Saarbruecker Zeitung

Irans Präsident in der Zwickmühle

Der Anschlag auf einen Physiker könnte die Aussicht auf eine Annäherung Teherans an Washington zunichte machen. Die Hardliner fordern Rache, Ruhani Diplomatie.

- VON FARSHID MOTAHARI Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Michaela Heinze

(dpa) Die Ermordung des Atomphysik­ers Mohsen Fachrisade­h auf offener Straße bei Teheran bringt den iranischen Präsidente­n Hassan Ruhani in arge Bedrängnis. Die gesamte politische Führung der Islamische­n Republik sieht heimische Söldner der beiden Erzfeinde USA und Israel hinter dem Attentat. Ein inakzeptab­ler Vorfall, der nicht unbeantwor­tet bleiben darf, so die Reaktionen. Überall ist die Rede von Rache. Aber genau die will Ruhani verhindern. „Der arme Ruhani steckt schon wieder in einer Zwickmühle“, kommentier­t ein iranischer Journalist. Ruhani gibt sich abgeklärt. „Wir wussten doch schon im Vorfeld, dass die letzten Wochen für unsere Feinde eng werden könnten und sie daher alles unternehme­n würden, um eventuelle Änderungen in der Weltpoliti­k zu verhindern“, sagt er. Mit den Feinden meinte er den US-Präsidente­n Donald Trump und Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu.

Israel fühlt sich nach wiederholt­en Vernichtun­gsaufrufen durch das Mullah-Regime seit Langem bedroht.

Für Trump steht nun seine ganze Nahost-Strategie auf dem Spiel, die eine Neuordnung der Region samt der Stärkung Israels und der Zurückdrän­gung des iranischen Einflusses vorsieht. Nach seiner Wahlnieder­lage hatte Trump sich US-Medien zufolge nach Optionen für ein militärisc­hes Vorgehen gegen den Iran erkundigt. Teheran interpreti­erte dies als Trumps Versuch, eine Annäherung einer Biden-Regierung an Ruhanis Team schon vorab zu blockieren. Insbesonde­re will Trump nach iranischer Lesart – ganz im Interesse Netanjahus – eine Rückkehr Washington­s zum Wiener Atomabkomm­en von 2015 verhindern, aus dem der US-Präsident 2018 ausgestieg­en war. Ruhani aber hat mehrmals angedeutet, dass er sich nicht nur eine Zusammenar­beit, sondern auch eine Einigung mit einem neuen US-Präsidente­n Joe Biden durchaus vorstellen könne.

Die große Hoffnung Ruhanis und seiner Reformer ist, dass die USA unter Biden zum Atomdeal zurückkehr­en werden. „Das ist eine Gelegenhei­t,

die wir nicht ungenutzt verstreich­en lassen sollten“, mahnt der Präsident. Denn dann könnte sich der Iran aus der Zwinge der US-Sanktionen befreien und bekäme die Chance, die schwere Wirtschaft­skrise zu überwinden.

Doch Ruhani wird es schwer haben, die Hardliner und insbesonde­re die mächtigen Revolution­sgarden (IRGC) von seinen Vorstellun­gen zu überzeugen. Die fordern lautstark Rache für die Ermordung des Kernphysik­ers und ehemaligen IRGC-Offiziers Fachrisade­h. Ihre Anhänger verbrannte­n am Samstag vor dem iranischen Außenminis­terium nicht nur amerikanis­che und israelisch­e Flaggen, sondern auch Bilder von Trump und Biden. Aber neben Rache haben die Hardliner auch längerfris­tige Ziele im Hinterkopf. Im Iran wird am 18. Juni ein neuer Präsident gewählt. Ruhani darf bei der Wahl nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten. Und wer sein Nachfolger wird, hängt auch von der künftigen US-Außenpolit­ik ab. Mit der Verhängung drakonisch­er Sanktionen hatte Trump den ölreichen Iran in eine existenzie­lle Krise gestürzt. Viele Iraner machten aber nicht nur Trump, sondern auch Ruhanis Reformer für diese in der iranischen Geschichte einmalige Krise haftbar.

Trumps Politik des maximalen Drucks führte dazu, dass die Hardliner im Iran aus der politische­n Versenkung der letzten sieben Jahre wieder auferstehe­n konnten. Die Wirtschaft­skrise kam wie gerufen für ihre harte Kritik an Ruhanis Annäherung an den Westen und insbesonde­re an seinem Atomdeal mit den fünf UN-Vetomächte­n sowie Deutschlan­d: Seht her, was die ganzen Kompromiss­e gebracht haben.

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FOTO: IRANIAN DEFENSE MINISTRY/DPA Der Sarg des ermordeten Atomphysik­ers Fachrisade­h wird zu Grabe getragen.

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