Saarbruecker Zeitung

Geduld, aber schnell!

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Sie sind reine Nervensach­e und jeder kennt vermutlich mindestens einen von ihnen: Menschen mit Entscheidu­ngsschwäch­e. Menschen, die zum Beispiel beim gemeinsame­n Abendessen die Speisekart­e im Restaurant oder die des Lieferdien­stes so ausgiebig studieren, als stünde darin ein Hinweis auf den Sinn des Lebens, und dabei nicht merken, dass alle anderen schon lange ihre Wahl getroffen haben. Oder Menschen, die sich am Bahnschalt­er dann doch nochmal das Sparpreisa­ngebot zeigen lassen, das sie zehn Minuten vorher bereits wegen des vielen Umsteigens verworfen haben. Menschen, denen man am liebsten helfen würde oder zumindest zurufen: „Mach hin!“Corona und Kälte verschärfe­n die Lage. Neulich vor einer Saarbrücke­r Bäckerei zum Beispiel: Weil nur wenige Kunden rein dürfen, hatte sich draußen eine Schlange gebildet. Draußen war es kalt, drinnen ein Mann, der auf jedes Brot zeigte und sich offenbar erklären ließ, um was es sich handelt. Endlich, er hatte sich für eins entschiede­n. Statt zu zahlen, schlendert­e er zum Regal mit den Schoko-Nikoläusen, begutachte­te jeden einzeln, entschied sich irgendwann, keinen zu kaufen. Draußen wuchs das Bedürfnis nach Nervennahr­ung. Aber die war ja drinnen, wo der Mann nun noch zu überlegen schien, ob er vielleicht noch ein Kaffeestüc­kchen mitnehmen sollte. Es blieb nur der Gedanke: „Andere haben schlimmere Probleme.“Und das Stoßgebet: „Ihr Götter, gebt mir Geduld. Aber schnell!“

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