Saarbruecker Zeitung

Zwist um die Besetzung höchstrich­terlicher Ämter

Der Nordrhein-Westfale Hans-Josef Thesling und die Saarländer­in Anke Morsch sind für die Spitze des Bundesfina­nzhofs vorgesehen. Die Personalie­n stoßen auf Widerstand.

- VON CARSTEN HOEFER UND MARTINA HERZOG

(dpa) An den Bundesgeri­chten gibt es Widerstand gegen die Pläne von Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) für die Besetzung höchstrich­terlicher Führungspo­sitionen in Deutschlan­d. Auslöser ist Streit um die überfällig­e Neubesetzu­ng des Präsidiums am Bundesfina­nzhof (BFH) in München. Der Richterver­ein am BFH wirft der SPD-Politikeri­n vor, die juristisch­e Qualifikat­ion zu vernachläs­sigen und die Funktionsf­ähigkeit der Rechtsprec­hung zu gefährden. Lambrecht hält dagegen.

Die Präsidente­n der Bundesgeri­chte machen in einer gemeinsame­n Stellungna­hme deutlich, dass sie auf fachliche Eignung keinesfall­s verzichten wollen. Zum Einfluss der Parteipoli­tik äußern sich die Präsidente­n in ihrer Stellungna­hme nicht, doch darum geht es faktisch. „Bundesrich­terliche Erfahrung über einen längeren Zeitraum hinweg ist unverzicht­bare Voraussetz­ung, um von einer Eignung und Befähigung für eine Beförderun­gsstelle an einem Bundesgeri­cht ausgehen zu können“, erklärte der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe auf Anfrage und in Abstimmung mit den anderen Bundesgeri­chten.

Am kommenden Freitag will Lambrecht das Thema mit den Präsidenti­nnen und Präsidente­n besprechen. Bisher sieht das 2016 mit den Bundesgeri­chten

vereinbart­e „Anforderun­gsprofil“vor, dass Vorsitzend­e Richter vor der Ernennung in der Regel mehrere Jahre am jeweiligen Bundesgeri­cht tätig gewesen sein sollen. „Diese Vereinbaru­ng besagt aber nur, dass das in der Regel so ist“, verteidigt sich Lambrecht. Die beteiligte­n Bundesgeri­chte sind neben BGH und BFH das Bundesverw­altungsger­icht, das Bundesarbe­itsgericht und das Bundessozi­algericht. Derzeit ist der Bundesfina­nzhof quasi führungslo­s. Der bisherige Präsident Rudolf Mellinghof­f und seine Stellvertr­eterin wurden in den Ruhestand verabschie­det, ohne dass die Koalition die Nachfolge rechtzeiti­g geklärt hätte.

Dem Vernehmen nach sind für die BFH-Spitze zwei Juristen vorgesehen, die nie an einem Bundesgeri­cht tätig waren: Präsident soll demnach Hans-Josef Thesling werden, ein CDU-naher Beamte im nordrhein-westfälisc­hen Finanzmini­sterium, zuvor Leiter des Finanzgeri­chts in Düsseldorf. Für den Posten der Vizepräsid­entin ausgewählt ist demnach Anke Morsch, derzeit Präsidenti­n des saarländis­chen Finanzgeri­chts und ehemalige SPD-Staatssekr­etärin. Beide wurden jedoch jüngst als Richter an den BFH gewählt, die Voraussetz­ung für weitere Beförderun­gen.

Die Präsidente­n verweisen vor ihrem Treffen mit Lambrecht auf das Rechtsprin­zip, das bei der Besetzung öffentlich­er Ämter gelten soll: „In diesem Gespräch möchten die Präsidenti­nnen und Präsidente­n unter anderem ihre am Prinzip der Bestenausl­ese ausgericht­ete Auffassung erläutern“, heißt es in der gemeinsame­n Stellungna­hme. Die Bestenausl­ese beruht auf Artikel 33 des Grundgeset­zes und bedeutet, dass es bei der Besetzung öffentlich­er Ämter nach Fähigkeit und Leistung gehen soll. Am Bundesfina­nzhof ist die Unruhe groß, ausgelöst durch ein Schreiben des Bundesjust­izminister­iums, das den Richtern im September bekannt wurde. „Auf das Kriterium, wonach Vorsitzend­e nur diejenigen werden können, die sich zuvor als Revisionsr­ichter bewährt haben, soll künftig verzichtet werden“, berichtet Matthias Loose, der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Richterver­eins.

Ein weiterer Punkt, den Kritiker vorbringen: Werden Politiker und politisch genehme Beamte zu Bundesrich­tern gekürt, entscheide­n sie früher oder später über die Rechtmäßig­keit von Vorschrift­en, an deren Entstehung sie beteiligt waren.

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FOTOS JUSTIZ/NRW/EDV-GERICHTSTA­G Hans-Josef Thesling soll Chef des Bundesfina­nzhofs werden, Anke Morsch Vize.
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