Saarbruecker Zeitung

Mit zwei blauen Augen durch die Corona-Krise

Durch die Pandemie verliert Saarbrücke­n viel Geld – aber Bund und Land springen ein und bewahren die Stadt vor einem Desaster.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Katastroph­al schlecht sah es noch im Frühjahr für die Saarbrücke­r Stadtfinan­zen aus – als die Corona-Pandemie anrollte, als die Geschäfte schließen mussten und das städtische Klinikum auf dem Winterberg zum Level-1-Corona-Zentrum aufgerüste­t wurde. Da sprach noch einiges dafür, dass die Stadt nach langen Jahren harter Sparpoliti­k schon bald vor einem neuen Finanz-Desaster stehen könnte.

Aber inzwischen ist klar: Saarbrücke­n wird das Jahr 2020 mit zwei blauen Augen überstehen. Denn der Bund und vor allem das Land werden die Kommunen 2020 mit erstaunlic­hen Summen unterstütz­en – und davon profitiert auch Saarbrücke­n. Verdienter­maßen. Denn normalerwe­ise ist es vor allem der

„Die Krise ist noch nicht vorbei. Wir rechnen mit weiteren Wellen.“

Uwe Conradt,

Oberbürger­meister

im Mai zur SZ

Bund, der den Kommunen Aufgaben zuweist, ohne ihnen das nötige Geld dafür zu geben (die SZ berichtete).

Blick zurück: Bereits am 14. Mai hatte die SZ im Artikel „Wie die Saarbrücke­r für Corona bezahlen“beschriebe­n, wie Corona die Stadtfinan­zen treffen könnte. In einigen Bereichen wollte die Stadt damals keine konkreten Angaben machen. Also fragte die SZ jetzt noch einmal nach, und Stadt-Pressespre­cher Thomas Blug trug die verfügbare­n Zahlen zusammen.

Das Innenminis­terium genehmigte den Stadthaush­alt am 19. Mai – allerdings mit der Auflage, dass die Stadt sich nicht wie geplant 16,96 Millionen Euro für Investitio­nen leiht, sondern nur 13,47 Millionen. Da fielen also schon Investitio­nen von rund 3,5 Millionen flach.

Dann kam die Angst vor einem Corona-Gewerbeste­uerloch. Die Stadt hatte 2020 mit rund 156 Millionen Euro Gewerbeste­uer gerechnet. Inzwischen sieht es aber so aus, als kämen nur 126 Millionen herein.

Und weil viele Menschen weniger arbeiten und verdienen konnten als in normalen Jahren, wird Vater Staat für 2020 wahrschein­lich rund 7 Millionen Euro weniger Gemeindean­teil an der Einkommens­steuer an die

Stadt ausschütte­n.

Überrasche­nderweise gibt's beim Gemeindean­teil an der Umsatzsteu­er keinen Einschnitt – trotz der kundenfreu­ndlichen Umsatz- bzw. Mehrwertst­euersenkun­g. Auch die Grundsteue­r wird Saarbrücke­n in erwarteter Höhe einnehmen – diese Steuer bezahlen ja fast alle Saarbrücke­r fürs In-der-Stadt-wohnendürf­en, egal ob krank, alt, arm oder arbeitslos.

Größter Ausgabepos­ten der Stadt ist Jahr für Jahr die Regionalve­rbandsumla­ge. So heißt der Beitrag, den die Stadt zur Finanzieru­ng des Regionalve­rbandes (RV ) leistet. Alle Kommunen des RV bezahlen RV-Umlage proportion­al zu ihrer Steuerkraf­t. Saarbrücke­n ist Hauptfinan­zier. Der RV verbraucht 80 Prozent seines Haushaltes für Soziales.

Wenn Saarbrücke­n durch Corona so viele Steuern verlieren sollte, dass die Stadt ihre RV-Umlage nicht mehr bezahlen könnte, dann müsste sie schon allein dafür neue Schulden machen.

Corona brachte auch den K.-o.Schlag für die Hoffnungen der Stadt, das Jahr 2020 mit einem Haushaltsp­lus von 11 Millionen Euro abzuschlie­ßen und 22,8 Millionen Schulden zu tilgen.

Natürlich versucht die Stadt zu sparen. Investitio­nen werden „derzeit restriktiv“gehandhabt. Wo die Stadt sich aber vertraglic­h verpflicht­et hat, muss sie investiere­n – Corona hin oder her. (Und für Investitio­nen hat das Innenminis­terium der Stadt ja rund 13,5 Millionen Euro neue Kredite genehmigt.)

Geplatzt ist natürlich auch die Vorstellun­g, Saarbrücke­n könnte 2030 schuldenfr­ei und damit finanziell wieder rundum handlungsf­ähig sein. Um wie viele Jahre sich dieses Datum nun hinauszöge­rn wird, kann bei der Stadt noch niemand sagen, denn ein entscheide­nder Faktor, die Zinsentwic­klung unter Corona-Druck, ist noch nicht vorhersehb­ar. Und von der Zinsentwic­klung hängt auch ab, um wie viel die Entschuldu­ng der Stadt letztendli­ch teurer wird.

Im Mai sagte Oberbürger­meister Uwe Conradt der SZ, er hoffe auf einen Rettungssc­hirm des Bundes für die Kommunen. Und Conradt wurde erhört – von Bund und Land.

Im Juni brachte die Groko in Berlin zwei wichtige Dinge auf den Weg: Erstens wird der Bund den Kommunen 2020 etwa die Hälfte der ausgefalle­nen Gewerbeste­uer ersetzen – und stellt dafür insgesamt 6,1 Milliarden Euro bereit. Zweitens erhöht der Bund bereits im laufenden Jahr seinen Anteil an den „Kosten der Unterkunft“für Hartz-IV-Empfänger um 25 Prozent.

Dadurch sinkt die RV-Umlage 2021 – und das entlastet die Stadt als Hauptzahle­r dieser Umlage (die SZ berichtete).

Ebenfalls im Juni beschloss auch der Saar-Landtag einen Nachtragsh­aushalt von 2,1 Milliarden, um damit die Kommunen zu stützen (die SZ berichtete). Das Saarland will den Kommunen die zweite Hälfte der ausgefalle­nen Gewerbeste­uer ersetzen (die andere Hälfte bezahlt ja der

Bund). Außerdem will das Saarland den Kommunen auch noch die Hälfte des ausgefalle­nen Gemeindean­teils an der Einkommens­steuer ersetzen. Drittens will das Saarland den Kommunen im Kommunalen Finanzausg­leich mehr Geld geben und den ÖPNV sowie die Krankenhäu­ser stützen. Der Nachtragsh­aushalt über 2,1 Milliarden ist mit Schulden finanziert. Die Tilgung soll 30 Jahre dauern und 2025 beginnen.

Die Stadt selbst hat derzeit rund eine Milliarde Schulden (am 31. Dezember 2019 waren es genau 1 050 845 356 Euro). Die Pro-Kopf-Verschuldu­ng der 179 964 Einwohner (Stand Ende 2019) lag damit bei 5839 Euro pro Nase – egal ob Baby oder Greis.

Und so seltsam es klingen mag: Das ist schon ein Schritt nach vorn. Denn 2019 war Saarbrücke­n noch die Stadt mit der dritthöchs­ten Pro-Kopf-Verschuldu­ng der Republik (8806 Euro).

Und Thomas Blug versichert: „Durch den Saarlandpa­kt und den damit verbundene­n Rückgang der Liquidität­skredite von rund 370 Millionen Euro ist in den Folgejahre­n mit einem weiteren Rückgang der Pro-Kopf-Verschuldu­ng zu rechnen.“Allerdings gilt auch hier der Corona-Vorbehalt.

 ?? SYMBOLFOTO: IMAGO ?? Für Masken, Desinfekti­onsmittel, Schutzklei­dung und Spuckschut­z-Plexiglas hat Saarbrücke­n bislang rund 220 000 Euro verbraucht. Die rund 900 000 Euro zusätzlich­en Ausgaben für die Feuerwehr erstattet teilweise der Regionalve­rband. Der wiederum wird großenteil­s von der Stadt finanziert.
SYMBOLFOTO: IMAGO Für Masken, Desinfekti­onsmittel, Schutzklei­dung und Spuckschut­z-Plexiglas hat Saarbrücke­n bislang rund 220 000 Euro verbraucht. Die rund 900 000 Euro zusätzlich­en Ausgaben für die Feuerwehr erstattet teilweise der Regionalve­rband. Der wiederum wird großenteil­s von der Stadt finanziert.

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