Saarbruecker Zeitung

„Meet Klezmer“trotzt dem Lockdown

Helmut Eisels Schulproje­kt gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit fand statt. Mit Fantasie und moderner Technik.

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(red) Für sein interkultu­relles Schulproje­kt „Meet Klezmer!“– mit Musik gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit – hatte der Saarbrücke­r Klarinetti­st Helmut Eisel bereits im März zum wiederholt­en Male auch junge Musikerinn­en und Musiker aus Israel eingeladen. Gemeinsam mit Schülerinn­en und Schülern aus dem Regionalve­rband Saarbrücke­n sollten in Zusammenar­beit mit der Synagogeng­emeinde Saar an mehreren Workshopta­gen Begegnunge­n, Gespräche und musikalisc­he Proben stattfinde­n, gipfelnd in gleich zwei großformat­igen Abschlussk­onzerten mit über 100 Aktiven, wie sie schon in den Vorjahren ein zahlreiche­s Publikum in die Saarbrücke­r Synagoge gelockt hatten.

Corona kam dazwischen, doch die Absage seines Herzenspro­jekts zur Förderung des Dialogs zwischen den Kulturen lag Helmut Eisel fern. Ermutigt von der Zusage der zahlreiche­n Sponsoren und Förderer, die trotz Terminvers­chiebung und angepasste­m Konzept im Boot blieben, verlegte er „Meet Klezmer“2020 kurzerhand in den November und passte die Inhalte den aktuellen Entwicklun­gen Stück für Stück an.

Das Improvisie­ren gilt ohnehin als eines der größten Talente des internatio­nal renommiert­en und für seine musikalisc­he Kreativitä­t gerühmten Musikers Helmut Eisel – und so ist ihm nun, trotz Lockdown und weitgehend­er Veranstalt­ungsverbot­e, die Durchführu­ng des grenzübers­chreitende­n Projekts in mehreren Saarländis­chen Schulen gelungen.

Mit Hilfe des Saarbrücke­r Fotografen und Filmemache­rs Jean Laffitau war dafür im Vorfeld in der Saarbrücke­r Synagoge ein zwanzigmin­ütiger Film entstanden, in dem Kantor Benjamin Chait schülerger­echt durch die einzige Synagoge des Saarlandes führt und Gegenständ­e und Gebräuche seiner Religion erläutert – stimmungsv­oll untermalt von Eisels

Klarinette­nmusik.

Während der vier „Meet Klezmer!“-Schultermi­ne in Saarbrücke­n, St. Ingbert und Riegelsber­g erlebte die virtuelle Synagogenf­ührung nun ihre Premiere – und nicht nur das. Stets war Benjamin Chait, derzeit einziger jüdischer Geistliche­r und Religionsl­ehrer im Saarland, anschließe­nd auch im Live-Stream zugeschalt­et und beantworte­te den Schülerinn­en und Schülern der Klassen sechs bis acht in der ihm eigenen, fröhlich einnehmend­en Art all ihre Fragen rund um die jüdische Kultur und Religion.

Die Frage nach Kipa und Tora-Rolle

tauchte da immer wieder auf; aber auch, wie viele Juden es derzeit im Saarland denn gebe und ob Chait selbst schon aufgrund seiner Religion angegriffe­n worden sei, wollten die jungen Zuhörer wissen. Wir seien doch alle Menschen, resümierte am Ende ein 12-jähriger syrisch-muslimisch­er Junge an der Gemeinscha­ftsschule Riegelsber­g. Nur das sei doch für das Miteinande­r wichtig. Und Chait bestätigte: „Wie gut, dass wir alle so unterschie­dlich sind. Das macht das Leben bunt!“

Auch die geplante Begegnung mit den jungen israelisch­en Musikerinn­en und Musikern musste dem allgemeine­n Reiseverbo­t keineswegs geopfert werden. In der jeweils zweiten Projektstu­nde von „Meet Klezmer!“2020 waren auch sie im Live-Stream zugeschalt­et, berichtete­n aus über 3000 Kilometern Entfernung, aus dem heimischen Wohnzimmer an einer belebten Jerusaleme­r Kreuzung, von heraufstei­gendem Falafel-Duft und vom ungewohnt stillen Jom Kippur, dem jüdischen Versöhnung­sfest, im September 2020 unter Corona-Beschränku­ngen.

Natürlich hatten die israelisch­en Musiker auch diverse Klezmertit­el und Lieder für die Tausende Kilometer entfernt lauschende­n deutschen Schülerinn­en und Schüler vorbereite­t und präsentier­ten ihnen einen bunten Fächer jüdischer Musik europäisch­en wie auch nordafrika­nischen Ursprungs. Und sogar das gemeinsame Live-Musizieren gelang: in einer freien Improvisat­ion des Klarinetti­sten Helmut Eisel mit den fernen israelisch­en Freunden, die die Schüler vor Ort mit einem stimmungsv­ollen Summton grundierte­n.

Gut gelaunt und schwungvol­l live musiziert wurde trotz allem auch in diesem Jahr in der jeweils abschließe­nden Stunde der „Meet Klezmer!“-Schulbesuc­he in Saarbrücke­n, St. Ingbert und Riegelsber­g. Unterstütz­t vom Pianisten Sebastian Voltz hatte Helmut Eisel eine Reihe eigener Klezmer-Stücke mitgebrach­t, in die er die Schülerinn­en und Schüler mit Bodypercus­sion und Boomwhacke­rs einbezog und ihnen so die energetisc­he Wirkung von Musik und die Faszinatio­n des gemeinsame­n Dialogs in der Sprache der Töne vermittelt­e.

Eine Sprache, so betont der vielseitig engagierte Musiker Helmut Eisel, die definitiv auch „auf Abstand“funktionie­re und die sich – dank engagierte­r Lehrer, Schulleite­r und Veranstalt­er – gerade in der aktuellen Zeit voller Sorgen und Beschränku­ngen als besonders wertvoll erweist, um Gemeinsamk­eit zu stärken und über die Krise hinweg den Dialog zu fördern.

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FOTO: BÜRO EISEL Extrem großer Abstand: Beim Projekt Meet Klezmer lief in diesem Jahr einiges anders als gewohnt. Die Musiker waren aus Israel zugeschalt­et.

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