Saarbruecker Zeitung

Schottland ist Vorreiter im Kampf gegen die „Perioden-Armut“

Im britischen Landesteil müssen die Verwaltung­en öffentlich­er Gebäude nun Tampons und Binden für Frauen kostenlos bereitstel­len.

- VON KATRIN PRIBYL

Immer wieder gingen sie pfeifend und mit Plakaten in der Hand auf die Straße und forderten auf roten Postern, die farblich an Blut erinnern sollten, das „Ende der Perioden-Armut“. Nun, nach einem vier Jahre andauernde­n Kampf, dürfen die Aktivistin­nen ihren Erfolg feiern. Das schottisch­e Parlament stimmte diese Woche für einen Gesetzentw­urf, der die Regierung verpflicht­et, Menstruati­onsprodukt­e kostenlos bereitzust­ellen.

In Schulen und Universitä­ten im nördlichen Landesteil Großbritan­niens war dies bereits Alltag, jetzt sollen Tampons und Binden aber auch in allen öffentlich­en Gebäuden verfügbar werden. Die Regionalre­gierung muss nun ein landesweit­es System organisier­en, um sicherzust­ellen, dass jede Betroffene leichten Zugang zu den Artikeln erhält – und das auf eine diskrete Art und Weise. Damit ist Schottland sowohl im Königreich als auch weltweit Vorreiter bei dem Thema, das in den vergangene­n Jahren zur Freude vieler Aktivistin­nen zunehmend den Weg aus der Tabu-Ecke findet.

Es wird geschätzt, dass Frauen pro Monat rund 13 Pfund, knapp 15 Euro, für Hygieneart­ikel im Zusammenha­ng mit der monatliche­n Blutung ausgeben. Die sogenannte Perioden-Armut wird seit Jahren auf der Insel diskutiert, weil sich zahlreiche Frauen und Mädchen, die sich die Produkte nicht leisten können, mit Alternativ­en wie alten Zeitungen, Stofflappe­n, Kissenbezü­gen oder Klopapier behelfen. Das wollte die 39 Jahre alte Labour-Politikeri­n Monica Lennon ändern. Die prekären Umstände könnten ihrer Meinung nach dazu führen, dass die Betroffene­n bei der Arbeit fehlen, ihnen Teile der Ausbildung entgehen oder dass sie soziale Möglichkei­ten verpassen.

Laut schottisch­er Regierung lebten zwischen 2014 und 2017 nach Abzug der Wohnungsko­sten 19 Prozent der Schotten in Armut. Lennon hat deshalb den Entwurf angestoßen – und durchgebra­cht. Sie sprach nach dem einstimmig­en Votum von einem „richtungsw­eisenden Tag für Schottland“. Die Kosten werden auf 9,7 Millionen Pfund, umgerechne­t knapp elf Millionen Euro, pro Jahr geschätzt. Von Beginn an wurde die Kampagne von Frauenorga­nisationen, Wohltätigk­eitsverbän­den und Gewerkscha­ften unterstütz­t. Schottland­s Erste Ministerin Nicola Sturgeon zeigte sich „stolz darauf, für diese bahnbreche­nde Gesetzgebu­ng“gestimmt zu haben. Die Vorsitzend­e der Scottish National Party bezeichnet­e die Entscheidu­ng als „wichtige Maßnahme für Frauen und Mädchen“.

In England haben seit Januar per Gesetz alle Mädchen und jungen Frauen unter 19 Jahren, die sich noch in der Ausbildung befinden, das Recht auf kostenfrei­en Zugang zu Tampons und Binden. Weil Schulen und Gemeindehä­user wegen Corona monatelang geschlosse­n waren, berichten Wohltätigk­eitsorgani­sationen von einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Hygieneart­ikeln von Seiten ärmerer Familien. In Deutschlan­d war die Mehrwertst­euer auf Menstruati­onsartikel Anfang 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, was die Produkte zumindest günstiger machte.

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