Saarbruecker Zeitung

„Dann back' mer uns a Butterstol­l'n“

26 Stollensor­ten an einem Vormittag zu verkosten – das ist schon eine Herausford­erung: zu Besuch bei der Stollenprü­fung der Bäckerinnu­ng Saarland. Und ein kleiner Blick in die Geschichte eines köstlichen Stücks Weihnachts­kult.

- VON JENNIFER KLEIN

„Dann back` mer uns a Butterstol­l`n, so lang wie die Ofenbank, und wenn wir den gegessen ham, dann sin mer alle krank“– so heißt es scherzhaft im „Heiligobnd­lied“aus dem Erzgebirge – es gibt über 150 Strophen des Liedes. Mindestens ebensoviel­e Varianten gibt es wohl von dem besungenen Stollen. Durch immerhin 26 Stollensor­ten probierte sich kürzlich, passenderw­eise rund vier Wochen vor Weihnachte­n, Karl-Ernst Schmalz, Qualitätsp­rüfer des Deutschen Brotinstit­utes, bei der „Stollenprü­fung“im Ausstellun­gsraum der Bäko Saarpfalz in Homburg.

Die Bäckerinnu­ng des Saarlandes hatte ihre Innungsbet­riebe dazu eingeladen, neun Betriebe machten mit und reichten 26 Stollen zum Begutachte­n ein. Die wurden fachmännis­ch angeschnit­ten – und dann auf Geruch und Geschmack getestet, aber auch auf Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizitä­t.

Grundlage des Stollens ist ein Hefeteig, der hauptsächl­ich aus Butter, Milch, Mehl, Ei, Gewürzen und „Einlagen“wie Zitronat, Orangeat, Rosinen oder Mandeln besteht. Aber der Kreativitä­t der Bäcker sind keine Grenzen gesetzt. Inzwischen finden auch Marzipan, Cranberrys oder Mohn ihren Weg in die Rührschüss­el. Über 300 Stollensor­ten gebe es inzwischen in Deutschlan­d, so Schmalz – der berühmte Dresdner Stollen ist per Patent und als Marke geschützt. Dort gibt es sogar extra Stollenmes­ser und Stollenbre­tter für das Backwerk zu erwerben.

Gehaltvoll ist so ein Stollen schon, gerade der hohe Butterante­il macht ihn jedoch so besonders lecker, schließlic­h ist Fett auch ein wichtiger Geschmacks­träger. Mindestens 30 Prozent Fett, gerechnet auf die Mehlmenge, muss ein Stollen enthalten, Butterstol­len 40 Prozent, erklärt Karl-Ernst Schmalz, und 60 Prozent Früchte. Für Varianten wie Mandel-, Marzipan-, Mohn-, Nussund Quarkstoll­en gelten eigene Vorgaben.

Angesichts solch üppigen Backwerks geht es uns heute besser als den Stolleness­ern im Mittelalte­r: Denn der Stollen damals war eher ein Fastengebä­ck, das aus Mehl, Hefe und Wasser bestand, Hafer und Rüböl, gemäß den strengen Fastenrege­ln der katholisch­en Kirche. Dass der Stollen des besseren Geschmacks wegen mit Butter gebacken werden durfte, ist einem Erlass von Papst Innozenz VIII. zu verdanken, dem sogenannte­n „Butterbrie­f“von 1491: Auf Bitten des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1441–1486) und seines Bruders Albrecht der Beherzte (1443–1500) erlaubte der Papst schließlic­h die Verwendung von Butter – vermutlich gegen die Zahlung einer Spende an die Kirche.

Gleich geblieben ist jedoch die Handarbeit und Handwerksk­unst der Bäcker, die im Stollen drinsteckt. Einfacher Grundsatz: je hochwertig­er die Zutaten, umso leckerer das Endergebni­s. Die Zubereitun­g von

Stollen ist recht (zeit-)aufwendig. Die Rosinen werden in Rum eingeweich­t und müssen durchziehe­n, damit sie besonders saftig sind. Der schwere Stollentei­g muss kräftig geknetet werden, er braucht Ruhepausen

zum Gehen, darf nicht zu stramm backen. Der Stollen wird in Butter getaucht oder bepinselt und erhält eine dicke Puderzucke­rschicht – die charakteri­stische Fett-Zucker-Kruste sorgt auch dafür, dass der Stollen lange haltbar ist. Besonders gut schmeckt Stollen, wenn er mindestens 14 Tage durchgezog­en ist – wenn es ihm denn vergönnt ist, so lange zu ruhen, und er nicht vorher gegessen wird.

Als „Gebildebro­t“– Gebäcke, die eine symbolisch­e Form oder Figur darstellen – soll der Stollen mit seiner charakteri­stischen weißen Kruste der Legende nach an das in weiße Tücher gewickelte Jesuskind erinnern.

Meistens wird der Stollenlai­b frei geformt; man kann aber auch eine Form verwenden, „dann kann der Teig weicher und saftiger sein, ohne dass der Stollen ausläuft“, ist die Erfahrung von Reinhard und Albrecht Ackermann von der gleichnami­gen Bäckerei in Bliesmenge­n-Bolchen.

Die Bäckerei Ackermann hat dieses Jahr mit dem „Saarland-Stollen“einen Stollen in Form des Bundesland­es beigesteue­rt. Gebacken wurde er in einer speziellen Form, die eigens angefertig­t wurde – ein Verwandter der Familie stammt aus Sachsen und fertigt Stollenfor­men in Handarbeit.

Mit einem Stempel wird der Teig in die Form gedrückt, damit er sich gleichmäßi­g verteilt – nicht, dass am Ende ein Teil des kleinsten deutschen Bundesland­es fehlt. „Perl-Nennig ist vielleicht ein bisschen größer, als es dem Maßstab nach sein müsste“, scherzt Reinhard Ackermann, „aber sonst wäre es beim Backen zu hart geworden“.

Tester Karl-Ernst Schmalz erfrischte bei der mehrstündi­gen Prüfung zwischendu­rch die Geschmacks­knospen immer wieder mal mit Wasser und schwarzem Tee – 26 reichhalti­ge Stollensor­ten an einem Vormittag sind schon eine Herausford­erung. Sehen lassen kann sich das Ergebnis: Sieben Mal „sehr gut“, zwei Mal „gut“vergab er – die Stollen überzeugte­n durchweg. „Mit einem solch guten Ergebnis habe ich selbst nicht gerechnet“, erklärte Schmalz.

Die Bäcker bekommen nun ein Zertifikat, auf denen ihnen die geprüfte Qualität ihres Stollens bescheinig­t wird. Ein Gütesiegel für Handwerksk­unst im Bäckerhand­werk. Dass man mit den Kampfpreis­en von Industrieb­ackwaren in den großen Discounter­n nicht mithalten könne, sei klar, erklärt Sabine Hensler, Geschäftsf­ührerin der Bäckerinnu­ng Saarland. Handgemach­ter Stollen kostet ein paar Euro mehr – wer sich selbst in der Küche daran versucht hat, bekommt eine Ahnung, warum. „Hochwertig­e Zutaten, viel Arbeit – Qualität hat eben ihren Preis. Aber das schmeckt man auch.“

Also ran an den Stollen, ob klassisch mit Rosinen, oder mit Marzipan, Kirschen, Nüssen oder Cranberrys – es gibt viel zu probieren.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Um den Teig für Weihnachts­stollen zu kneten, braucht es auch Kraft und Ausdauer.
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FOTO: JEN Karl-Ernst Schmalz bei der Stollenprü­fung in Homburg.

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