Saar-Turnerin Schäfer beschuldigt Trainerin
Um die in die Schusslinie geratene Turntrainerin ist ein Meinungsstreit entbrannt. Pauline Schäfer erhebt schwere Vorwürfe.
Um eine in die Schusslinie geratene Turntrainerin aus Chemnitz ist ein Meinungsstreit entbrannt. Die saarländische Ex-Weltmeisterin Pauline Schäfer sprach von Psychoterror, die Olympia-Dritte Sophie Scheder von „normalen Differenzen“.
(sid) Psychoterror, normale Differenzen oder gar haltlose Vorwürfe? Um die Trainingsmethoden und Verhaltensweisen einer Kunstturn-Trainerin aus Chemnitz ist ein Meinungsstreit mit noch unabsehbaren Folgen entbrannt.
Die am Freitag von der ehemaligen Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer und fünf weiteren Athletinnen im Spiegel erhobenen schweren Anschuldigungen gegenüber der 60-Jährigen werden von unmittelbar Beteiligten mindestens relativiert. „Die Vorwürfe sind haltlos, und es stecken viele Verleumdungen drin. Ich bin sehr traurig darüber und hätte damit nicht gerechnet. Ich muss das alles erst einmal durcharbeiten“, sagte die Beschuldigte, die sich rechtliche Schritte vorbehält, dem MDR.
Nicht ganz so weit geht ihr Schützling Sophie Scheder. Die Olympia-Dritte von 2016 am Stufenbarren berichtete auf Facebook von „Momenten, bei denen ich mit meiner Trainerin nicht immer auf einen Nenner kam. Doch solche Differenzen gibt es in allen Lebensbereichen und sind meiner Meinung nach ganz normal. Jede Athletin nimmt das Gesagte anders wahr, und dass der Ton bei Trainern auch mal schärfer ist, sollte kein Vorwurf sein, sondern ist einfach nur menschlich.“
Die Bierbacherin Schäfer hingegen empfand den Umgangston und das Verhalten ihrer langjährigen Betreuerin als unmenschlich. „Täglich erniedrigt zu werden – das hinterlässt irgendwann Spuren“, sagte die 23-Jährige. Immer wieder, so Schäfer weiter, sei sie auch wegen ihres angeblich zu hohen Körpergewichts verbal massiv beleidigt worden.
Arbeits- und möglicherweise sogar strafrechtlich weitaus brisanter ist, dass die Trainerin Schäfers Schwester und Trainingskollegin Helene offenbar ein verschreibungspflichtiges Schmerzmittel ohne ärztliche Indikation verabreichte. Unstrittig ist, dass der Deutsche Turner-Bund (DTB) daraufhin die beim Olympiastützpunkt Chemnitz angestellte Übungsleiterin von DTB-Trainings- und Wettkampfmaßnahmen
für das Jahr 2019 ausschloss. Offen ist aber weiterhin, ob es nach den erneuten Vorwürfen für die Beschuldigte überhaupt eine Zukunft auf dem Turnpodium geben kann. Der Verband kündigte in einer Stellungnahme an, die Sachverhalte unverzüglich und unabhängig aufklären zu lassen.
„Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, würde dies in keiner Weise den Werten des DTB und den Rahmenbedingungen für ein verantwortungsvolles Training entsprechen“, hieß es in der Mitteilung. Der zuständige Verbands-Sportdirektor Wolfgang Willam gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab.
Im Januar 2019 hatte der DTB die Kölner Sportwissenschaftlerin Britt Dahmen als Ombudsperson bezüglich physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt berufen. In der jüngeren Vergangenheit waren in den USA, Großbritannien, Neuseeland, den Niederlanden sowie in der Schweiz mehrfach Trainer von zumeist ehemaligen Aktiven beschuldigt worden, sie seelischer und verbaler Gewalt ausgesetzt zu haben.
Sogar weltweites Entsetzen hatte der Fall des langjährigen US-Teamarztes Larry Nassar ausgelöst. 2018 wurde der heute 57-Jährige wegen sexuellen Missbrauchs von Kunstturnerinnen in mehr als 250 Fällen zu einer Gefängnisstrafe von mindestens 40 Jahren verurteilt. Zu Nassars Opfern gehört auch die Rekord-Weltmeisterin Simone Biles.
„Die Vorwürfe sind haltlos, und es stecken viele Verleumdungen drin.“
Die beschuldigte Turntrainerin
über die Aussagen von Pauline Schäfer