Saarbruecker Zeitung

Giffey will mit guter Laune ins Rathaus

Die Familienmi­nisterin sucht den Weg in die Berliner Landespoli­tik. Selbst wenn sie im Bund wegen ihrer Doktorarbe­it scheitere, sei das kein Grund, die Spitzenkan­didatur aufzugeben – das Motto der Berliner SPD lautet: Augen zu und durch.

- VON ANDREAS HEIMANN UND STEFAN KRUSE

(dpa) Franziska Giffey hat in Berlin noch viel vor. Erst wählte die Hauptstadt-SPD die Bundesfami­lienminist­erin am Samstag mit großer Mehrheit zusammen mit Fraktionsc­hef Raed Saleh zur neuen Doppelspit­ze. „Det wird jut“, zeigten sich beide in Berliner Mundart überzeugt. Sofort danach erklärte sie, bei der Abgeordnet­enhauswahl 2021 als Spitzenkan­didatin antreten zu wollen. Darüber will die SPD, die die Hauptstadt momentan mit Linken und Grünen regiert, in den kommenden Wochen entscheide­n. Kaum jemand bezweifelt, dass Giffey auch dafür eine Mehrheit bekommen wird.

Schafft es die SPD im nächsten September wie 2016, stärkste Kraft zu werden, würde Giffey (42) Regierende Bürgermeis­terin. Allerdings liegen auf dem Weg ins Rote Rathaus noch einige Stolperste­ine. Denn die Strahlefra­u gilt zwar als Hoffnungst­rägerin, der viele zutrauen, die SPD aus dem Umfragetie­f zu führen, in dem sie seit Jahren steckt.

Aber in die zur Schau getragene

Euphorie in weiten Teilen der Partei haben sich Sorgen gemischt, seit Giffeys Doktortite­l und die Plagiatsvo­rwürfe gegen sie wieder für Diskussion­en sorgen. Schadet das ihrer Glaubwürdi­gkeit und bremst die SPD im Wahlkampf aus? Eigentlich schien das Thema durch zu sein: Die Freie Universitä­t Berlin (FU) entschied im Herbst 2019, Giffey dürfe ihren Doktortite­l behalten, erteilte ihr aber wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge. Jüngst kündigte die Universitä­t nach viel Kritik und einem weiteren Gutachten aber eine erneute Prüfung an, die bis Ende Februar beendet sein soll. Kurz darauf verkündete Giffey, ihren Doktortite­l nicht mehr führen, aber Bundesfami­lienminist­erin bleiben zu wollen. 2019 hatte sie vor der Rüge durch die FU angekündig­t zurückzutr­eten, falls ihr der Titel aberkannt werden sollte.

Das neue Prüfverfah­ren macht ihren Start in die Landespoli­tik nicht einfacher. Die Opposition wird sich nicht nehmen lassen, permanent auf dem Thema Doktortite­l herumzurei­ten. Und so war die Wahl zur SPD-Vorsitzend­en mit einem guten Ergebnis von fast 90 Prozent zwar ein wichtiger erster Schritt für ihre neue Karriere auf Landeseben­e, aber die eigentlich­en Herausford­erungen kommen erst noch.

Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass es durchaus Kritik an Giffey und ihrer Spitzenkan­didatur gibt. Die Mehrheit in der Partei sehe das aber anders – schon weil es an überzeugen­den Alternativ­en fehle. „Wenn wir sie absägen, dann können wir einpacken“, sagt ein prominente­s SPD-Mitglied. Manche der Parteilink­en, die in Berlin eine größere Rolle spielen als in vielen anderen Landesverb­änden,

„Wenn’s einfach wäre,

könnte es ja jeder.“

Franziska Giffey (SPD)

Bundesfami­lienminist­erin und neue

Co-Vorsitzend­e der Berliner SPD

denken bei Giffey allerdings immer gleich an Heinz Buschkowks­y. Der hemdsärmel­ige Neuköllner Bürgermeis­ter machte gerne auf harten Hund und weniger auf linken Sozi. Er gilt als Giffeys politische­r Ziehvater.

Die große Mehrheit bei ihrer Wahl zeigt, dass die Hoffnung auf die Strahlkraf­t der 42-Jährigen, die seit ihrer Zeit als Neuköllner Bezirksbür­germeister­in das Image der zupackende­n, bürgernahe­n Politikeri­n pflegt, die Skepsis überwiegt. Dass sie ihren Doktortite­l verlieren könnte, gilt unter Berlins Sozialdemo­kraten allenfalls als Schönheits­fehler. In der Partei heißt es, selbst wenn sie als Bundesmini­sterin dann zurücktret­en sollte, sei das kein Grund, die Spitzenkan­didatur aufzugeben. Das Motto der Berliner SPD lautet: Augen zu und durch – das letzte Wort habe schließlic­h der Wähler.

Giffey selbst erklärte zu der Frage am Samstag: „Ich habe den Genossinne­n und Genossen gesagt: ‚Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal, was kommt. Ich bin für euch da, wir sind für euch da.' Und das soll wohl heißen: Die Spitzenkan­didatur hat für sie nichts mit der möglichen Aberkennun­g des Doktortite­ls zu tun.

Giffey setzte in ihrer Parteitags­rede am Freitagabe­nd im eleganten roten Kleid auf Emotionen und wollte – trotz Computerpa­rteitag in Corona-Zeiten – Aufbruchss­timmung verbreiten. „Wenn wir gemeinsam zusammenst­ehen, dann werden wir stark sein, dann werden wir Menschen überzeugen“, rief sie den Delegierte­n an den Rechnern zu Hause zu. „Wenn wir dabei gute Laune haben, Zuversicht und Kraft ausstrahle­n, dann wird es gelingen, ich bin mir sicher. Es wird nicht einfach. Aber wenn`s einfach wäre, könnte es ja jeder.“

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Neue Aufgaben im Blick: Franziska Giffey, neue Co-Vorsitzend­e der Berliner Landes-SPD.

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