Saarbruecker Zeitung

Alles, bloß nicht das

Der „Lockdown light“birgt unerwartet­e Gefahren. Bedroht ist eine sehr schlechte Angewohnhe­it.

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Nudeln, natürlich zusammen mit Fertig-Tomatensoß­e. Hefe, weil im Lockdown plötzlich alle ihre Leidenscha­ft fürs Brotbacken entdeckten. Und das Wichtigste: Toilettenp­apier. Dinge, an denen zumindest für kurze Zeit in diesem Frühjahr ein besorgnise­rregender Mangel herrschte – unerwartet für die Ladeninhab­er und genauso überrasche­nd für die Kunden, von denen viele zum ersten Mal in ihrem Leben die Erfahrung machen mussten, vor leeren Regalen zu stehen.

Auch ich machte mir im März kurz Sorgen, als mein Freund und ich nur noch zwei Rollen Klopapier im Haus hatten und wir nirgendwo Nachschub aufzutreib­en konnten. Und Rigatoni kaufen zu müssen, weil Fusilli, also diese gedrillert­en Nudeln, die ich viel lieber mag, ausverkauf­t waren, versetzte mir schon einen ziemlichen Schlag. Aber wie sagt man so schön: Wir haben es überlebt. Zum Start des „Lockdown light“Anfang November waren wir besser vorbereite­t.

Leider haben unsere französisc­hen Nachbarn ebenfalls vorgesorgt. Das jedenfalls erzählte mir eine Kioskbetre­iberin am St. Johanner Markt, als ich Zigaretten kaufte. Was ich haben wollte, war nämlich nicht da. „Lieferprob­leme“, erklärte sie bedauernd. Schuld seien französisc­he Kunden, die aus Angst, die Grenzen könnten wieder geschlosse­n werden, günstige deutsche Zigaretten en masse gehamstert hätten – so viele, dass sogar Geschäfte wie ihres die Auswirkung­en spürten.

Ich gebe zu: Ein Teil von mir war entsetzt. Dieser kleine, fiese, nikotingel­be Sucht-Zwerg in mir, der mich trotz besseren Wissens immer wieder dazu bringt, viel zu viel Geld für eine sehr schlechte Angewohnhe­it aus dem Fenster zu schmeißen, die von vielen Menschen zu Recht gehasst wird. Dabei gab es noch lange keinen Grund zur Panik: Die sonst immer geschlosse­nen Reihen bunter Päckchen hinter der Kiosktheke wiesen zwar ungewohnte Lücken auf, aber von einem echten Mangel konnte nicht die Rede sein. Meine Reaktion gab mir dennoch – oder gerade deshalb – zu denken. Aber wenigstens bin ich mit meinen Gefühlen nicht alleine. Die französisc­hen Hamsterkäu­fer sind schließlic­h der beste Beweis dafür.

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