Schottland ist Vorreiter im Kampf gegen die „Perioden-Armut“
Im britischen Landesteil müssen die Verwaltungen öffentlicher Gebäude nun Tampons und Binden für Frauen kostenlos bereitstellen.
Immer wieder gingen sie pfeifend und mit Plakaten in der Hand auf die Straße und forderten auf roten Postern, die farblich an Blut erinnern sollten, das „Ende der Perioden-Armut“. Nun, nach einem vier Jahre andauernden Kampf, dürfen die Aktivistinnen ihren Erfolg feiern. Das schottische Parlament stimmte diese Woche für einen Gesetzentwurf, der die Regierung verpflichtet, Menstruationsprodukte kostenlos bereitzustellen.
In Schulen und Universitäten im nördlichen Landesteil Großbritanniens war dies bereits Alltag, jetzt sollen Tampons und Binden aber auch in allen öffentlichen Gebäuden verfügbar werden. Die Regionalregierung muss nun ein landesweites System organisieren, um sicherzustellen, dass jede Betroffene leichten Zugang zu den Artikeln erhält – und das auf eine diskrete Art und Weise. Damit ist Schottland sowohl im Königreich als auch weltweit Vorreiter bei dem Thema, das in den vergangenen Jahren zur Freude vieler Aktivistinnen zunehmend den Weg aus der Tabu-Ecke findet.
Es wird geschätzt, dass Frauen pro Monat rund 13 Pfund, knapp 15 Euro, für Hygieneartikel im Zusammenhang mit der monatlichen Blutung ausgeben. Die sogenannte Perioden-Armut wird seit Jahren auf der Insel diskutiert, weil sich zahlreiche Frauen und Mädchen, die sich die Produkte nicht leisten können, mit Alternativen wie alten Zeitungen, Stofflappen, Kissenbezügen oder Klopapier behelfen. Das wollte die 39 Jahre alte Labour-Politikerin Monica Lennon ändern. Die prekären Umstände könnten ihrer Meinung nach dazu führen, dass die Betroffenen bei der Arbeit fehlen, ihnen Teile der Ausbildung entgehen oder dass sie soziale Möglichkeiten verpassen.
Laut schottischer Regierung lebten zwischen 2014 und 2017 nach Abzug der Wohnungskosten 19 Prozent der Schotten in Armut. Lennon hat deshalb den Entwurf angestoßen – und durchgebracht. Sie sprach nach dem einstimmigen Votum von einem „richtungsweisenden Tag für Schottland“. Die Kosten werden auf 9,7 Millionen Pfund, umgerechnet knapp elf Millionen Euro, pro Jahr geschätzt. Von Beginn an wurde die Kampagne von Frauenorganisationen, Wohltätigkeitsverbänden und Gewerkschaften unterstützt. Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon zeigte sich „stolz darauf, für diese bahnbrechende Gesetzgebung“gestimmt zu haben. Die Vorsitzende der Scottish National Party bezeichnete die Entscheidung als „wichtige Maßnahme für Frauen und Mädchen“.
In England haben seit Januar per Gesetz alle Mädchen und jungen Frauen unter 19 Jahren, die sich noch in der Ausbildung befinden, das Recht auf kostenfreien Zugang zu Tampons und Binden. Weil Schulen und Gemeindehäuser wegen Corona monatelang geschlossen waren, berichten Wohltätigkeitsorganisationen von einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Hygieneartikeln von Seiten ärmerer Familien. In Deutschland war die Mehrwertsteuer auf Menstruationsartikel Anfang 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, was die Produkte zumindest günstiger machte.