Die Corona-Verluste der Saarbrücker Stadtwerke
Den Einnahmeausfall beim ÖPNV ersetzt das Land. Die Stadtwerke Netz GmbH und die Bäder müssen alleine zurechtkommen.
Die eierlegende Wollmilchsau unter den Beteiligungsgesellschaften der Stadt Saarbrücken sind die Stadtwerke (SWS). So gut wie jeder Saarbrücker hat jeden Tag mindestens einmal mit den SWS zu tun. Denn sie sorgen für Wasser, Strom und Gas, für die Fernwärmerohre, für Freibäder im Sommer, Hallenbäder im Winter – und das ganze Jahr für Saarbahnen und Busse. Die Bäder genau wie Bahnen und Busse sind besondere Sorgenkinder. Denn selbst ohne Corona schreiben Bäder, Bahnen und Busse immer tiefrote Zahlen.
„Das beendet vorerst die Erfolgsstory des Konzerns, der sechs Jahre in Folge trotz der Defizite im ÖPNV und
bei den Bädern satte Gewinne erzielte.“
Ulrike Reimann,
SWS-Pressesprecherin
Aber die SWS haben es bis heute tatsächlich geschafft all diese wirtschaftlichen Sorgenkinder mit durchzufüttern. Und noch mehr. Die SWS leisten sogar noch jedes Jahr einen Beitrag zum Haushalt der schwer verschuldeten Stadt. Denn sie bezahlen Konzessionsabgaben dafür, dass sie ihre Leitungen unter den Straßen und Bürgersteigen der Stadt verlegt haben.
Die SWS sind lebenswichtig für die Stadt und in vieler Hinsicht hautnah beim Bürger. Natürlich gingen die beiden Lockdowns und die Angst vor Corona den SWS heftig ans Geld.
Und als ob das nicht genug wäre, appellierten die Bundeskanzlerin sowie die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 16. November an die Bevölkerung, „auf nicht notwendige Fahrten mit öffentlichen Beförderungsmitteln“zu verzichten. Das ZDF berichtete am Sonntag, 22. November, in den Heute-Nachrichten um 19 Uhr sogar, dass „Wissenschaftler und Politiker die Bürger davor warnen, den ÖPNV zu nutzen“.
Die SZ wollte wissen, ob die Saarbrücker sich um ihre eierlegende Wollmilchsau, um ihren Daseinsvorsorge-Konzern sorgen müssen
– und bat die SWS um eine Corona-Bilanz. SWS-Sprecherin Ulrike Reimann trug die wichtigsten Zahlen zusammen.
Am schwersten hatten Saarbahn und Bus unter Corona zu leiden. Allein bis Ende August nahmen Bahn und Bus rund 2,8 Millionen Euro weniger ein als erwartet. – Diese „Mindereinnahmen“hat das Saarland den SWS bereits ersetzt.
Für den Rest des Jahres haben die SWS zum Ausgleich von „Mindereinnahmen“bei Bahn und Bus noch einmal 1,6 Millionen Euro beim Land beantragt. Hier gibt's aber durchaus noch Luft nach oben, wenn die SWS nach den neuesten Diskussionen (siehe ZDF) noch mehr Fahrgäste verlieren sollten. 2021 werden die SWS detailliert mit der Landesregierung abrechnen.
Das zweitwichtigste Corona-Opfer ist die SWS-Tochter Stadtwerke Netz, die mit Strom-, Gas-, Wasserund Fernwärmeleitungen Geld verdient. Ihr gingen bislang rund 1,8 Millionen Einnahmen durch die Lappen, weil Industrie und Gewerbe weniger arbeiteten und deshalb vor allem weniger Strom und Gas bezogen.
Ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen waren die Bäder. Im Frühjahr mussten die SWS die Hallenbadsaison wegen des Lockdowns früher beenden. Im Sommer durften die Freibäder erst im Juni und nur mit extremen Auflagen öffnen. Daher kamen während der Freibadsaison insgesamt nur 86 140 Besucher – normalerweise wären es dreimal so viele gewesen.
Und jetzt sind erneut die Hallenbäder vom Lockdown betroffen. Ergebnis: In der Bädersparte fehlen den SWS rund 530 000 Euro.
Neben dem Einnahmeausfall mussten die SWS eine ganze Reihe von zusätzlichen Kosten stemmen, die ihnen nicht vom Land ersetzt werden. Saarbahn und Bus gaben bislang rund 400 000 Euro für Hygienemaßnahmen aus – dazu gehören Desinfektionsmittel, Spuckschutz in Bussen und Bahnen sowie die technisch sehr aufwendige wöchentliche Aerosolreinigung von Saarbahnen und Bussen.
Außerdem kauften die SWS für rund 300 000 Euro Computer oder Laptops für ihre Mitarbeiter, die ins Home-Office gingen – dazu kamen Desinfektionsmittel und Spuckschutz für die SWS-Büros. In den Bädern waren für Reinigung, Desinfektion und zusätzliche Sicherheitsdienste rund 75 000 Euro fällig.
Insgesamt melden die SWS bislang rund 3,1 Millionen Euro „pandemiebedingte Verluste aus Mindereinnahmen und Mehrkosten“. Hätte das Land nicht schon die 2,8 Millionen aus dem ÖPNV übernommen, dann wären es 5,9 Millionen.
Corona ist allerdings nicht der einzige Faktor, der die SWS-Bilanz 2020 trübt. Auch einige neue gesetzliche Regelungen in der Energiewirtschaft reißen tiefe Löcher ins SWS-Ergebnis. Reimann resümiert: „Das beendet vorerst die Erfolgsstory des Konzerns, der sechs Jahre in Folge trotz der Defizite im ÖPNV und bei den Bädern satte Gewinne erzielte.“Während die SWS 2019 noch 1,7 Millionen Euro gutmachten, rechnen sie für 2020 nun mit einem Defizit von rund 12 Millionen Euro.
Für die Folgejahre soll es dann wieder aufwärtsgehen, es sei denn die coronabedingten „Mindererlöse“setzen sich in gleicher Höhe fort.
Auf SZ-Anfrage hatte die Stadt Saarbrücken bereits im Mai erklärt, es sei ihr nicht möglich, den SWS die Konzessionsabgabe für 2020 zu erlassen. Denn das wäre eine verbotene „verdeckte Gewinnausschüttung“zugunsten der SWS. Für den ÖPNV hoffte die Stadt bereits im Mai auf Hilfe von Bund und Land – die dann ja auch kam.