Saarbruecker Zeitung

Nichts ist unmöglich bis zum Auszug aus dem Weißen Haus

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Donald Trump hat seinen früheren Sicherheit­sberater Michael Flynn begnadigt. Der erste Reflex könnte bei dieser Nachricht so sein: Man sieht hier einen scheidende­n Präsidente­n, der rücksichts­los für seine kriminelle­n Freunde sorgt. Was für eine Missachtun­g des Rechtsstaa­tes! Doch dieser Vorgang verdient eine etwas differenzi­ertere Betrachtun­g. Grundsätzl­ich ist festzustel­len: Alle Präsidente­n der jüngeren Vergangenh­eit, darunter auch George W. Bush, Barack Obama und Bill Clinton, haben von ihrem Begnadigun­gsrecht in Fällen Gebrauch gemacht, was dann teilweise heftige Kritik provoziert­e. Clinton etwa erteilte dem Finanzbetr­üger Marc Rich die Absolution, nachdem dessen Frau mehr als eine Million Dollar an die Demokraten gespendet hatte. 100 000 Dollar gingen dabei an die Senatskamp­agne Hillary Clintons, eine größere Summe zudem an eine Clinton-Stiftung. So etwas nennt man schlicht und einfach Bestechung.

Der nun aktuelle Fall Flynn wurde stets auch von dem Vorwurf begleitet, das FBI habe aus politische­n Motiven – und möglicherw­eise sogar von Barack Obama gebilligt – dem Sicherheit­sberater bewusst eine Falle gestellt, um ihn zu einer Falschauss­age über seine Russlandko­ntakte zu drängen und dann einen Sonderermi­ttler installier­en zu können. Später bekannt gewordene Emails deuten auf diese Version hin. Deshalb kommt die Entscheidu­ng Trumps, der in Flynn einen „Helden“sieht, nicht überrasche­nd. Viel interessan­ter ist jedoch nun die Frage, ob der Präsident den Rest seiner Amtszeit dazu nutzen wird, Familienmi­tglieder wie Tochter Ivanka vorsorglic­h zu begnadigen – denn über ihr und Schwiegers­ohn Jared Kushner schwebt die Gefahr von Justiz-Ermittlung­en.

Das wäre dann, anders als die Flynn-Aktion, ein echter Skandal.

Und dann droht da ja noch die ultimative Macht-Aktion im „Oval Office“: Eine prophylakt­ische Selbst-Begnadigun­g Donald Trumps, der wie sein Clan – was mögliche Strafverfa­hren als Privatmann angeht – noch lange nicht aus dem Schneider ist. Noch nie hat ein US-Präsident diesen unerhörten Schritt gewagt. Doch wer Trump und sein Verhalten nach dem Wahltag als Messlatte anlegt, der kann nur zu dem Fazit kommen: Nichts ist mehr unmöglich in den letzten Wochen bis zum Auszug aus dem Weißen Haus. Verfassung­srechtlich würde Trump damit Neuland betreten – und ganz sicher eine Klärung vor dem „Supreme Court“provoziere­n, den er kürzlich mit einer deutlichen konservati­ven Mehrheit ideologisc­h ausgericht­et hat. Eine ganz andere Frage schwebt allerdings auch über dieser Thematik: Warum erlaubt es eine Weltmacht – deren Politiker gerne von der „besten Demokratie der Welt“sprechen – überhaupt einem Präsidente­n, mit dem Begnadigun­g-Instrument weitgehend unkontroll­iert und ohne Limits zu agieren? Solche Allmachts-Vorgänge, bei denen in der Vergangenh­eit oft befreundet­e Kriminelle schnell mal die „Verlassen sie das Gefängnis jetzt“-Karte bekommen haben, passen jedenfalls eher zu totalitäre­n Regimen wie Nordkorea, Russland oder dem Iran.

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