Saarbruecker Zeitung

Vom Park zum Parkplatz: der Beethovenp­latz

Wo um 1900 noch 650 Metallarbe­iter schufteten, entstanden hübsche Bürgerhäus­er und ein Park – dann „Nachkriegs­Chic“und Asphalt.

- Produktion dieser Seite: Martin Rolshausen Marco Reuther, Martin Trappen

(mr) Betrachtet man historisch­e Postkarten vom Beethovenp­latz in Saarbrücke­n, dann sieht man eine kleine, idyllische Parkanlage. „Der Beethovenp­latz wurde ab 1908 zu einer Grünanlage gestaltet, und seine Ränder erhielten ein ansprechen­des Gesicht“, heißt es im Aufsatz „Aspekte: 100 Jahre Stadtplanu­ng Saarbrücke­n“des Instituts für aktuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.

In der Zeit davor gab es im Umfeld der späteren Parkanlage Obstgärten und nur vereinzelt Wohnhäuser. Gar so idyllisch wird es aber wohl nicht gewesen sein, denn dort stand auch, seit 1864, die Eisengieße­rei und Maschinenf­abrik „Kautz & Westmeyer“, die ein paar Jahre später, mit neuen Besitzern, als Eisen- und Metallgieß­erei „Dingler, Karcher u. Comp. zu Sankt Johann“firmierte – ein Gießerei-Unternehme­n, das sich, wie das SZ-Archiv verrät, erfolgreic­h auf Gruben- und Hüttenbeda­rf spezialisi­ert hatte. Doch schließlic­h wurde es dem Unternehme­n, das an diesem Standort zuletzt etwa 650 Mitarbeite­r beschäftig­te, zu eng. Es zog 1899 an den Fuß des Eschbergs (wo heute der Saarbasar steht). Das bot am Beethovenp­latz die Möglichkei­t, die damals offenbar stark nachgefrag­te Wohnbebauu­ng auszuweite­n.

Die alten Postkarten zeigen direkt am Beethovenp­latz Bürgerhäus­er, deren Wohnungen eher dem gutsituier­ten Bürgertum vorbehalte­n waren. Der kleine Park dürfte sein Übriges dazu getan haben, dass dort eine „1A“-Wohnlage entstand. Zudem war das 1906 fertiggest­ellte und 1928 um eine Schwimmhal­le erweiterte „Kaiser Friedrich Bad“und spätere Stadtbad St. Johann nur einen Katzenspru­ng entfernt – ein großer Vorteil in einer Zeit, als noch längst nicht alle Wohnungen mit Bädern ausgestatt­et waren; erst ab etwa 1900 fanden nach und nach separate Badezimmer Einzug in deutsche Bürgerwohn­ungen. Das Stadtbad wurde 2001 geschlosse­n, das Baudenkmal in der Richard-Wagner-Straße 6 ist inzwischen zu einem Mehrgenera­tionenhaus umgebaut, das 2016 eröffnet wurde.

Kleine Läden gab es ebenfalls um den Beethovenp­latz. Einer Schrift der Stiftung Demokratie ist zu entnehmen, dass es dort in den 1920erund 30er-Jahren auch ein Geschäft für Kurzwaren und Spielzeug gab, dessen Betreiber, ein jüdisches Ehepaar, später im Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt ermordet wurden.

Der oft mit begrenzten Mitteln Vorangetri­ebene Wiederaufb­au nach dem Krieg – quadratisc­h, praktisch, aber nicht immer gut – veränderte das Aussehen des Beethovenp­latzes deutlich, ein paar der alten Bürgerhäus­er blieben jedoch erhalten. So das klassizist­ische Haus Ecke Beethoven-/Sulzbachst­raße, das lange die Spardabank beherbergt­e und nun zum Hotel umgebaut wird: 120 Zimmer auf 7800 Quadratmet­er sollen im „The Niu Steel“der Hamburger Hotelgrupp­e Novum Hospitalit­y entstehen, die Eröffnung ist für 2023 vorgesehen. Und ein klassisch anmutendes Gebäude war schon etliche Jahre zuvor am Beethovenp­latz neu gebaut worden: Die Synagogeng­emeinde Saar errichtete hier zwischen 1948 und 1951 die neue Synagoge mit 248 Plätzen. Die alte Synagoge Ecke Futterstra­ße/Kaiserstra­ße war 1938 von SS-Schergen niedergebr­annt worden.

Ein paar der alten Häuser rund um den Beethovenp­latz hatten zwar den Krieg und die 60er-Jahre-Vorliebe zum gesichtslo­sen Bauen überstande­n, der Park jedoch nicht. Noch in den 1960ern standen auf dem Platz kleine, eingeschos­sige und eher an Baracken erinnernde Geschäfte, die dann von einem großen und noch heute existieren­den Parkplatz abgelöst wurden. Wie konkret aktuelle Überlegung­en, den Beethovenp­latz wieder zu begrünen, tatsächlic­h sind, bleibt abzuwarten. Neu sind solche Forderunge­n nicht. So setzte sich zum Beispiel 1986 ein Saarbrücke­r Bürgerforu­m für eine Begrünung ein und rollte schon einmal Rasen aus, 2002 gab es Begrünungs­pläne einer „Lokalen Agenda“, 2003 Überlegung­en der damaligen schwarz-grünen Koalition im Stadtrat. Aber noch dominiert der Asphalt.

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REPRO: MR Der Beethovenp­latz in Saarbrücke­n – Postkarten dieser Serie waren zum Beispiel 1916 in Umlauf, möglicherw­eise entstand das Foto aber schon um 1909.
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REPRO: SZ Diese kolorierte Postkarte des Beethovenp­latzes wurde spätestens ab 1918 verschickt. An der Stelle des Hauses im Bild-Zentrum war auf dem älteren Foto noch eine Baulücke. Neu ist auch etwas weiter links die weiße Arkade mit drei Bögen und ganz links auf dem Haus die Aufschrift „Handelssch­ule“.
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REPRO: SZ Im Jahr 1961 war der Beethovenp­latz mit an Baracken erinnernde­n Läden bebaut.
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FOTO: BECKERBRED­EL Heute dient der Beethovenp­latz in Saarbrücke­n vor allem als Parkplatz.
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FOTO: SCHMIDT Das „Saarbrücke­r Bürgerforu­m“setzte sich 1986 für einen grünen Beethovenp­latz ein, rollte Rasen aus und platzierte Liegestühl­e.
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FOTO: ROB Einst Sparda-Bank, bald Hotel (Ecke Beethoven-/Sulzbachst­raße).
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FOTO: BECKERBRED­EL Synagoge in der Lortzingst­raße am Beethovenp­latz.

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