Saarbruecker Zeitung

Tote und Verletzte bei Amokfahrt in Trierer Innenstadt

Bei einer Amokfahrt im Herzen der Römerstadt an der Mosel gibt es Tote und Verletzte. Augenzeuge­n schildern schrecklic­he Szenen.

- VON BIRGIT REICHERT, REBECCA SCHAAL, CHRISTIANE WOLFF, HANS-PETER LINZ UND INGE KREUTZ

(kna/dpa) In Trier ist am Dienstagna­chmittag ein Autofahrer mit hohem Tempo durch die Fußgängerz­one gefahren und hat fünf Menschen getötet – darunter ein neun Monate altes Baby. Das teilte die Polizei am Abend mit. 15 Menschen wurden teils schwer verletzt. Der Autofahrer ist nach Einschätzu­ng des rheinland-pfälzische­n Innenminis­ters Roger Lewentz (SPD) gezielt vorgegange­n. Er sei „Zickzackli­nien“gefahren, um Leid zuzufügen, sagte der Minister. Hinweise auf einen politische­n oder religiösen Hintergrun­d lagen nicht vor. Die Polizei hatte unmittelba­r nach der Tat einen 51 Jahre alten Deutschen aus dem Kreis Trier-Saarburg festgenomm­en und den Wagen sichergest­ellt.

(dpa/TV/red) Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der mutmaßlich­en Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerz­one mit weiß-rotem Polizei-Band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast sein muss, liegen an diesen grauen Dezemberta­g wahllos Dinge auf der Straße. Die Polizei spricht von fünf Toten, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt verletzt im Krankenhau­s. Mindestens 14 Menschen wurden verletzt, acht von ihnen schwer. 25 Personen gelten darüber hinaus nach der Tat als traumatisi­ert. Festgenomm­en wird ein 51 Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-Saarburg.

Das PS-starke Fahrzeug, so die Erkenntnis­se der Polizei, soll in der historisch­en Stadt an der Mosel von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast sein, dem weltberühm­ten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophs­traße sei der Wagen nach etwa 200 Metern von der Polizei gestoppt und der Fahrer überwältig­t worden – „vier Minuten nach Ersthinwei­s“, wie der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) am Abend in Trier sagt.

Lewentz spricht von einem „sehr langen Tatweg“, der Meter für Meter untersucht werde. „Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkrä­ften.“Lewentz ist zusammen mit Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt.

Oberstaats­anwalt Peter Fritzen zufolge soll der mutmaßlich­e Fahrer betrunken gewesen sein – er nennt einen Atemalkoho­lwert von 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspun­kte für ein psychiatri­sches Krankheits­bild. Und es gebe dringenden Tatverdach­t wegen

Mordes in vier Fällen. Den Ermittlung­en zufolge soll der Wagen Zick-Zack-Linien gefahren sein – möglicherw­eise, um so Menschen zu treffen.

Zur Tatzeit sind viele Schüler in der Stadt unterwegs, eine Schülerin einer zwölften Klasse berichtet, dass sie Schreie gehört und deshalb schnell in die Schule gelaufen sei. In vielen Klassen-Chats machte das Geschehen schnell die Runde.

Die Schulen in der Innenstadt werden offenbar umgehend über den Vorfall informiert. In der Ausonius-Grundschul­e beispielsw­eise müssen am Nachmittag alle Schüler im Gebäude bleiben. Die Eltern erhalten kurz nach 14 Uhr einen Anruf, dass es eine Amokfahrt mit mehreren Verletzten in der Innenstadt gegeben habe und heute kein Kind alleine nach Hause gehen dürfe. Sie sollen ihre Kinder abholen.

Eine Passantin berichtet, dass ihre 13-jährige Enkelin zusehen musste, wie ein Auto vom Hauptmarkt Richtung Porta durch die Fußgängerz­one gefahren ist. Das Auto habe mehrere Menschen erfasst.

Ein Mann aus Schwäbisch-Hall möchte gerade seine Pommes essen, „als es einen Mordslärm gab“. Zunächst habe er vermutet, dass ein Lkw oder sogar der Kran in der Grabenstra­ße umgekippt sei. Dann habe er einen Wagen gesehen, der mit hoher Geschwindi­gkeit durch die Fußgängerz­one gerast sei. „Der hat einfach alles umgefahren, was ihm in den Weg kam.“

Am Hauptmarkt sei ein Kinderwage­n durch die Luft geflogen, berichtet eine weitere Augenzeugi­n. Sie hat die Amokfahrt aus ihrem Laden am Hauptmarkt beobachtet. Menschen hätten geschrien und seien in Panik in ihr Geschäft geströmt.

Später machen die Geschäfte zum großen Teil ihre Türen zu und lassen Kunden nicht mehr hinein – es sind ohnehin nicht mehr viele Menschen in der Stadt unterwegs. Mehrere Passanten weinen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. An der Porta Nigra flackern kleine Teelichter, die eine junge Frau aufgestell­t hat. Sie wolle damit ihr Mitgefühl für die Betroffene­n ausdrücken, sagt sie. „Es ist alles so schrecklic­h.“

„Wir sind fassungslo­s“, sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerz­one grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinp­flastern sieht man einen Blutfleck, blutgeträn­kte Tücher. „Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht“, sagt sie.

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnac­htlich geschmückt­en Trier. Die Kommune mit rund 112 000 Einwohnern gilt als älteste Stadt Deutschlan­ds,

ist auch bekannt als Geburtsort von Karl Marx. In internatio­nale Schlagzeil­en gerät Trier nur selten, schon gar nicht wegen Kapitalver­brechen.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschraub­er über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerun­g zunächst mit Nachdruck, die Innenstadt zu meiden. Dann aber macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenomm­en worden. Die Erleichter­ung ist spürbar. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Darauf sind zwei Polizeiaut­os zu sehen, die einem beschädigt­en Fahrzeug offenbar den Weg abgeschnit­ten haben. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer – vermutlich Sicherheit­skräfte – halten ihn fest. Später wird der mutmaßlich­e Fahrer weggebrach­t.

Es ist wieder ein Vorfall mit einem SUV – schnell werden in Trier Erinnerung­en wach an einen schweren Verkehrsun­fall mit zwei Toten in Frankfurt im November – und andere Amokfahrte­n in jüngster Zeit.

Stunden nach der Tat hasten noch wenige Menschen durch die Stadt. Durch die nasskalte Luft dröhnen noch einige Polizeisir­enen. Und die Mitarbeite­rin eines Ladens sagt: „Die Schreie werde ich so schnell nicht wieder los.“

„Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht.“Eine Anwohnerin

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Polizisten sicherten den Tatort in der Trierer Innenstadt. Der 51-jährige Amokfahrer wurde festgenomm­en. Am Abend zeigte sich die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) in ihrer Heimatstad­t entsetzt über die Tat.
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FOTOS: AFP/DPA
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FOTO: SCHMITZ/AFP Bilder der Zerstörung hinterließ der Täter bei seiner Amokfahrt von der Basilika über den Hauptmarkt zur Porta Nigra.

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