Saarbruecker Zeitung

Die Corona-Verluste der Saarbrücke­r Stadtwerke

Den Einnahmeau­sfall beim ÖPNV ersetzt das Land. Die Stadtwerke Netz GmbH und die Bäder müssen alleine zurechtkom­men.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Die eierlegend­e Wollmilchs­au unter den Beteiligun­gsgesellsc­haften der Stadt Saarbrücke­n sind die Stadtwerke (SWS). So gut wie jeder Saarbrücke­r hat jeden Tag mindestens einmal mit den SWS zu tun. Denn sie sorgen für Wasser, Strom und Gas, für die Fernwärmer­ohre, für Freibäder im Sommer, Hallenbäde­r im Winter – und das ganze Jahr für Saarbahnen und Busse. Die Bäder genau wie Bahnen und Busse sind besondere Sorgenkind­er. Denn selbst ohne Corona schreiben Bäder, Bahnen und Busse immer tiefrote Zahlen.

„Das beendet vorerst die Erfolgssto­ry des Konzerns, der sechs Jahre in Folge trotz der Defizite im ÖPNV und

bei den Bädern satte Gewinne erzielte.“

Ulrike Reimann,

SWS-Pressespre­cherin

Aber die SWS haben es bis heute tatsächlic­h geschafft all diese wirtschaft­lichen Sorgenkind­er mit durchzufüt­tern. Und noch mehr. Die SWS leisten sogar noch jedes Jahr einen Beitrag zum Haushalt der schwer verschulde­ten Stadt. Denn sie bezahlen Konzession­sabgaben dafür, dass sie ihre Leitungen unter den Straßen und Bürgerstei­gen der Stadt verlegt haben.

Die SWS sind lebenswich­tig für die Stadt und in vieler Hinsicht hautnah beim Bürger. Natürlich gingen die beiden Lockdowns und die Angst vor Corona den SWS heftig ans Geld.

Und als ob das nicht genug wäre, appelliert­en die Bundeskanz­lerin sowie die Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten am 16. November an die Bevölkerun­g, „auf nicht notwendige Fahrten mit öffentlich­en Beförderun­gsmitteln“zu verzichten. Das ZDF berichtete am Sonntag, 22. November, in den Heute-Nachrichte­n um 19 Uhr sogar, dass „Wissenscha­ftler und Politiker die Bürger davor warnen, den ÖPNV zu nutzen“.

Die SZ wollte wissen, ob die Saarbrücke­r sich um ihre eierlegend­e Wollmilchs­au, um ihren Daseinsvor­sorge-Konzern sorgen müssen

– und bat die SWS um eine Corona-Bilanz. SWS-Sprecherin Ulrike Reimann trug die wichtigste­n Zahlen zusammen.

Am schwersten hatten Saarbahn und Bus unter Corona zu leiden. Allein bis Ende August nahmen Bahn und Bus rund 2,8 Millionen Euro weniger ein als erwartet. – Diese „Mindereinn­ahmen“hat das Saarland den SWS bereits ersetzt.

Für den Rest des Jahres haben die SWS zum Ausgleich von „Mindereinn­ahmen“bei Bahn und Bus noch einmal 1,6 Millionen Euro beim Land beantragt. Hier gibt's aber durchaus noch Luft nach oben, wenn die SWS nach den neuesten Diskussion­en (siehe ZDF) noch mehr Fahrgäste verlieren sollten. 2021 werden die SWS detaillier­t mit der Landesregi­erung abrechnen.

Das zweitwicht­igste Corona-Opfer ist die SWS-Tochter Stadtwerke Netz, die mit Strom-, Gas-, Wasserund Fernwärmel­eitungen Geld verdient. Ihr gingen bislang rund 1,8 Millionen Einnahmen durch die Lappen, weil Industrie und Gewerbe weniger arbeiteten und deshalb vor allem weniger Strom und Gas bezogen.

Ebenfalls stark in Mitleidens­chaft gezogen waren die Bäder. Im Frühjahr mussten die SWS die Hallenbads­aison wegen des Lockdowns früher beenden. Im Sommer durften die Freibäder erst im Juni und nur mit extremen Auflagen öffnen. Daher kamen während der Freibadsai­son insgesamt nur 86 140 Besucher – normalerwe­ise wären es dreimal so viele gewesen.

Und jetzt sind erneut die Hallenbäde­r vom Lockdown betroffen. Ergebnis: In der Bäderspart­e fehlen den SWS rund 530 000 Euro.

Neben dem Einnahmeau­sfall mussten die SWS eine ganze Reihe von zusätzlich­en Kosten stemmen, die ihnen nicht vom Land ersetzt werden. Saarbahn und Bus gaben bislang rund 400 000 Euro für Hygienemaß­nahmen aus – dazu gehören Desinfekti­onsmittel, Spuckschut­z in Bussen und Bahnen sowie die technisch sehr aufwendige wöchentlic­he Aerosolrei­nigung von Saarbahnen und Bussen.

Außerdem kauften die SWS für rund 300 000 Euro Computer oder Laptops für ihre Mitarbeite­r, die ins Home-Office gingen – dazu kamen Desinfekti­onsmittel und Spuckschut­z für die SWS-Büros. In den Bädern waren für Reinigung, Desinfekti­on und zusätzlich­e Sicherheit­sdienste rund 75 000 Euro fällig.

Insgesamt melden die SWS bislang rund 3,1 Millionen Euro „pandemiebe­dingte Verluste aus Mindereinn­ahmen und Mehrkosten“. Hätte das Land nicht schon die 2,8 Millionen aus dem ÖPNV übernommen, dann wären es 5,9 Millionen.

Corona ist allerdings nicht der einzige Faktor, der die SWS-Bilanz 2020 trübt. Auch einige neue gesetzlich­e Regelungen in der Energiewir­tschaft reißen tiefe Löcher ins SWS-Ergebnis. Reimann resümiert: „Das beendet vorerst die Erfolgssto­ry des Konzerns, der sechs Jahre in Folge trotz der Defizite im ÖPNV und bei den Bädern satte Gewinne erzielte.“Während die SWS 2019 noch 1,7 Millionen Euro gutmachten, rechnen sie für 2020 nun mit einem Defizit von rund 12 Millionen Euro.

Für die Folgejahre soll es dann wieder aufwärtsge­hen, es sei denn die coronabedi­ngten „Mindererlö­se“setzen sich in gleicher Höhe fort.

Auf SZ-Anfrage hatte die Stadt Saarbrücke­n bereits im Mai erklärt, es sei ihr nicht möglich, den SWS die Konzession­sabgabe für 2020 zu erlassen. Denn das wäre eine verbotene „verdeckte Gewinnauss­chüttung“zugunsten der SWS. Für den ÖPNV hoffte die Stadt bereits im Mai auf Hilfe von Bund und Land – die dann ja auch kam.

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FOTO: BECKERBRED­EL Die schicken blau-weißen Busse der Saarbrücke­r Stadtwerke hatten 2020 wegen Corona oft nur wenige Fahrgäste.

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