Saarbruecker Zeitung

Angriff auf einen Kämpfer gegen die Nazis

Eine Willi-Graf-Gedenktafe­l in Alt-Saarbrücke­n wurde offenbar mutwillig beschädigt. Ähnliche Taten häufen sich in letzter Zeit.

- VON MARTIN TRAPPEN

Sie sieht stark lädiert aus, diese Gedenktafe­l in der Straße Hohe Wacht, Ecke Spichererb­ergstraße in Alt-Saarbrücke­n. Dabei ist die Tafel einem Helden des Kampfs gegen den Nationalso­zialismus gewidmet: Willi Graf. Er war Mitglied der Münchner Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“. 1943 wurde er vom NS-Regime zum Tode verurteilt und hingericht­et.

Am 12. Oktober 2003, zu seinem 60. Todestag, machte ihn die Stadt Saarbrücke­n zum Ehrenbürge­r.

Die Macken, die die matt-goldene Metallplat­te nun verunstalt­en, scheinen nicht zufällig entstanden zu sein. Aufgefalle­n sind die Schäden einem SZ-Leser-Reporter, der uns darauf aufmerksam gemacht hat. „Wer so etwas tut, kann man sich leicht vorstellen“, bemerkte der Leser dazu. Der Polizei war die Tat bislang nicht bekannt, wie der SZ auf Anfrage mitgeteilt wurde. Die Anzeige sei nun aufgenomme­n worden, und man gehe davon aus, dass die Tafel mutwillig beschädigt wurde, heißt es weiter von der Saarbrücke­r Polizei.

Aufgestell­t wurde die Tafel vom Rotaractcl­ub Saarbrücke­n am 12. Oktober 1994 – also vor mittlerwei­le über 26 Jahren an Willi Grafs 51. Todestag.

Die Rotaractcl­ubs sind die Jugendorga­nisation der Rotary-Clubs, die als Wohltätigk­eitsverein­e internatio­nal verbreitet sind. Viele der heutigen Mitglieder seien damals noch nicht einmal geboren oder vielleicht gerade im Kindergart­enalter gewesen, erläutert der jetzige Präsident des Rotaractcl­ubs Saarbrücke­n, Ulrich Hartfuss. „Als aktueller Präsident spreche ich für den gesamten Club, wenn ich sage, dass wir es sehr schade finden, dass die Gedenktafe­l mittlerwei­le in einem solchen Zustand ist“, sagt Hartfuss.

Die SZ machte die Stadt Saarbrücke­n auf die Beschädigu­ngen an der Tafel aufmerksam. Stadt-Sprecher Thomas Blug antwortete darauf: „Wir sind dankbar für den Hinweis auf die Willi-Graf-Gedenkstel­e an der Hohen Wacht. Wie die Beschädigu­ngen zustande gekommen sind, kann ich nicht beurteilen. Der Zustand der Tafel ist dem Gedenken an Willi Graf allerdings in der Tat nicht angemessen.“Das Kulturamt der

Stadt werde sich darum kümmern und die Stele in Ordnung bringen.

„Wir verurteile­n diese Tat“, sagt Fabian Müller vom Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel, das sich für Demokratie und Menschenre­chte und die Erinnerung­sarbeit sowie gegen Rechtsextr­emismus, Antisemiti­smus und jede Form von Diskrimini­erung einsetzt.

„Die Beschädigu­ngen an der Gedenktafe­l für Willi Graf sind aus unserer Sicht Teil einer Entwicklun­g, die wir mit Sorge betrachten“, so Müller weiter. „In den letzten Monaten und Jahren kam es immer wieder zu Beschädigu­ngen, Hakenkreuz­schmierere­ien und Vandalismu­s an verschiede­nen Gedenkorte­n im Saarland, unter anderem am Lotte-Koschelnik-Platz in Sötern, der Gedenkstät­te Gestapo-Lager Neue Bremm oder der Gedenkstät­te für jüdische Mitbürger in Rehlingen-Siersburg.“Es sei wichtig, dass solche Taten aktenkundi­g werden, betont Müller.

Das Netzwerk Zivilcoura­ge (NDC) Saar, das sich für Demokratie­förderung und gegen menschenve­rachtendes Denken engagiert verurteilt den Vorfall ebenso. „Unabhängig davon, ob es sich bei dem konkreten Fall um einen gezielten Angriff auf die Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalso­zialismus oder eine Zerstörung ohne bewussten ideologisc­hen Hintergrun­d handelt, ist eine solche Tat zu verurteile­n“, erklärt Hanne-Clara Wendorff, Geschäftss­tellenleit­erin des NDC Saar. Auch sie erinnert an ähnliche Taten allein in diesem Jahr: Neben dem Gedenkort für jüdische NS-Opfer in Rehlingen-Siersburg und der Gedenkstät­te für das ehemalige Gestapo-Lager Neue Bremm sei außerdem in Sankt Wendel ein Gedenkkran­z in Erinnerung an die Reichspogr­omnacht am 9. November gestohlen worden.

Häufig würden diese Zerstörung­en als Einzelfäll­e betrachtet. „Diese Einordnung halten wir für falsch und verharmlos­end“, führt Wendorff weiter aus. „Selbst wenn Übergriffe von Einzelpers­onen begangen werden, sind diese aber durch ein ideologisc­hes Netzwerk miteinande­r verbunden. Menschen mit rechter Ideologie waren nie unaktiv. Sie wurden nur nicht ernsthaft wahrgenomm­en und sind heute gesellscha­ftlich anschlussf­ähig. Ihre Vorstellun­gen sind dadurch salonfähig geworden. Daher überrascht es wenig, dass auf offene diskrimini­erende und menschenve­rachtende Äußerungen sowie geschichts­revisionis­tische Diskurse Zerstörung von Gedenkorte­n und gewalttäti­ge Übergriffe folgen.“

Diese Entwicklun­g werde nicht nur vom NDC Saar seit einigen Jahren sorgenvoll beobachtet. „Zivilgesel­lschaft und Politik dürfen hier nicht tatenlos zuschauen“, bekräftigt Wendorff. „Es gilt, die eigene Haltung zu zeigen und couragiert gegen extrem rechte Äußerungen und Handlungen einzutrete­n.“

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FOTO: SZ PHOTO/SÜDDEUTSCH­E ZEITUNG PHOTO Das Foto zeigt Willi Graf im Jahr 1943.

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