Saarbruecker Zeitung

„Es ist keine Arbeit, es ist Leidenscha­ft“

Der jüngere Bruder kickt in der Regionalli­ga beim FK Pirmasens, der Vater ist Präsident des Verbandes, dessen Landestrai­ner er ist: Micha Zimmer stammt aus einer sportbegei­sterten Familie – und ist absolut sportverrü­ckt.

- VON PATRIC CORDIER

Er kam zwar „nur“von einem Bezirkslig­isten, dennnoch ist Micha Zimmer ein richtig namhafter Neuzugang beim Handball-Saarlandli­gisten HSG TVA/ ATSV Saarbrücke­n. Der 29-Jährige ist im Hauptberuf saarländis­cher Landestrai­ner im Triathlon. „Ich würde fast die Sportschul­e als meine Heimat bezeichnen, denn ich habe elf Jahre dort im Internat gelebt und bin erst im vergangene­n Sommer mit meiner Freundin in die Stadt gezogen“, erzählt Zimmer, der aus Merzig stammt und von der zweiten Mannschaft der HSV Merzig/Hilbringen zur HSG TVA/ATSV Saarbrücke­n gewechselt ist. Er erklärt: „Am Ende war mir die Pendelei mit dem Zug einfach zu zeitaufwän­dig. Ich wollte eigentlich zu einem Verein, bei dem man mit Harz in der Halle spielen darf, aber weil ich bei der HSG TVA/ATSV unter anderem Jan Peter Hoffmann oder Lucien Haßdenteuf­el kannte, ist die Entscheidu­ng so gefallen. Und ich bereue keine Sekunde.“Hoffmann ist Spieler, der ehemalige Spitzensch­wimmer Haßdenteuf­el unterstütz­t die HSG als Athletiktr­ainer.

Die Entscheidu­ng, nach der aktiven Triathlon-Karriere zum Handball zurückzuke­hren, lag nahe. Zimmer kommt ohnehin als mittleres von fünf Kindern aus einer sportbegei­sterten Familie. „Mein Vater Bernd ist langjährig­er Präsident des Triathlon-Verbandes und war erfolgreic­her Handball-Trainer.

Mein jüngerer Bruder Moritz spielt jetzt beim FK Pirmasens in der Regionalli­ga Fußball.“Und er schiebt nach: „Wichtig bei uns war, dass wir Sport treiben. Was, das war eigentlich egal – nur Schwimmen lernen war Pflicht.“

Das Schwimmen klappte gut. Laufen ebenso. Radfahren war auch kein Problem – also hieß es für den jungen Micha Zimmer statt Handball erst mal Triathlon. „Triathlon war kein Hobby, es war quasi Beruf, stand ganz oben in der Prioritäte­nliste“, sagt der 29-Jährige, der als eines der größten Triathlon-Talente seines Jahrganges galt, vor sechs Jahren dann aber dem Spitzenspo­rt den Rücken gekehrt hat. „Man muss im Leistungsp­ort sehr viel opfern. Geldverdie­nen ist beim Triathlon aber schwierig, wenn man nicht in die Sphären der Weltelite kommt.

Das nagt dann irgendwann physisch und psychisch.“

Zimmer studierte Sport und zunächst Mathematik, wechselte dann in Philosophi­e fürs Lehramt an Gymnasien. Er hatte dann die Möglichkei­t, ein Referendar­iat zu beginnen, entschied sich aber dafür, als Triathlon-Landestrai­ner zu arbeiten. Eine Position, die er seit Dezember 2019 innehat. „Ich lebe 24 Stunden am Tag Triathlon. Ich betreue aktuell 18 Sportlerin­nen und Sportler im Alter von 13 bis 19 Jahren im Nachwuchsb­ereich sowie Ian Manthey im Eliteberei­ch“, erzählt Zimmer, von dessen Büro an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n man einen perfekten Blick in die Schwimmhal­le hat. An der Bürowand hängen Trikots der Ironmansie­ger Anne Haug und Jan Frodeno vom LAZ Saarbrücke­n.

„Jeder Athlet hat individuel­le Trainingsp­läne, die Vereinstra­ining und Schule immer berücksich­tigen. Es ist mein Anspruch, auf jeden einzelnen konkret einzugehen. Das ist, selbst wenn kein Corona ist, nicht in einer 40-Stunden-Woche zu schaffen. Aber es ist keine Arbeit, es ist Leidenscha­ft“, erzählt Zimmer.

Die Corona-Pandemie erfordert Kreativitä­t – im Triathlon wie in allen anderen Sportarten. Dabei geht es auch vor allem darum, den Nachwuchs bei der Stange zu halten. „Ich will, dass die Sportler motiviert bleiben und keiner auf die Idee kommt aufzuhören. Ich versuche den Spaß an der Sache im Auge zu behalten“, sagt Zimmer ernst: „Ich sehe eine große Gefahr für den Sport allgemein. Schule erfordert in Zeiten des Homeschool­ings deutlich mehr Zeit, die dann gerade in den Wintermona­ten zum Sporttreib­en fehlt.“Und der Landestrai­ner ergänzt: „Ich plane so, als würde die Saison im nächsten Jahr stattfinde­n, denn ein weiteres Jahr ohne Ziele wird für viele Athleten schwierig.“

Der Handball ist bis 10. Januar auf Eis gelegt, Mannschaft­straining zumindest im November verboten. Triathlete­n geht es als Individual­sportlern ein wenig besser. „Wir dürfen in dieser schwierige­n Situation als Trainer den Kopf nicht in den Sand stecken“, sagt Zimmer: „Corona droht, die zurückgehe­nde Sportlichk­eit bei Kindern und Jugendlich­en noch zu verstärken. Wir müssen mit 100 Prozent Begeisteru­ng dagegen angehen.“

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ANDREAS SCHLICHTER ?? Triathlon-Landestrai­ner und Handball-Spieler in der Saarlandli­ga bei der HSG TVA/ATSV Saarbrücke­n: Der 29 Jahre alte Micha Zimmer lebt für den Sport.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Triathlon-Landestrai­ner und Handball-Spieler in der Saarlandli­ga bei der HSG TVA/ATSV Saarbrücke­n: Der 29 Jahre alte Micha Zimmer lebt für den Sport.

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