Gnade für Flynn – und bald auch für Trump selbst?
Der US-Präsident erteilt seinem früheren Sicherheitsberater die Absolution. Opposition und Medien sprechen von Machtmissbrauch.
Für die Washington Post ist der Vorgang eine „Schande zum Abschied“. Und auch andere US-Medien sahen gestern die Begnadigung von Donald Trumps ehemaligem Sicherheitsberater Michael Flynn durch den Präsidenten nicht gerade wohlwollend. Denn schließlich hatte Flynn führende Beamte des FBI belogen, was seine Russland-Kontakte in der Übergangsphase zwischen den Obama- und Trump-Regierungen anging – und deshalb war ihm auch der Prozess gemacht worden. Nun sieht sich Trump des Vorwurfs des Machtmissbrauchs ausgesetzt. „Es ist mir eine große Ehre, bekannt zu geben, dass General Michael T. Flynn eine vollständige Begnadigung erhalten hat“, hatte Trump am Mittwoch auf Twitter verkündet. Flynn hatte 2017 nur gerade drei Wochen als Nationaler Sicherheitsberater gedient. Warum er damals Vizepräsident Mike Pence und dann auch das FBI zu seinen Kontakten zu einem russischen Diplomaten belogen hatte, ist bis heute ein Mysterium.
Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt am 20. Januar 2021 könnte Trump noch weitere Personen begnadigen. Auch frühere Präsidenten haben von diesem uneingeschränkten Recht eifrig Gebrauch gemacht, oft sogar erst am Morgen ihres letzten Arbeitstages im Weißen Haus. Bei den US-Demokraten stieß der Schritt Trumps erwartungsgemäß auf heftige Kritik. „Flynns Taten haben eine ernsthafte und gefährliche Verletzung unserer nationalen Sicherheit dargestellt,“empörte sich beispielsweise Nancy Pelosi, die erneut als Sprecherin des Repräsentantenhauses fungieren wird. Dass Flynn die Sicherheit des Landes verletzt habe, war ihm allerdings nie nachgewiesen oder strafrechtlich vorgeworfen worden. Kontakte einer neugewählten Regierung ins Ausland sind in den USA kein Verbrechen, wenn es darum geht, die künftige Zusammenarbeit zu besprechen. Zum Verhängnis wurde Flynn lediglich sein Versuch, diese Kontakte geheim zu halten. Unabhängige Beobachter vermuten, dass der Ex-Sicherheitsberater offenbar das Gefühl hatte, Trump mit seiner Lüge vor politischen Anfeindungen schützen zu müssen.
US-Präsident Trump hat im Zusammenhang mit den Russland-Ermittlungen stets von einer „Hexenjagd“der Opposition gesprochen. Die Begnadigung von Flynn kam deshalb nicht überraschend. Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany stellte Flynn am Mittwoch sogar als Opfer einer Intrige der Demokraten dar. Er sollte keine Begnadigung benötigen, weil er ein unschuldiger Mann sei, so McEnany. „Er ist zum Opfer parteiischer Regierungsbeamter
geworden, die versucht haben, die Wahlen von 2016 zu untergraben“, so die Sprecherin. Die Obama-Regierung habe versucht, eine friedliche Machtübergabe an den Nachfolger zu hintertreiben. In der Tat gab es vor allem innerhalb der mit den Demokraten sympathisierenden FBI-Führung durch interne Emails belegte Versuche, den Wahlsieger in ein schlechtes Licht zu rücken, die Russland-Untersuchung anzuschieben und Flynn bei einem Treffen zur Unwahrheit zu verleiten. Aus diesem Grund hatte auch Trumps Justizminister William Barr im Mai diesen Jahres in einem spektakulären Schritt ein Ende des Verfahrens gegen Flynn gefordert, der sich auf Druck der Ermittler für schuldig bekannt hatte und deshalb auf eine milde Strafe hoffte. Damals hieß es: Man sei nicht überzeugt, dass die Anhörung Flynns 2017 auf einer legitimen Ermittlungsbasis erfolgt sei. Das zuständige Bundesgericht hatte allerdings diesen Vorstoss abgelehnt.
Trump hatte in diesem Jahr bereits seinen langjährigen engen Freund Roger Stone, der unter anderem den Kongress belogen haben soll, vor einer Haftstrafe von über drei Jahren bewahrt und ihm die Strafe kurz vor dem Gefängnistermin erlassen. Heftig spekuliert wird nun in Washington, wie Trump sein Begnadigungsrecht weiter ausüben wird. Da unter anderem die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates New York wegen möglicher Steuervergehen und Finanz-Unregelmäßigkeiten gegen Trump-Unternehmen ermittelt, könnten unter anderem auch Mitglieder der Präsidentenfamilie sowie Trump selbst nach dem Ausscheiden aus dem Amt angeklagt werden. Trump könnte deshalb vorsorglich beispielsweise seine Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner sowie sich selbst begnadigen. Allerdings hätte eine solche Begnadigung nur Wirkung für Anklagen der staatlichen US-Justizbehörde und nicht einzelner Bundesstaaten wie etwa New York. Justizexperten sehen eine Selbstbegnadigung Trumps – was zuvor noch kein Präsident gewagt hat – zudem als verfassungsrechtlich extrem fragwürdig an. Das letzte Wort könnte bei einer solchen Aktion der oberste Gerichtshof haben.