Vom Park zum Parkplatz: der Beethovenplatz
Wo um 1900 noch 650 Metallarbeiter schufteten, entstanden hübsche Bürgerhäuser und ein Park – dann „NachkriegsChic“und Asphalt.
(mr) Betrachtet man historische Postkarten vom Beethovenplatz in Saarbrücken, dann sieht man eine kleine, idyllische Parkanlage. „Der Beethovenplatz wurde ab 1908 zu einer Grünanlage gestaltet, und seine Ränder erhielten ein ansprechendes Gesicht“, heißt es im Aufsatz „Aspekte: 100 Jahre Stadtplanung Saarbrücken“des Instituts für aktuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.
In der Zeit davor gab es im Umfeld der späteren Parkanlage Obstgärten und nur vereinzelt Wohnhäuser. Gar so idyllisch wird es aber wohl nicht gewesen sein, denn dort stand auch, seit 1864, die Eisengießerei und Maschinenfabrik „Kautz & Westmeyer“, die ein paar Jahre später, mit neuen Besitzern, als Eisen- und Metallgießerei „Dingler, Karcher u. Comp. zu Sankt Johann“firmierte – ein Gießerei-Unternehmen, das sich, wie das SZ-Archiv verrät, erfolgreich auf Gruben- und Hüttenbedarf spezialisiert hatte. Doch schließlich wurde es dem Unternehmen, das an diesem Standort zuletzt etwa 650 Mitarbeiter beschäftigte, zu eng. Es zog 1899 an den Fuß des Eschbergs (wo heute der Saarbasar steht). Das bot am Beethovenplatz die Möglichkeit, die damals offenbar stark nachgefragte Wohnbebauung auszuweiten.
Die alten Postkarten zeigen direkt am Beethovenplatz Bürgerhäuser, deren Wohnungen eher dem gutsituierten Bürgertum vorbehalten waren. Der kleine Park dürfte sein Übriges dazu getan haben, dass dort eine „1A“-Wohnlage entstand. Zudem war das 1906 fertiggestellte und 1928 um eine Schwimmhalle erweiterte „Kaiser Friedrich Bad“und spätere Stadtbad St. Johann nur einen Katzensprung entfernt – ein großer Vorteil in einer Zeit, als noch längst nicht alle Wohnungen mit Bädern ausgestattet waren; erst ab etwa 1900 fanden nach und nach separate Badezimmer Einzug in deutsche Bürgerwohnungen. Das Stadtbad wurde 2001 geschlossen, das Baudenkmal in der Richard-Wagner-Straße 6 ist inzwischen zu einem Mehrgenerationenhaus umgebaut, das 2016 eröffnet wurde.
Kleine Läden gab es ebenfalls um den Beethovenplatz. Einer Schrift der Stiftung Demokratie ist zu entnehmen, dass es dort in den 1920erund 30er-Jahren auch ein Geschäft für Kurzwaren und Spielzeug gab, dessen Betreiber, ein jüdisches Ehepaar, später im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurden.
Der oft mit begrenzten Mitteln Vorangetriebene Wiederaufbau nach dem Krieg – quadratisch, praktisch, aber nicht immer gut – veränderte das Aussehen des Beethovenplatzes deutlich, ein paar der alten Bürgerhäuser blieben jedoch erhalten. So das klassizistische Haus Ecke Beethoven-/Sulzbachstraße, das lange die Spardabank beherbergte und nun zum Hotel umgebaut wird: 120 Zimmer auf 7800 Quadratmeter sollen im „The Niu Steel“der Hamburger Hotelgruppe Novum Hospitality entstehen, die Eröffnung ist für 2023 vorgesehen. Und ein klassisch anmutendes Gebäude war schon etliche Jahre zuvor am Beethovenplatz neu gebaut worden: Die Synagogengemeinde Saar errichtete hier zwischen 1948 und 1951 die neue Synagoge mit 248 Plätzen. Die alte Synagoge Ecke Futterstraße/Kaiserstraße war 1938 von SS-Schergen niedergebrannt worden.
Ein paar der alten Häuser rund um den Beethovenplatz hatten zwar den Krieg und die 60er-Jahre-Vorliebe zum gesichtslosen Bauen überstanden, der Park jedoch nicht. Noch in den 1960ern standen auf dem Platz kleine, eingeschossige und eher an Baracken erinnernde Geschäfte, die dann von einem großen und noch heute existierenden Parkplatz abgelöst wurden. Wie konkret aktuelle Überlegungen, den Beethovenplatz wieder zu begrünen, tatsächlich sind, bleibt abzuwarten. Neu sind solche Forderungen nicht. So setzte sich zum Beispiel 1986 ein Saarbrücker Bürgerforum für eine Begrünung ein und rollte schon einmal Rasen aus, 2002 gab es Begrünungspläne einer „Lokalen Agenda“, 2003 Überlegungen der damaligen schwarz-grünen Koalition im Stadtrat. Aber noch dominiert der Asphalt.