Grosjeans unwirkliche Wiedergeburt
Die Formel 1 schrammt beim Großen Preis von Bahrain haarscharf an einer Tragödie vorbei. Der ungeliebte Cockpitschutz Halo rettet den Franzosen.
(sid) Romain Grosjeans Videogruß vom Krankenbett hatte etwas von der Schluss-Szene eines Action-Films. Der Held, auf unglaubliche Weise einem gewaltigen Feuerball entronnen, präsentiert seine beiden Handverbände und scheint bereit für die nächste Mission. Bei Grosjean allerdings lag zwischen „halb so wild“und dem grausamen Flammentod nur eine Winzigkeit.
„Vor ein paar Jahren war ich nicht für den Halo, aber ich denke, er ist das Beste, was der Formel 1 passiert ist. Ohne ihn könnte ich jetzt nicht zu euch sprechen. Also danke“, sagte der Franzose. Auch in ein Formel-1-Auto steigt der Familienvater erst einmal nicht, beim vorletzten Saisonrennen am Sonntag wird er von Pietro Fittipaldi, Enkel des zweimaligen Weltmeisters Emerson Fittipaldi, vertreten.
Dass Grosjean kaum verletzt ist, grenzt an ein Wunder. „Zum Glück hat der Cockpitschutz funktioniert, zum Glück hat die Leitplanke ihm nicht den Kopf abgeschnitten“, kommentierte Rennsieger Lewis Hamilton das Inferno, das Erinnerungen an den Nürburgring-Unfall Niki Laudas 1976 weckte. Die Eckdaten des Unfalls lassen einen unwillkürlich erschaudern. Grosjeans Haas-Ferrari schlug mit 221 km/h in der Leitplanke ein und schlitzte diese wie ein Messer auf.
Der Wagen wurde zweigeteilt, fing sofort Feuer. Grosjean war in seiner stabilen Überlebenszelle dem Inferno ausgesetzt, ehe er sich nach 26 Sekunden befreien konnte. Seine feuerfeste Kleidung schützte ihn, auch wenn der Helm angekokelt und das Visier dahingeschmolzen war. In der früheren Geschichte der Formel 1 verliefen Unfälle, bei denen nur ein Teil dieser Faktoren eintrat, in der Regel tödlich. Grosjean hingegen konnte sein Wrack in Bahrain aus eigener Kraft verlassen. Den enormen Sicherheitsstandards sei Dank, die Ayrton Senna, François Cevert und auch Jules Bianchi, 2015 der letzte tödlich verunglückte Formel-1-Fahrer, nicht genossen.
Bianchis Mutter rührte am Sonntagabend
die Zuschauer im französischen Fernsehen. „Sie haben den Halo nach dem Tod meines Sohnes eingeführt, heute hat der Halo Romains Leben gerettet. Das ist großartig“, schrieb Christine Bianchi in einer SMS, die der Moderator mit Tränen in den Augen verlas. Der 2018 unter dem Murren zahlreicher Protagonisten eingeführte Cockpitschutz Halo nahm an Grosjeans Haas zwar Schaden, er hielt der Belastung aber stand und schützte den Kopf des Franzosen.
Auf die Formel 1 wartet aber nun jede Menge Arbeit. „Die Leitplanke darf nicht nachgeben, und das Auto darf kein Feuer fangen“, kritisierte Ferrari-Pilot Sebastian Vettel. Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn kündigte eine Untersuchung an, immerhin soll schon am kommenden Sonntag (18.10 Uhr MEZ/RTL und Sky) erneut in Bahrain gefahren werden – auf einem noch schnelleren Streckenlayout, dessen Wahl ausgerechnet Grosjean im Vorfeld wiederholt als „Wahnsinn“bezeichnet hatte.