Mit zwei blauen Augen durch die Corona-Krise
Durch die Pandemie verliert Saarbrücken viel Geld – aber Bund und Land springen ein und bewahren die Stadt vor einem Desaster.
Katastrophal schlecht sah es noch im Frühjahr für die Saarbrücker Stadtfinanzen aus – als die Corona-Pandemie anrollte, als die Geschäfte schließen mussten und das städtische Klinikum auf dem Winterberg zum Level-1-Corona-Zentrum aufgerüstet wurde. Da sprach noch einiges dafür, dass die Stadt nach langen Jahren harter Sparpolitik schon bald vor einem neuen Finanz-Desaster stehen könnte.
Aber inzwischen ist klar: Saarbrücken wird das Jahr 2020 mit zwei blauen Augen überstehen. Denn der Bund und vor allem das Land werden die Kommunen 2020 mit erstaunlichen Summen unterstützen – und davon profitiert auch Saarbrücken. Verdientermaßen. Denn normalerweise ist es vor allem der
„Die Krise ist noch nicht vorbei. Wir rechnen mit weiteren Wellen.“
Uwe Conradt,
Oberbürgermeister
im Mai zur SZ
Bund, der den Kommunen Aufgaben zuweist, ohne ihnen das nötige Geld dafür zu geben (die SZ berichtete).
Blick zurück: Bereits am 14. Mai hatte die SZ im Artikel „Wie die Saarbrücker für Corona bezahlen“beschrieben, wie Corona die Stadtfinanzen treffen könnte. In einigen Bereichen wollte die Stadt damals keine konkreten Angaben machen. Also fragte die SZ jetzt noch einmal nach, und Stadt-Pressesprecher Thomas Blug trug die verfügbaren Zahlen zusammen.
Das Innenministerium genehmigte den Stadthaushalt am 19. Mai – allerdings mit der Auflage, dass die Stadt sich nicht wie geplant 16,96 Millionen Euro für Investitionen leiht, sondern nur 13,47 Millionen. Da fielen also schon Investitionen von rund 3,5 Millionen flach.
Dann kam die Angst vor einem Corona-Gewerbesteuerloch. Die Stadt hatte 2020 mit rund 156 Millionen Euro Gewerbesteuer gerechnet. Inzwischen sieht es aber so aus, als kämen nur 126 Millionen herein.
Und weil viele Menschen weniger arbeiten und verdienen konnten als in normalen Jahren, wird Vater Staat für 2020 wahrscheinlich rund 7 Millionen Euro weniger Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer an die
Stadt ausschütten.
Überraschenderweise gibt's beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer keinen Einschnitt – trotz der kundenfreundlichen Umsatz- bzw. Mehrwertsteuersenkung. Auch die Grundsteuer wird Saarbrücken in erwarteter Höhe einnehmen – diese Steuer bezahlen ja fast alle Saarbrücker fürs In-der-Stadt-wohnendürfen, egal ob krank, alt, arm oder arbeitslos.
Größter Ausgabeposten der Stadt ist Jahr für Jahr die Regionalverbandsumlage. So heißt der Beitrag, den die Stadt zur Finanzierung des Regionalverbandes (RV ) leistet. Alle Kommunen des RV bezahlen RV-Umlage proportional zu ihrer Steuerkraft. Saarbrücken ist Hauptfinanzier. Der RV verbraucht 80 Prozent seines Haushaltes für Soziales.
Wenn Saarbrücken durch Corona so viele Steuern verlieren sollte, dass die Stadt ihre RV-Umlage nicht mehr bezahlen könnte, dann müsste sie schon allein dafür neue Schulden machen.
Corona brachte auch den K.-o.Schlag für die Hoffnungen der Stadt, das Jahr 2020 mit einem Haushaltsplus von 11 Millionen Euro abzuschließen und 22,8 Millionen Schulden zu tilgen.
Natürlich versucht die Stadt zu sparen. Investitionen werden „derzeit restriktiv“gehandhabt. Wo die Stadt sich aber vertraglich verpflichtet hat, muss sie investieren – Corona hin oder her. (Und für Investitionen hat das Innenministerium der Stadt ja rund 13,5 Millionen Euro neue Kredite genehmigt.)
Geplatzt ist natürlich auch die Vorstellung, Saarbrücken könnte 2030 schuldenfrei und damit finanziell wieder rundum handlungsfähig sein. Um wie viele Jahre sich dieses Datum nun hinauszögern wird, kann bei der Stadt noch niemand sagen, denn ein entscheidender Faktor, die Zinsentwicklung unter Corona-Druck, ist noch nicht vorhersehbar. Und von der Zinsentwicklung hängt auch ab, um wie viel die Entschuldung der Stadt letztendlich teurer wird.
Im Mai sagte Oberbürgermeister Uwe Conradt der SZ, er hoffe auf einen Rettungsschirm des Bundes für die Kommunen. Und Conradt wurde erhört – von Bund und Land.
Im Juni brachte die Groko in Berlin zwei wichtige Dinge auf den Weg: Erstens wird der Bund den Kommunen 2020 etwa die Hälfte der ausgefallenen Gewerbesteuer ersetzen – und stellt dafür insgesamt 6,1 Milliarden Euro bereit. Zweitens erhöht der Bund bereits im laufenden Jahr seinen Anteil an den „Kosten der Unterkunft“für Hartz-IV-Empfänger um 25 Prozent.
Dadurch sinkt die RV-Umlage 2021 – und das entlastet die Stadt als Hauptzahler dieser Umlage (die SZ berichtete).
Ebenfalls im Juni beschloss auch der Saar-Landtag einen Nachtragshaushalt von 2,1 Milliarden, um damit die Kommunen zu stützen (die SZ berichtete). Das Saarland will den Kommunen die zweite Hälfte der ausgefallenen Gewerbesteuer ersetzen (die andere Hälfte bezahlt ja der
Bund). Außerdem will das Saarland den Kommunen auch noch die Hälfte des ausgefallenen Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer ersetzen. Drittens will das Saarland den Kommunen im Kommunalen Finanzausgleich mehr Geld geben und den ÖPNV sowie die Krankenhäuser stützen. Der Nachtragshaushalt über 2,1 Milliarden ist mit Schulden finanziert. Die Tilgung soll 30 Jahre dauern und 2025 beginnen.
Die Stadt selbst hat derzeit rund eine Milliarde Schulden (am 31. Dezember 2019 waren es genau 1 050 845 356 Euro). Die Pro-Kopf-Verschuldung der 179 964 Einwohner (Stand Ende 2019) lag damit bei 5839 Euro pro Nase – egal ob Baby oder Greis.
Und so seltsam es klingen mag: Das ist schon ein Schritt nach vorn. Denn 2019 war Saarbrücken noch die Stadt mit der dritthöchsten Pro-Kopf-Verschuldung der Republik (8806 Euro).
Und Thomas Blug versichert: „Durch den Saarlandpakt und den damit verbundenen Rückgang der Liquiditätskredite von rund 370 Millionen Euro ist in den Folgejahren mit einem weiteren Rückgang der Pro-Kopf-Verschuldung zu rechnen.“Allerdings gilt auch hier der Corona-Vorbehalt.