Saarbrücker Eltern beklagen Corona-Chaos in Schule
Erneut erreicht wegen der Corona-Lage an den Schulen ein Brandbrief Bildungsministerin Streichert-Clivot (SPD). Eltern sind in Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder.
Sie setze Menschen „sehenden Auges einem Gesundheitsrisiko“aus, lautet der Vorwurf besorgter Eltern von Oberstufenschülern am Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium (WWG) in Saarbrücken an Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD). In einem Brandbrief haben sich die Schulelternvertreter an die Ministerin gewandt. Von zugeschraubten Fenstern in Klassenräumen ist darin die Rede, von fehlenden Luftfiltern und zu wenig Platz für die bis zu 25 Schüler, die an dem Oberstufengymnasium in den verschiedenen Kursen zusammenkämen. Ausreichendes Lüften, Abstandhalten und Händehygiene seien an der Schule nicht möglich. Die Lehrer würden nicht getestet und erhielten keine personelle Unterstützung. „Keine Spur von Handeln, lediglich Lippenbekenntnisse“gebe es von Seiten des saarländischen Bildungsministeriums.
Einen Teil der Lösung für die genannten Probleme sehen die Eltern darin, statt auf Präsenzunterricht verstärkt auch auf Lernen zu Hause zu setzen. Besonders für die fast erwachsenen Schüler am WWG sei das eine gute Option. Die Eltern treibt nicht nur die Sorge um die Gesundheit der Kinder um, auch sei ein geregelter Unterricht derzeit nicht mehr möglich, da Lehrer und Schüler ständig in Quarantäne müssten. Die Schüler verpassten so wichtigen Unterrichtsstoff, den sie zur Vorbereitung auf das Abitur brauchten. Das WWG könne dabei „aus dem Stand guten onlinebasierten Unterricht umsetzen“. Das werde aber bislang vom Bildungsministerium untersagt.
Das Bildungsministerium bekräftigt gegenüber der SZ seine bisherige Haltung. Man wolle so lange wie möglich am Präsenzunterricht festhalten. Die bisherige Erfahrung zeige, dass Schutzkonzepte und Hygieneregeln an den Schulen „größtmögliche Sicherheit vor einer Infektion bieten“. Das Infektionsgeschehen an den saarländischen Schulen sei vergleichsweise niedrig. An 18 der insgesamt 316 Schulen bestehen laut Bildungsministerium derzeit Quarantäne-Anordnungen der Gesundheitsämter. 2522 von rund 129 400 Schülern und Lehrern im Saarland seien davon betroffen. 24 Schüler und vier Lehrkräfte seien positiv auf Corona getestet. Erst wenn die landesweite Inzidenz oberhalb von 200 Neuinfektionen liege und die Schule nachweislich von Infektionsgeschehen betroffen sei, seien laut jüngstem Beschluss von Bund und Ländern sowie der Kultusministerkonferenz auch andere Unterrichtsmodelle anzuwenden.
Schulträger und damit auch für bauliche Maßnahmen am WWG zuständig ist der Regionalverband Saarbrücken. Der sagt: Das Gymnasium habe drei Räume gemeldet, die nicht ausreichend gelüftet werden könnten. Einer sei bereits „auf Stand gebracht“. Die beiden anderen Räume lägen innen und verfügten nicht über Fenster, sondern über eine Lüftungsanlage, die in Zeiten der Pandemie nicht ausreiche. Zusätzliche Umluftfilter, die bestellt seien, sollen das Problem beheben. Einer werde schon heute geliefert und installiert. Gegen den grundsätzlichen Platzmangel könne man so schnell aber nichts tun. Da würden nur kleinere Klassengrößen helfen, erklärte ein Sprecher des Regionalverbandes.
Die Klassen zu verkleinern, ist laut Elternsprecherin Gaby Schega am WWG wegen der individuellen Stundenpläne der Schüler und auch wegen der fehlenden Lehrkräfte nicht möglich. Zum Vorwurf der ungenügenden personellen Ausstattung verweist das Ministerium auf die geplante Verdopplung der Lehrkräftereserve auf 200 befristete Stellen (wir haben berichtet). Die würden derzeit besetzt. Zudem mobilisiere das Bildungsministerium auch intern so viele Kräfte wie möglich, um den Präsenzunterricht sicherzustellen und die Kollegien an den Schulen zu entlasten.
Auch den Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) erreichte kürzlich ein Brandbrief, geschrieben von Schülern der Gemeinschaftsschule Tholey-Theley. In einer Umfrage hatten viele der Schüler angegeben, sich in der Schule nicht ausreichend geschützt zu fühlen. Sie wünschten sich kleinere Klassen und mehr Busse, schreiben sie. Zudem monieren die Schüler zu lasche Quarantäne-Vorgaben. Auch die Theleyer Schüler halten eine Mischung aus Präsenzund Online-Lehre für sinnvoll.
Hans bedankte sich schriftlich bei den Schülern für die Anregungen und versprach, sie in seine politischen Entscheidungen einfließen zu lassen. Er werde ihr Anliegen zudem an Streichert-Clivot weiterleiten.