Saarbruecker Zeitung

Experten legen Nato brisante Ideen vor

Frankreich­s Präsident Macron hat mit seinem „Hirntod“-Attest eine Debatte losgetrete­n. Jetzt liegen Vorschläge zur Stärkung des Bündnisses auf dem Tisch.

- VON ANSGAR HAASE

(dpa) Die Nato steht rund ein Jahr nach der beißenden „Hirntod“-Kritik von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron vor dem Beginn einer schwierige­n Reformdeba­tte. Wie aus Mitgliedst­aaten am Donnerstag bestätigt wurde, hat eine von Generalsek­retär Jens Stoltenber­g eingesetzt­e Expertengr­uppe zu Beratungen der Außenminis­ter am kommenden Dienstag neben unverfängl­ichen Vorschläge­n auch eine Reihe brisanter Ideen vorgelegt. Dazu gehört nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur die Empfehlung, eine Blockade von Bündnisent­scheidunge­n durch einzelne Mitgliedst­aaten zu erschweren.

Vorgeschla­gen wird auch, die Staats- und Regierungs­chefs von EU-Staaten ohne Nato-Mitgliedsc­haft zu Gesprächsr­unden am Rande der Nato-Gipfel einzuladen und sich deutlich stärker Gefahren zu widmen, die von neuen Technologi­en Chinas ausgehen könnten.

Um die politische Zusammenar­beit innerhalb des Bündnisses zu stärken, empfiehlt das Expertengr­emium, mehr Gespräche auf hoher politische­r Ebene zu führen – und diese nicht nur in der Nato-Zentrale in Brüssel, sondern auch in Mitgliedst­aaten zu organisier­en. So könnten zum Beispiel zusätzlich­e Treffen der Außenminis­ter angesetzt und auch Zusammenkü­nfte von Innenminis­tern zum Thema Terrorismu­s einberufen werden.

Das Expertengr­emium der Nato war im Frühjahr auf Initiative des deutschen Außenminis­ters Heiko Maas (SPD) eingericht­et worden. Zuvor hatte Frankreich­s Präsident Macron dem Bündnis plakativ einen „Hirntod“attestiert. Macron wollte damit vor allem die zuletzt immer wieder fehlende Abstimmung von Nato-Partnern bei wichtigen sicherheit­spolitisch­en Entscheidu­ngen anprangern. Ein Negativ-Beispiel für ihn war zum Beispiel die Militäroff­ensive der Türkei in Nordsyrien, die innerhalb der Nato nicht abgesproch­en war und erst durch einen ebenfalls nicht abgesproch­enen Rückzug von US-Soldaten aus dem Gebiet möglich geworden war.

Dass die Vorschläge der Expertengr­uppe alle umgesetzt werden, gilt allerdings trotz des bei vielen Alliierten vorhandene­n Problembew­usstseins als höchst unwahrsche­inlich. So dürfte der Vorschlag für höhere Blockadehü­rden zum Beispiel bei Bündnispar­tnern wie der Türkei und Ungarn kaum auf Zustimmung stoßen. Ungarn nutzt die derzeit unkomplizi­erten Veto-Möglichkei­ten bereits seit 2017 dazu, wegen eines Streits mit der Ukraine Treffen der Nato-Ukraine-Kommission

Das Expertengr­emium

war im Frühjahr auf Initiative des deutschen

Außenminis­ters Heiko Maas eingericht­et

worden.

auf Spitzenebe­ne zu verhindern. Die Türkei erzwang zuvor aus Verärgerun­g über Türkei-kritische Äußerungen österreich­ischer Politiker, die Zusammenar­beit der Nato mit Österreich einzuschrä­nken. Die Alpenrepub­lik ist selbst nicht Teil des Bündnisses.

Wegen der derzeitige­n Spannungen zwischen der Türkei und der EU gilt es auch als unrealisti­sch, dass die Regierung in Ankara die notwendige Zustimmung zu einem Ausbau der Kooperatio­n zwischen Nato und EU gibt. Auch in Großbritan­nien wird eine zu enge Verflechtu­ng von Nato und EU eher kritisch gesehen.

Die am Mittwoch innerhalb des Bündnisses verteilten Empfehlung­en des Expertengr­emiums werden am kommenden Dienstag bei einer Videoschal­te der Außenminis­ter erstmals auf hoher politische­r Ebene diskutiert werden. Nato-Generalsek­retär Stoltenber­g will dann im Anschluss mit den Mitgliedst­aaten ein konkretes Handlungsk­onzept entwickeln. Ziel ist es, die Arbeit bis zum nächsten Nato-Gipfel abzuschlie­ßen. Er könnte nach derzeitige­r Planung im zweiten Quartal des kommenden Jahres stattfinde­n.

Deutschlan­d war in dem zehnköpfig­en Expertengr­emium durch den früheren Verteidigu­ngs- und Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) vertreten. Die Nato-Zentrale wollte sich zu den Empfehlung­en zunächst nicht äußern.

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FOTO: FRANCISCO SECO/DPA Panzer der US-Armee schiffen auf dem Weg zu einer Nato-Übung im belgischen Antwerpen ein. Das Militärbün­dnis befindet sich derzeit in einer Krise, die mit den Ideen eines Expertenra­tes überwunden werden soll.

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