment auf den anderen wird Erikas Welt auf den Kopf gestellt. Die Chromosome­nauswertun­g ist eindeutig – E. Schinegger ist männlich. Und das System, das Erika erst ins Rampenlich­t gezerrt hat, zeigt nun schnell, aus welchem Holz es wirklich geschnitzt ist.

Die wahre Geschichte über gesellscha­ftliche Konvention­en, Gendervers­tändnis und eine persönlich­e Befreiung ist unter der Regie von Reinhold Bilgeri entstanden.

Für diesen hat die Geschichte aus den 60ern auch heute noch einen brandaktue­llen Charakter: „Die Gender-Brisanz dieser Tage und die unwägbare Sinuskurve einer Gesellscha­ft zwischen Bornierthe­it und Toleranz sichern der Geschichte eine bleibende Aktualität.“Er ergänzt: „Ich fühle mich verwandt mit seiner Kämpfersee­le und wollte seinem Lebensmut ein kleines Denkmal setzen.“

Einer wie Erika, 20.15 Uhr, ARD

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FOTO: SWR/ORF/LOTUS FILM/ZEITSPRUNG PICTURES/FELIPE KOLM In der Weltmeiste­rin Erika (Markus Freistätte­r) sieht der Bürgermeis­ter (Franz Weichenber­ger) jede Menge Chancen für das Dorf. Damit sie nicht weggeht, erhält sie ein Grundstück.

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