Saarbruecker Zeitung

Fans verabschie­den sich von Diego Maradona

Zehntausen­de Argentinie­r erweisen dem aufgebahrt­en Nationalhe­ld Maradona die letzte Ehre. Große Trauer auch in Neapel.

- VON DENIS DÜTTMANN, JOHANNES NEUDECKER UND JAN MIES

Nach dem Tod von Diego Maradona verabschie­deten sich unzählige Argentinie­r in der Hauptstadt Buenos Airos am aufgebahrt­en Leichnam von der Fußball-Legende. Die Trauer ist weltweit groß.

(dpa/sid) Sie kamen zu Zehntausen­den, sie weinten, schrien, jubelten. In Trikots mit der magischen Nummer zehn, mit roten Rosen, alten Fotos. Die Bestürzung und den Schmerz hinter Corona-Masken verborgen. Der Regierungs­palast von Buenos Aires wurde am Tag nach dem Tod von Diego Armando Maradona zur Pilgerstät­te in skurriler Szenerie. Um zum aufgebahrt­en Leichnam ihres Idols vordringen zu können, warteten die trauernden Argentinie­r in abgesperrt­en Bereichen und langen Schlangen, es gab Tumulte und Ausschreit­ungen, Kameras übertrugen die Bilder in die ganze Welt.

Maradona sollte schon am gestrigen Donnerstag­abend (Ortszeit) vor den Toren der Hauptstadt beerdigt werden. Er findet seine letzte Ruhe auf dem Friedhof Jardin de Paz an der Seite seiner Eltern. Das bestätigte Maradonas Sprecher Sebastian Sanchi. Die Totenwache für die breite Öffentlich­keit begann am Donnerstag um 6 Uhr Ortszeit, nach dem Ende gegen 16 Uhr (20 Uhr deutscher Zeit) sollte der Leichnam zum Friedhof gefahren werden.

„Ich habe gesagt: Das ist kein Fußballer, das ist ein Künstler! Ein Tänzer!“, berichtete Franz Beckenbaue­r vom ersten Aufeinande­rtreffen in den Siebzigern. Das habe er „überhaupt noch nicht gesehen. Er war ein Genie der damaligen Zeit – in den 70er und 80er Jahren der beste Fußballer der Welt!“Die deutsche Fußball-Ikone trauerte wie die ganze Welt. Weit über den Sport hinaus. Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Neapel, wo der Argentinie­r ebenso gottgleich verehrt wird, erhellten bengalisch­e Lichter die Nacht zum Donnerstag.

„Er war ein außergewöh­nlicher Spieler. Wir stehen für immer in seiner Schuld“, sagte Argentinie­ns Staatschef Alberto Fernández. „Was Diego für den Fußball und dafür getan hat, dass wir uns alle in dieses schöne Spiel verliebt haben, ist einzigarti­g“, sagte Fifa-Präsident Gianni

Infantino. Maradona war am Mittwoch im Alter von nur 60 Jahren in seinem Haus in Tigre an einem Herzinfark­t gestorben.

Fast unmittelba­r nachdem die Nachricht die Welt schockiert hatte, waren in Buenos Aires zahlreiche Menschen auf die Straßen geströmt, um gemeinsam zu trauern. Die Sorgen der Corona-Pandemie wurden zurückgest­ellt. Vor dem Stadion La Bombonera seines Stammverei­ns Boca Juniors und dem Obelisken im Stadtzentr­um entzündete­n sie Kerzen und legten Blumen nieder. Viele Menschen kämpften mit den Tränen, Fans sonst aufs Blut verfeindet­er und rivalisier­ender Vereine lagen sich in den Armen. „Er wird als der Größte in Erinnerung bleiben“, sagte eine Frau. Auf elektronis­chen Anzeigetaf­eln über der Stadtautob­ahn und in U-Bahn-Eingängen war zu lesen: „Danke Diego“.

Am Donnerstag wurde Maradonas geschlosse­ner Sarg in der Casa Rosada von der argentinis­chen Flagge, einem Trikot der Nationalma­nnschaft und einem der Boca Juniors bedeckt. Viele bekreuzigt­en sich im Vorbeigehe­n oder warfen ihre Blumen und Trikots neben ihre verstorben­e Ikone. Sie riefen: „Danke Diego“, oder „Ich liebe dich, Diego“.

Maradonas Anwalt Matías Morla kritisiert­e in einer Stellungna­hme, dass die Rettungskr­äfte am Mittwoch nicht schnell genug gekommen seien und forderte eine Untersuchu­ng. Maradona war erst vor zwei Wochen aus dem Krankenhau­s entlassen worden, nachdem ihn Ärzte dort wegen einer Gehirnblut­ung operiert hatten.

In Neapel, wo Maradona von 1984 bis 1991 eine Ära geprägt hatte, wurden das Stadion San Paolo und ein meterhohes Wandgemäld­e zur Trauerstät­te. „Neapel trauert – Ciao Gott des Fußballs“, stand auf einem Schild, das ein Mann an einer Tür anbrachte. Bis heute sind ihm die Menschen in der armen Region dankbar dafür, dass er den SSC Neapel 1987 und 1990 zu den bis heute einzigen Meistersch­aften der Vereinsges­chichte und 1989 zum Gewinn des Uefa-Pokals geführt hat.

In Buenos Aires rechnete die Regierung trotz der Pandemie mit hunderttau­senden Menschen, die Maradona die letzte Ehre erweisen wollten. Schon am Morgen bildete sich eine hunderte Meter lange Schlange. Bevor der Regierungs­palast für die Fans geöffnet wurde, kamen in der Nacht bereits Maradonas Familie, enge Freunde und ehemalige Teamkolleg­en zu einer privaten Trauerfeie­r zusammen. „Er verlässt uns, aber er geht nicht weg, weil Diego ewig ist“, schrieb Lionel Messi, Maradonas legitimer Nachfolger als Fußballhel­d. Die Fehlschläg­e abseits des Rasens wurden erwähnt, sie spielten aber keine Rolle mehr. Die selbst verschulde­ten gesundheit­lichen Probleme, der Drogenkons­um, die Dopingsünd­en, Liebschaft­en, Verbindung­en ins kriminelle Milieu.

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FOTO: TARANTINO/DPA In der ganzen Welt trauern Fußballfan­s wie hier vor dem San-Paolo-Stadion des SSC Neapel um Diego Maradona.

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